Herbstzenit: Crozets de Savoie

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Wenn die Farben im Herbst nicht mehr leuchtender werden können, genau dann zauselt der Wind die Laubkronen mit seinen ungestümen Händen dass die Blätter nur so stäuben. Schon wieder kommt mir mein literarisches Stilmittel Oxymoron in den Sinn mit seinem *bittersüßen Schmerz*, den niemand besser repräsentieren könnte wie der Herbst.

Die deutschen Expressionisten hätten sich dabei wohl mehr auf den Teil mit dem Schmerz konzentriert und in diesem goldenen Oktober bereits nach der Fäulnis und Verwesung geschnuppert, und die glühenden Blätter nur als lumpige Verkleidung für die nahenden, nackigen Baumgerippe gesehen. Diese morbide Sehnsucht und die Lust am Vergehen ist nicht meines - aber was weiß ich vom ersten Weltkrieg, der die Stimmung der Expressionisten Anfang des letzten Jahrhunderts so trübte.

Überhaupt: viele stimmt die Vergänglichkeit des Herbstes melancholisch. Grundeigentlich sollten wir es uns in diesem Gefühl heimelig machen - zumindest wenn wir Buddhas Worte nicht in den Wind schlagen. Der Buddhismus gründet in der Erfahrung der Vergänglichkeit aller Wesen. Alles, was wir Leben oder Dasein nennen, befindet sich in beständigem Fluß, unterliegt einem ewigen Wandel von Werden und Vergehen. Sich festzuhalten an dieser Vergänglichkeit geht mit Leiden einher. 

Sagt mein alltime-Favorite Goehte ja auch nicht anders: *Und so lange du das nicht hast, dieses Stirb und Werde, bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde*. Reden wir dabei nicht von Prozessen, denen wir genauso aus dem Weg gehen wollen wie dem Leiden? Der Bequemlichkeit und den Gewohnheiten zuliebe? Auch weil inneres Wachstum mit Wachstumsschmerzen einher gehen. Und könnt ihr euch noch an die Wachstumsschmerzen in der Kindheit erinnern?

Christian Morgenstern meinte dazu: *Höher als alles Vielwissen stelle ich die Selbstkontrolle, die absolute Skepsis gegen sich selbst.* Streng mit sich sein, sich ins Gebet zu nehmen, abends im Bett liegen und das Gewissen überprüfen, seine Gedanken, seine Meinungen, seine Taten genauer anschauen, sich versuchen zu verorten und dabei seine eigene Position und seinen Willen finden, die eigenen Grenzen ausloten. Erst dabei findet sich Akzeptanz samt ihrem Gegenpart. Und das alles ohne Selbstkasteiung. Wer findet heute noch Zeit für soetwas? Aber wie orientiert man sich sonst? Vielleicht bietet der Herbst Muse?


*Da schau' her* dachte ich mir, als mein Blick bei einer Packung Buchweizen-Nudeln aus dem Savoie - die höchstgelegene Landschaft Europas - hängenblieb. Wie spannend. Und bestimmt sehr gut selbst zu machen. Nachdem ich ein Mal zu oft mit französischen Rezepten auf die Schnauze gefallen bin, orientierte ich mich im deutschen Netz und wurde fündig: aus diesem Sarah Wiener Rezept und Aurélies Vorlage baute ich mir meine eigenen Crozets.

Zutaten 3-4P:

Crozets-Teig*
140g Buchweizenmehl
40g Weizenmehl (m: T65)
40g Hartweizenmehl
1 Ei
Salz
ca. 80ml heißes Wasser

Sauce
80g Beaufort-Käse
1 EL Crème fraîche
1 Stich Butter
1 guter Schuß Noilly Prat
Salz, Pfeffer
Piment d'Espelette

Zubereitung:

Aus den Zutaten für die Crozets einen homogenen, schwach klebenden Teig verkneten und 1 Stunde im Kühlschrank rasten lassen.

Den Teig auwellen (m: mit meiner Nudelmaschine Marcato - nicht zu dünn!) Dann zu Tagliatelle schneiden (m: ebenfalls mit der Nudelmaschine). Die Nudelstreifen 1 Stunde trocknen lassen. Dann die Teigstreifen  mit Hilfe eines großen Messers zu Crozets schneiden. Läßt man hier die Crozets nun vollständig trocknen, sind sie in einer Dose für mehrere Tage gut aufzubewahren).

Die Crozets in reichlich Salzwasser 20min kochen lassen.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten: entweder man schüttet die Crozets ab, schreckt sie in kaltem Wasser ab und brät sie in Fett in einer Pfanne knusprig - und läßt dann Käse und alle restlichen Zutaten für die Käsesauce in die Pfanne zu den Crozets schmelzen. Oder man bereitet die Sauce getrennt, mischt die abgeschütteten Crozets unter und schiebt die Pfanne anschließend wie ein Gratin kurz in den Ofen.

So oder so schön, den die kleinen Buchweizen-Nudeln haben alle Voraussetzung schön knusprig zu werden. Ich habe mich hier für die Gratin-Variante entschieden.

*Anmerkung m: Das Machen der Crozets zieht sich ob der Warte/Trockenzeiten durchaus in die Länge. Nimmt man noch Kochzeit und Zeit zum Gratinieren hinzu, dann sogar sehr lange. Daher bietet es sich an, die Crozets bereits am Tag/ Abend zuvor zuzubereiten. 

Bei uns gab es begleitend dazu diesen Rote-Bete-Salat mit Apfel - eine super Kombi!

nachmittags auf dem Heimweg zu Fuße des Hausbergs

14 Kommentare

  1. Crozets sind toll! Ich muss da auch mal wieder ran. An einem Tag, an dem ich die nötige Geduld mitbringe....

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. So aufwendig finde ich sie ja gar nicht - von den Handgriffen sind sie eigentlich schnell gemacht. Viel mehr sind es die Wartezeiten, die das ganze Prozedere langwierig gestalten... Aber sehr lecker - dir muß ich das vermutlich nicht mehr sagen...

      Löschen
  2. Bei dir lernt man nie aus ... Schön! Und ja, an die Wachstumsschmerzen in der Kindheit kann ich mich noch gut erinnern ... Alles Liebe vom Mädel

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. An die Wachstumsschmerzen, Maria, kann ich mich noch sehr gut erinnern - aber ich weiß gar nicht, ob ich die je laut gemacht habe... du, hast du darüber gesprochen?

      Löschen
  3. Coucou Micha, dieses Mal sende ich dir herzliche Grüsse aus der windigen Champagne, wo wir unseren Vorrat an Champagne aufstocken. Da mein Gérard aus dieser Gegend stammt gilt es auch diverse Freunde zu besuchen. Heute wird uns eine Mahlzeit serviert von einem Bewohner der Inseln Wallis et Futuna (Polynesie). Ich bin schon sehr neugierig. Auch hier zeigt sich der Herbst in den schönsten Farben. Dein Rezept Crozets de Savoie klingt sehr interessant und ich werde es sicher nachkochen wenn ich wieder zuhause in Klagenfurt bin. Inzwischen stosse ich mit einem Glas Champagne auf dich an und sage au revoir et à bientôt. Marlies

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Coucou liebe Marlies, dann hebe ich mein Wasserglas und sage *Santé-Bonheur* Richtung Champagne - habt es schön und genießt eure Zeit!

      Löschen
  4. Pasta aus Buchweizen war im (hohen) Alpenraum nichts Ungewöhnliches, da der Getreideanbau ja alles andere als sicher war. Schau mal unter Pizoccheri, wie sie im Puschlav und im Aostatal, zubereitet werden. Auch Spätzle aus Buchweizenmehl, und manchmal wenig Weizen- oder Dinkelmehl, gehören in diese Kategorie 'Grundnahrungsmittel'. Und weil Buchweizen eher schwer verdaulich ist, heisst er im Puschlav auch Polenta nera, wird dort dann mit Mais zu einer gräulichen Polenta gekocht.
    Gruss Bea

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich staune immer, was alles als schwerverdaulich gilt - da scheinen der Habib und ich wirklich einen Bauernmagen zu haben. Wir vertragen quasi nahezu alles - nur (so doof sich das anhören mag) zu viele industrielle Zusatzstoffe verkleben uns den Magen und machen Durst. Aber vielen Dank für die vielen Anregungen zu Buchweizen - ich mag den Geschmack ja sehr gerne - auch in den typischen französischen, bretonischen Buchweizen-Galettes... vorallem, weil er gebraten herrlich knusprig wird. Ich google also mal, ob ich zu deinen Stichwörtern Rezepte finde...

      Löschen
  5. ...ich brauche ne Nudelmaschine! Sonst kann ich all die verheißungsvollen Pastarezepte von dir nicht nachkochen... Weihnachtswunsch... Liebe Grüße von Hannah

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja, Hannah, also eine Nudelmaschine - ruhig die schlichteste vom Discounter - braucht man. Genau so eine (möglicherweise auch das Markenmodell - es war schon vor mir hier, keine Ahnung). Das hilft toll beim Auswellen und hat in meiner Küche einer der wenigen festen Plätze... liebe Grüße zurück

      Löschen
  6. Rein optisch könnten die crozets in die Abteilung "Horrorpasta", das gab es mal auf einer Harry Potter Lesung! Das sagt natürlich nichts aus über den Genuss dieser doch sehr aufwendig zubereiteten Pasta
    Liebe Micha, zur Zeit denke ich immer wieder beim Lesen an "Pansoti con salsa di Noce" und, ob Du das wohl kennst. Das könnte Dir gefallen.

    Der Herbst bei Euch ist ja sooo wunderschön, ich genieße die Fotos, merci!
    Liebe Grüße Inge

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Dein Rezeptvorschlag schaue ich mir gerne an, Inge - ich freue mich stets über Anregung... auch wenn ich überhaupt nicht Harry Potter bewandert bin ;)

      Löschen
  7. Dein Rezept sieht sehr lecker aus und deine Landschaftsbilder sind wie immer sehr schön! Nur eins möchte ich anmerken, „bittersüß“ ist ein Oxymeron.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ganz recht hast du, Andrea, und ich staune über mich selbst, wie ich das verwechseln konnte, wo ich es doch quasi am Tag zuvor bei den Brötchen bereits im Sinn hatte... tsss, das eigene Bewußtsein... also manchmal... habe ich natürlich ediert - Danke fürs Aufmerken

      Löschen

Für Kommentare gilt: die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) wurden an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.