l'été indien

Sonntag, 24. Oktober 2021









Ähnlich wie im Frühling hat man stets den Eindruck, dass man SO einen Herbst noch nie erlebt hat: SO leuchtend, SO warm, SO bunt! Dieser Herbst kommt mir völlig einmalig und gänzlich unverwechselbar vor! Episch schön - gerade nach den vergangenen Wochen!

Alle Sinne springen an bei Veränderungen. Wenn im Juli das Termomether beharrlich um die 28 Grad pendelt oder im Februar um Null, dann zuckt man nur noch mit den Schultern. Das Dilemma mit der Wahrnehmung - sie kann nur Veränderung anzeigen nicht aber Konstante oder gar *Nichts*. Einen gesunden Körper spürt man nicht. Ein funktionierendes Bein suggeriert dem Gehirn nicht immer wieder: läuft alles rund bei mir - ihr versteht, was ich meine. Deshalb ist ja auch Zufriedenheit *nicht wahrnehmbar*. Dafür braucht es eine Transferleistung der Sinne. Mit Hilfe der Bewußtheit muss die Aufmerksamkeit gezielt darauf gelenkt werden. Krass,oder? Schon eine Fehlkonstruktion, der Mensch...

Bien, ich trage allgemein gerne Farbe, aber lieber als die Pastellfarben sind mir die warmen Herbstfarben. Und es ist ein hartes Hin-und-Hergrübeln, ob nun der Frühling vielleicht im Beliebtheitsranking bei mir doch die Nase vorne hat. Aber dann siegt gerade die herrschende Saison - der aktuellen Eindrücke wegen. Dieser Indian Summer ist einfach voller Zauber. Und er währt dieses Jahr so lange, anhaltend, wie mit Nachdruck.

Das abwertende Wort *Altweibersommer* mag ich hingegen überhaupt nicht. Diesem Wort wurde alles Konfetti und aller Glitzer (völlig zu unrecht) entzogen. Denn das fühlende Wesen ist alterslos: *Nirgends, Geliebte, wird die Welt sein, als innen.* (Rilke)! Dickes Ausrufezeichen! Auf einer Datingplattform soll sich laut Werbung alle fünf Minuten ein Single verlieben. Wenns nur so wäre! Was großer Humbug! Wer soll das glauben? Man wird ja so oft belogen gerade. Und müsste sich für das vollkommene Liebesglück nicht paarweise verliebt werden?

Ein weiteres falsches Gerücht ist, dass die Jugend die schönste Zeit im Leben sei. Ich fühle mich mit mir heute VIEL wohler als damals! Frischhaut hin oder her! Was war ich lange unglücklich - und zwar auf eine Art, wie man es nur sein kann, wenn sich für ein unbeschriebenes Blatt alle Hoffnungen nicht erfüllen wollen, während für Geduld kein Raum ist. Ich erinner mich ganz genau daran, wie ich dann - endlich-irgendwann - einen unbeschreiblichen Glücksmoment erlebte. Ich war so glücklich, dass ich in diesem Augenblick mir selbst sagte, so, ab jetzt kann ich jederzeit sterben, das geht völlig in Ordnung, ich habe ein Mal ein solches Glück erlebt, ich bin mit meinem Leben nun im Reinen. Vielleicht erleben das andere nie. (?)

Elke Heidenreich, die Gute, fällt mir dazu ein, wie sie bei Lanz einen grandiosen Rundumschlag vollzog gegen nahezu alle aktuelle Themen. Mein Lieblingssatz gen Politik: *Wo sollen eure jungen Köpfe sein? Philipp Amthor? Der ist ja jetzt schon älter als ich. Und ich bin 80!* Sehr gut gebrüllt. Manche Jugend ist nie jung. Und ganz wenige erhalten sie sich bis ins Alter, das Jungmädchenhafte, den Lausbubencharme. Denkt noch jemand wie ich direkt an den wunderbaren Film *Harold and Maude*, in dem Maude von Ruth Gordon so herzerfrischend verkörpert wird. Obendrein unterlegt von Cat-Stevens-Musik. Ach, ein schöner Film!

Erhält nicht alles eine andere Bedeutung, wenn es durch die Endlichkeit bedroht wird. *Denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht.* Vergänglichkeit - auch so was, das man gerne verdrängt. Aber nur so entsteht Romantik. Zusammen mit dem Wissen, dass das Pendel mit gleicher Kraft von einer Seite auf die andere schwingt: *Doch laß den Kummer kommen, So sehr er mag: wiegt er die Freuden auf, Die mir in ihrem Anblick eine flücht'ge Minute gibt?* Soweit die Romeo-und Julia-Theorie. Nur loslassen will doch keiner freiwillig. *Leben und Liebe endet. Warum, oh Parze, schneidest du nicht beide Fäden zugleich.* (wieder Goethe). Echte Gefühlstiefe will Ewigkeit! Was Materie niemalsnie bieten können wird sondern nur der Geist.

In Angesicht des Verlusts tritt der (gerne verdeckte) Wert von allem zu Tage. So wie der Herbst die Fülle der Natur, die ganze Kraft von Werden und Vergehen verdeutlicht. Das hat so gar nichts mit der Leichtigkeit des Frühlings zutun (alles liegt noch vor uns), das hat das volle Gewicht des Augenblicks - und macht ihn dadurch besonders eindringlich! Das Staunen mag im Frühling ähnlich sein, aber nie lebt es sich intensiver, wie wenn sich mit einem Wimpernschlag alles drehen kann, wenn die bunten Blätter an seidenen Fäden hängen, wenn der Wind von Abschied erzählt.

Dazu habe ich euch ein Lied herausgesucht von dem neuen Album *Isa* von ZAZ, die mir bereits bekennend ein Lebenslied geschrieben hat mit *je veux*. Ihr neuer chanson *les jours heureuses* hat Passagen, die mich an Enya erinneren (was mich verwebt mit meiner belasteten Jugend). Und ich mag den Text, weil auch ich gerne etwas in die Welt zurückschicken möchte von meinem Glück meinem Habib begegnet zu sein. Denn allem Elend zum Trotz: es gibt sie... crois moi, crois moi... 



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