Rosenzeit: Kefir-Gugl mit Himbeeren und Johannisbeeren

Mittwoch, 23. Januar 2019


Während dieser elendlangen Busfahrten zum Gymnasium und zurück verschlang ich Denise-Romane. Die gabs damals am Kiosk am Busbahnhof in einem metallenen Drehständer, verheissend harmlos rosa und hellblau eingebunden, ein Pärchenbild als Cover wie von der Bravo geklaut, auf Altpapier gedruckt. Verwickelte Liebesgeschichten, die in der Jetztzeit angesiedelt waren: auf der ersten Seite lernten sie sich kennen, auf der letzten kamen sie zusammen. Die Frage war das Wie.

Fortbildung, bei der auf nichts aufgebaut wurde außer auf viel Hoffnung und Sehnsucht. Eine Lesephase, die genau so endete wie sie begann: in der Pupertät.  Ein schlechtes (jüngst gelesenes) Beispiel für dieses Genre in der Literatur ist übrigends *Die Einsamkeit der Primzahlen*: zwei Verhaltensauffällige, Gemütskranke irren um sich herum - anstrengend und ermüdend (schade eigentlich bei dem schönen Titel).

Hingegen ein echtes Bomben-Beispiel ist *Stolz und Vorurteil* von Jane Austen - ich war während der Lektüre wie zu besten Zeiten völlig im Fieber, wann sie sich endlich in die Arme fallen. Aber das nur unter uns im Geheimen, niemals würde ich das öffentlich zugeben! Am Kuriosesten an dieser Geschichte ist ja, dass die Verfilmung auch funktioniert. Jede Kameraeinstellung eine Postkarte. Kitsch as Kitsch can. *Ein kleines Wunder* urteilte damals die FAZ - und das ist es indeed. Vermutlich mit weil Keira Knightley mit ihrer verspannten Kieferpartie auf ganz natürliche Weise dieses Eigensinnige, Trotzige, Verweigernde mitbringt, das die Rolle der Elizabeth so hervorragend kleidet.

All das Überzuckerte-Klebrig-Dämmerige mit Nippes und Sonnenuntergang, am Valentinstag mit oppulenter Hochzeitsfeier, samt utopischen Versprechungen und Schwüren, als wisse man, was die Zukunft bringt, gestanzten Rollenbildern, protzigen Geschenken, die den Gegenwert der Gefühle spiegeln sollen, Kerzen, Negligés, Rosenduft oder (direkt aus der Hölle) Paare, die miteinander in Babysprache kommunizieren - die Typographie des Grauens ohne auch nur den Hauch eines romantischen Moments für mich.

Aber bitte, jeder darf Romantik interpretieren, wie er will. Für meine Zwillingsschwester ist Romantik gar eine bloße Erfindung ihrer Epoche (sie schrieb ihre Magisterarbeit darüber). Und das erwähne ich nicht als Anklage, sondern um aufzuzeigen, wie unterschiedlich zweieiige Zwillinge stets sind und sie trotzdem behaarlich von der Gesellschaft in den Topf der eineiigen geworfen werden. Es ist wohl zu viel von der Außenwelt verlangt genauer hinzuschauen, wo es sich doch viel einfacher mit Klischées lebt.

In meinem Leben gebührt der Romantik ein zentraler Platz. Zwei Menschen, die miteinander füreinander sind. Nix polyamor, nix Tandra, nix Swinger, nix freie Liebe. Zwei, die einen Kern bilden. Wie beim Fangenspielen als Kind. Es gibt den Bereich der Jagd und einen ganz kleinen Ort, da ist *Haus*, geschützt und bestenfalls selbst kreiert mit Vertrauen und Ehrlichkeit. Ein Verbund ganz freiwilliger Art. Nicht aus Pflicht heraus, nicht der Biologie gehorchend. Das gelebte Mysterium eines Baumes: 

Ginkgo Biloba

Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut
 

Ist es Ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt?

 
Solche Frage zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn,
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich Eins und doppelt bin?
 

(JW v. Goethe)

Habib, du bist die Erfüllung eines Jungmädchentraums, aber du bist ein scheußlicher Zeitbeschleuniger: die letzten Jahre vergingen viel zu schnell! Rosenzeit mit Wermut. Versüße ich uns den *Weil-nichts-bleibt-wie-es-ist*-Moment mit einem Kuchen, gatschig und saftig ganz wie ein Rührkuchen sein muss und sein sollte... zumindest, wenn er aus meiner Gugelhupfform fällt!


Zutaten - Gugelhupfform*:

300g Weizenmehl (m: Dinkel 630)
250g Johannisbeeren (m: gemischt mit Himbeeren)
200g weiche Butter
200g Rohrzucker
150ml Buttermilch
1 Vanille-Stange, das Mark davon
4 Eier*
2 TL Backpulver
eine Prise Salz

Puderzucker zum Bestäuben

Zubereitung:

Den Ofen auf 175 Grad Ober-/Unterhitze vorheizen. Die Guglhupfform einfetten und ein wenig mit Mehl ausstäuben.

Die Vanilleschote halbieren und das Mark herrausschaben. Die Butter mit dem Zucker und der Vanille aufschlagen bis die Masse aufhellt und cremig wird. Ein Ei nach nach dem anderen zugeben, dabei jeweils eine Minute weiterrühren.

In einer anderen Schüssel die trockenen Zutaten vermengen: das Mehl mit dem Backpulver und der Prise Salz vermischen. 

Mehl-Mischung und Buttermilch im Wechsel zum Kuchenteig geben - dabei nicht zu lange rühren. 

Die Johannisbeeren und Himbeeren (gm: eigene, gefroren) dazugeben und einmal kurz unterheben. 

Dann den Teig in die Form geben, drei bis vier Mal die Form auf die Küchenplatte hauen, damit sich eventuelle Bläschen auflösen. Für 60 Minuten backen.

Den Kuchen abkühlen lassen, erst dann aus der Form stürzen. 

*Anmerkung m: Um die Kuchen-Gugelhupfform ganz zu füllen, könnte (sollte - so mache ich das nächste Mal) man die Zutatenmenge mit 1,25 multiplizieren


Inspiration: Über-see-Mädchen

15 Kommentare

  1. Deine Liebe für "Stolz und Vorurteil" teile ich auch, ich finde auch die Sprache des Buches sehr schön -manchmal verliert eine Übersetzung ja auch im Vergleich zum Original. Und bei all der rennenden Zeit merke ich, dass ich mit der Lektüre eines Buches die Zeit dann anhalten kann und mich beim (wiederholten) Lesen zurückerinnere, wann ich bsp. Stolz und Vorurteil zum ersten Mal gelesen habe (2008 in New York als krasser Gegensatz zu der verrückten Welt um mich herum).
    Lg, Miriam

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    1. Ja, Miriam, *Stolz und Vorurteil* ist einfach grandios! Allerdings (ebenfalls jüngst gelesen) fand ich *Emma* dagegen total enttäuschend - eine Lektorin, die ordentlich rauskürzt, hätte dem Buch gut getan. Hast du noch andere Bücher von Jane Austen gelesen?

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  2. Hej! Dein Kuchen klingt sooo lecker und ich habe auch noch gefrorene Johannisbeeren vom Sommer im Tiefkühler. Lässt du die Beeren zunächst auftauen oder gibst du sie so gefroren in den Teig? Liebe Grüße, Linn

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    1. Linn, genau dafür habe ich die meisten Beeren aus dem Garten eingefroren: fürs Verbacken. Und ganz genau, ich gebe die Beeren gefroren in den Teig - funktioniert einwandfrei ;) liebe Grüße zurük...

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  3. Oh, es frühlingt eindeutig bei Dir!
    Liebe Grüße in den Süden!

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    1. Es frühling sehr - seit 14 Jahren
      ... so kann man es natürlich auch sagen, Svea...
      mit herzlichen Grüßen zurück in die Hauptstadt

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  4. Was für zauberhafte Worte dem Liebsten geschrieben. Es wärmt mir das Herz. Genau so hier. Und ja: Nichts bleibt, wie es ist, darum ist jeder Tag so wichtig, jeder. Der trübe und der sonnige! Herzlich winkt Sunni

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    1. Genau das, Sunni, sind die Schönwetterwolken: das nix bleibt, wie es ist. Man weiß nur, dass das Pendel irgendwann wieder in die andere Richtung ausschlägt...
      herzlich zurück!

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  5. Liebe Micha, wie schon so oft, hast eine Erinnerung aus eine der tiefsten Schubladen meines Gedächtnisses hervorgeholt: Denise-Romane! :-)
    Auch mir waren sie in der verwirrenden und oft missverstanden Zeit der Pubertät Wegbegleiter. Eine Konstante, die zu trösten vermochte. Denn immer gab es ein Happy Ende.
    Später habe ich die Romane Jane Austens für mich entdeckt: Ihre Sprache, den Witz aber vor allem die Charaktere haben es mir angetan. Sie sind zeitlos und berühren das Herz. Liebe ist eben immerdar. Wie wunderbar,dass du so von deiner Liebe schreiben kannst. Nicht im mindesten kitschig, sondern zu Herzen gehend.Hach! Und jetzt ein Stück vom zuckersüßen Kuchen.....

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    1. Wie hießen denn die Vorläufer von den *Denise-Romanen*? Diese anderen *Broschüre-Liebesgeschichten*? Gabs da nicht irgendetwas mit historischem Hintergrund? Heimat-Kulisse? Hmmm, es dämmert mir nur sehr ungefähr vor Augen (das habe ich nämlich WIRKLICH nie gelesen) - aber du weißt vielleicht, was ich meine? Ach ja, ein bißchen Heilewelt und gute Vorbilder, die Beispiel geben, dass Liebe leben nicht unmöglich ist, das kann man während dem Aufwachsen schon gut gebrauchen. Also ich ;)
      Welches Buch von Jane Austen ist denn noch gut? Wie oben in einem Kommentar erwähnt, fand ich *Emma* ja eher so, dass man SO seine Tochter nicht nennen sollte...
      Dankeschön für deinen charmanten Kommentar!

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  6. Was für schöne Worte von dir mal wieder! Da werde ich es wohl doch noch ein Mal mit Stolz und Vorurteil versuchen... Hatte mich bisher wegen meiner Kitsch- und Romatik-Abneigung dagegen gesträubt, aber wer weiß?!

    Und der Guglhupf klingt nach einem richtig solide guten Kuchen! Und schön gatschig darf er auf jeden Fall auch aus meiner Form purzeln!
    Liebe Grüße
    Alexandra

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    1. Alexandra, ich würde *Stolz und Vorurteil* jetzt nicht gerade mit dem Kerl anschauen, oder deiner Kumpel-Clique oder deinem Schwarm... also schon eher alleine, oder mit der Trauten. Ganz eindeutig bleibt das Genre durchaus rosarot. Aber hey ja, das Buch ist toll und wenn irgendetwas in dir doch romantisch ist (s.o.), dann fängt dich die Story auch ein...
      In diesem Sinne: auf die Romantik und auf gatschige Kuchen :)

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  7. Ich denke du meinst die "Historical bzw. MyLady" Romane aus dem Cora Verlag. Früher waren Paare in historischem Gewand,Frau tief dekolletiert, sich anschmachtend,auf dem Cover abgebildet. Ich gebe,nicht im mindesten beschämt,zu das ich dieser Trivialliteratur hin und wieder fröne. Ja, dass romantische Herz benötigt von Zeit zur Zeit Nahrung.
    Jane Austens "Vernunft und Gefühl","Überredung" und "Mansfield Park" favorisierte ich. Aber dass ist Geschmackssache und leider von der jeweiligen Übersetzung abhängig. Ich empfehle die Übersetzungen von Allie`\Kempf-Allie`.
    LG Debbie

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  8. Schöne Worte für deinen Habib. Als ich das mit dem Kern gelesen habe ist mir ein Tränchen gepurzelt, ein Freudentränchen. Es ist wunderbar die Hälfte so eines Kerns zu sein.
    Und damit das so ganz passt habe ich gestern den Kuchen gebacken. Wieder mit einem Urlaubsmitbringsel, einer Vanilleschote von Mauritius. So gutes Soulfood wenn es draussen so gar nicht soulig ist.
    Liebe Grüsse

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  9. Der letzte roman von austen (persuasion / überredung) hat mich am meisten berrührt. Zwar geht es dort wie in ihren anderen werken auch um die bedingungen,zwänge und fallstricke von heiratsmärkten, aber diesmal steht eine 'ältere' frau (nach damaligen maßstäben: die protagonistin ist ende 20) und ihre reflexionen im mittelpunkt des buches. Allein die ersten sätze sind goldwert.

    ps: auch von mir ein dankeschön für zahlreiche momente des kulinarischen genusses.

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