Unbegrenzt: Cremiger Wirsing mit Orcchiette

Dienstag, 24. März 2020


Das allzu menschliche Sankt Florian-Prinzip weht durch die Gassen. Möge dieser Kelch an einem vorüber gehen. Wer kann, versucht sich klein zu machen und wegzuducken. 

Ganz im Gegenteil zur Politik, die genau in dem Moment, in dem ein Großteil der Bevölkerung schwer mit existentiellen Sorgen abgelenkt ist, jeden Bezug zu Maß und Zahl verliert. Es wird mit fulminaten Worten und Zahlen hantiert. All die uferlosen Zusagen scheinen Geld in Papier und Worte in Seifenblasen zu verwandeln. *Unbegrenzt* ist das neue, viel gebrauchte Lieblingswort. 

Unbegrenzt im Sinne von *grenzenlos*? Oder gibt es noch andere Bedeutungen für dieses Adjektiv?

Es sei die umfassendste und wirksamste Hilfestellung und Garantie, die es in Deutschland je gegeben habe, so Wirtschaftsminister Altmaier, samt einer unbegrenzten Zusage für Liquiditätshilfen: an fehlendem Geld solle es nicht scheitern.

Finanzminister Scholz betont zeitgleich, das Kreditvolumen sei unbegrenzt. Wenn die jetzt zur Verfügung gestellte Summe nicht ausreiche, werde man nachlegen. Das jetzt wäre * die Bazooka* [...] und was wir an Kleinwaffen brauchen, sehen wir später.*

Die EU legt mit einem einzigartigen Schritt nach und setzt erstmals Schulden- und Defizitregeln vorübergehend aus. Parallel will die Fed (US-Notenbank) unbegrenzt Anleihen kaufen.

Ihr habt bei diesem vollmundigen Fachchinesisch böhmische Dörfer vor Augen?

Voilà, nichts ist anschaulicher wie abstrakte Inhalte in Bilder zu verwandeln. Und in derlei Zusammenhängen zückt der Habib gerne eine kleine Schätzfrage, die da lautet: Wie groß muss ein Koffer sein, in den eine Million Euro passt? Eine Idee? Fast jeder lag seither mit seinem Tipp daneben. Für dieses Spielchen muss man wissen, wie hoch ein Stapel von einer Million im größten Euroschein von 500 Euro überhaupt ist. Und wenn schon dabei, hat der Habib die Höhe bzw. Länge von 500er Stapeln mal gelistet - anhand der Größe der Stapel wird der Unterschied etwa von Million zu Billion erst richtig deutlich, beeindruckend (!) deutlich:

1.000.000 - eine Million - (in 500 Euroscheinen):     (pupsige) 22cm
10.000.000 - zehn Millionen - (in 500 Euroscheinen):     220 cm
100.000.000 - hundert Millionen - (in 500 Euroscheinen):     2200 cm= 22m
1.000.000.000 - eine Milliarde - (in 500 Euroscheinen):     22.000 cm
10.000.000.000 - zehn Milliarden - (in 500 Euroscheinen):     220.000 cm
100.000.000.000 - hundert Milliarden - (in 500 Euroscheinen) 2.200.000 cm = 22 km
1.000.000.000.000 - 1 Billion - (in 500 Euroscheinen):    22.000.000 cm  = 220 km

4.000.000.000.000 - vier Billionen - (in 500 Euroscheinen):    88.000.000 cm 
10.000.000.000.000 - zehn Billionen - (in 500 Euroscheinen):     220.000.000 cm = 2.200km

Soweit die Basics, was die Nullen betrifft.

Bedeutet für Amerika, dessen Staatsschulden sich im Moment auf ca. 24.000.000.000.000 USD belaufen - wir reden von einer Strecke von über 5.000 km gestapelter 500 Euro Scheinen (etwa von Berlin nach Novosibirsk)... Oder: die deutschen Staatsschulden liegen bei: 2.032.000.000.000 Euro - wobei der gesammte Staatshaushalt, über den Deutschland für das Jahr 2019 verfügte, 343.000.000.000 Euro betrug. Und von diesen Zahlen wird ständig mit der sogenannten "schwarzen Null" abgelenkt - der Vertuschung zuliebe.

Ist das fancy? Und jetzt also ein Hilfspaket in Billionenhöhe. Wer ist im Kopf noch dabei? Wer rechnet noch mit? Rechenschieber raus, jetzt kommen wir ans Eingemachte: wo soll das hinführen? Wo kommt das Geld her? Wie soll das je zurückbezahlt werden?...


Zum dritten Mal habe ich nun schon diese Orcchiette zubereitet, seitdem ich sie bei Susanne entdeckte. Man hat den Bogen - im wahrsten Sinne - schnell raus, wie man die kleinen Öhrchen fertigt. Nebenher dient die Zubereitung dieser frischen Pasta obendrein ganz wunderbar der Entspannung in diesen unruhigen Zeiten, da bin ich ganz bei Susanne: *das Formen von Orecchiette macht mir nicht nur Spaß, sondern wirkt auch nervenberuhigend.* Ausprobieren - so ist es wirklich!

Zutaten 2P:

140g Hartweizenmehl
30g Einkorn-Vollkorn
ca 85ml Wasser

1 Wirsing
1 Zwiebel
2 Knoblauchzehen
1 TL Kümmel, fein geschrotet
1 TL Thymian
1 EL Mascarpone
1 Stich Butter
1 EL Mehl
200ml Gemüsebrühe
Salz, Pfeffer
1 Zitrone, Abrieb davon
1 Schuß Noilly Prat
Öl

Deko: Parmesan, frisch gerieben
Chili-Öl

Zubereitung:

Für die Pasta das Mehl in eine Schüssel geben. Eine Mulde in die Mitte machen und das Wasser angießen.  Langsam Mehl und Wasser vermischen, und den Teig gut kneten: er soll nicht kleben und schön elastisch sein. Wenn nötig, nach etwas mehr Wasser einarbeiten. Den Teig in Frischhaltefolie wickeln und bei Zimmertemperatur mindestens eine halbe Stunde ruhen lassen.

Den Ofen auf 210° vorheizen. Wirsing halbieren, vom Strunk befreien, äußere Blätter wenn nötig entfernen, und den Wirsing in kleine Streifen und dann in kleine Rauten schneiden. In eine große Auflaufform (tiefes Backblech...) mit dem Öl vermengen und ca. 15min in den heißen Ofen schieben - zwischendurch wenden. Es sollten sich dunkle Spitzen zeigen (Röstaromen).

Für das Fertigen der Orcchiette (s. diesen kleinen Film) oder den Teig zu fingerdicken Würsten beliebiger Länge rollen. Dabei die Arbeitsfläche nicht bemehlen. Die Würste im rechten Winkel zum eigenen Körper legen. Mit einem simplen, zart geraffelten Tafelmesser ca. 1 cm dicke Scheiben abschneiden. Sobald das Messer auf der Unterlage ankommt, es Richtung Körper kippen und auf den Körper zu über den Teig ziehen. Mit der freien Hand das Öhrchen festhalten, wenn es hinter dem Messer hervor kommt, dann über einen Finger umstülpen. So entsteht die typische Öhrchen-Form und die Pasta bekommt die typische angeraute Oberfläche auf der Innenseite. Die fertigen Orecchiette jeweils mit etwas Mehl bestäuben, damit sie nicht zusammenkleben.

Für den Wirsing die Zwiebel fein würfeln, ebenso den Knoblauch und in etwas Öl anschwitzen. Zuletzt den Kümmel kurz mitrösen. Wirsing und Thymian zufügen, die Brühe anschütten und bei geschlossenem Deckel weich garen (etwa 10min). Dann abschütten und Sud auffangen. Butter schmelzen und zusammen mit dem Mehl zu einer Roux verrühren. Sud anschütten, dabei mit einem Schneebesen rühren, damit sich keine Klümpchen bilden. Wirsing wieder zurück in den Topf geben. Mit einem Schuß Noilly würzen. Mascarpone und Zitronenschale unterrühren, salzen und pfeffern.

Orcchiette in reichlich Salzwasser al dente garen - dauert frisch etwa 3-4min, abschütten. Wirsing in zwei Teller verteilen, Orcchiette darauf setzen, mit Parmesan betreuen und mit etwas Chili-Öl besprenkeln. Servieren.

*Anmerkung m: Ich habe die Orcchiette auch schon völlig getrocknet - dann braucht sie zum Garen deutlich länger etwa 12-15min

Inspiration: Susanne von Magentratzerl


14 Kommentare

  1. .... was die Nullen betrifft. Warum nur denke ich da an etwas anderes als Geld :-)) ?
    Ansonsten bitte eine Portion hierher, deine Orecchiette sehen zum Anbeißen aus. Und ja, Pasta machen beruhigt, habe ich heute wieder getestet und bestätigt.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Es wäre schön, Susanne, wenn die, die mit Nullen hantieren, auch mit Nullen umgehen könnten.

      Aber ach, zurück zu den Orcchiette - ich bedanke mich herzlich für die Inspiration! # Pasta-Club ;-), die kleinen Örchen machen richtig Spaß, ich kann dich nur wiederholen!

      Löschen
  2. Die Umrechnung von Euro in cm ist eine SUPER IDEE.

    Eine Million sind also etwa 2000 Euroscheine zu je 500 Euro.
    Ein Euroschein a 500 Euro hat etwa 0,1 MILLIMETER. Also 0,1 MILLIMETER-Genial.

    Grenzenlos haben wir Geld, es wäre genug für alle da.
    Grenzenlos sind wir Egoisten, grenzenlos brauchen wir das Geld für Kriege.
    Grenzenlos rechnen wir uns unsere Lügen vor, grenzenlos verdrehen wir Wirkliches.
    Grenzenlos quatschen wir den Mist anderer nach.
    Grenzenlos misstrauen wir unseren eigenen Wahrnehmungen.
    Wir sind wohl alle GRENZENLOS VERBLÖDET. Denn alles hat Grenzen.
    Wir sind wohl alle besoffen und nicht mehr klar.

    Bitte bleiben Sie gesund.
    Wilhelm

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Zu Ihrem sehr berreichernden Kommentar - vielen Dank, Wilhem, - fällt mir das bekannte Einstein-Zitat ein:
      «Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.»

      in diesem Sinne, bleiben auch Sie gesund!

      Löschen
  3. Eine Million und eine Milliarde klingen sehr ähnlich. Tatsächlich wird einem der Sprung dazwischen erst richtig bewußt, wenn das in Längenmaß umgesetzt wird. Da man diese Maße öfters im Gebrauch hat, kann man sich mehr darunter vorstellen. 22 Zentimeter zu 220 Meter, das ist eine Hausnummer. Gerne möchte ich hoffen, dass Politik versteht, wie mit diesen Nullen umzugehen ist. Aber gerade kommt es mir naiv vor. Vielen Dank für diesen Gedankenanstoss!

    Ihnen und Ihrem Habib alles Gute!
    viele liebe Grüße von Johanna

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Was kann ich antworten, Johanna, mir gehts wie dir, ich würde mir ebenfalls wünschen, dass Verantwortliche ihrer Verantwortung gerecht werden. Aber die Zahlen sprechen da (sehr leider) eine andere Sprache...
      Paß auf dich auf, mit vielen lieben Grüßen zurück...

      Löschen
  4. danke für die anschauliche Rechnung, aber es gibt einen Fehler beim Sprung von "m" zu "km", da müssten 3 Nullen weg:
    1.000.000.000 - eine Milliarde - (in 500 Euroscheinen): 222 m
    10.000.000.000 - zehn Milliarden - (in 500 Euroscheinen): 2.200 km

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh, wie schön, jemand rechnet mit! Die Erfahrung hat gezeigt, dass das sehr selten der Fall ist. Danke für den Hinweis, ich habe korrigiert, allerdings müssen nicht drei Nullen weggestrichen werden, es war ein Übertragungsfehler meinerseits: bei einer Milliarde und zehn Milliarden fehlte das *k* für Kilometer.

      Löschen
  5. Ich rechne nicht mehr mit, ich lese kaum noch Nachrichten und schaue sie schon gar nicht. Ich blicke in den blauen Himmel und frage mich: Ist dieses Frühjahr so besonders schön, der Himmel von so einem strahelnden Blau, die Wölkchen weißer als sonst, das Gras einfach von einem bestechenden Grün und die Blumen haben ein spezielles Leuchten? Ist das der Ausgleich von allem anderen? Mehr kann ich nicht tun, außer kochen, organisieren, mit Mundschutz einmal pro Woche einkaufen und nichts vergessen und 2 mal pro Tag eine gute Stunde homeschooling mit der ältesten Enkelin per Telefon und PC, damit meine Tochter allein mit den 2 bewegungssüchtigen Kindern und 8 Stunden homeoffice nicht völlig resigniert. Ihnen alles Gute, in jedem Sinne!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Zu gut verstehe ich Ihre Sehnsucht, Sunni, dich dem Schönen zuwenden zu wollen. Ganz im Sinne von *Laß uns der Sonne entgegen drehen, damit die Schatten hinter uns fallen.* Für Wahrheitssuchende gehört die Auseinandersetzung mit der Polarität nun mal dazu. Diejenigen dürfen die Augen nicht verschließen vor dem, was ihnen nicht gefällt. Sonst setzt sich Wunschdenken und Illusion vor die Realität.

      Aber man muss gleichzeitig acht gegen, dass man in diese Finsternis nicht zu lange sieht, denn die Gefahr droht, dass der Abgrund sonst zurückguckt...

      Demnächst auch hier wieder mit mehr Gewichtung auf das Schöne-Wahre-Gute. Aber mindestens ein happiger Artikel steht noch aus!

      Ihnen ebenfalls alles Gute und bewahren Sie sich - trotz allem - ihre Moral!

      Löschen
  6. Vielen Dank für diese anschauliche Darstellung! Das werde ich meinen Schülern zeigen, aber kann es sein, dass es einen Kommafehler gibt? Wenn 1 Millionen 0,22 m sind, dann sind doch 10 Millionen 2,2 m und nicht 22 m

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Da hast Du absulut recht, liebe Lisa. In meiner ersten Version hatte ich es richtig mit einem Tippfehler in einer Zeile von m/km. Ich wurde überschüttet mit Mails und jeder wusste es anders. Ich habe wieder gelernt: auf Verwirrung darf man nicht sofort reagieren. Aber: am Endergebnis ändert sich ja nichts. Zum Nachrechnen Schritt für Schritt präzisiert.
      Es freut mich, wenn Du Dir damit eine Anregung für Deinen Unterricht mit nehmen kannst.

      Löschen
  7. Liebe Micha, lieber Habib - geniale Veranschaulichung! Was sie allerdings veranschaulicht ist ein bodenloses - oder grenzenloses?- Disaster. Ferner wird auch mal wieder klar, was Geld eigentlich ist - nichts als gedruckte Zahlen und so lange das Papier und wir geduldig sind, oder beim Mitrechnen längst ausgestiegen sind (zähle ich mich voll dazu, denn mein Gefühl für Geld endet im 1.000er Zahlenbereich), wird uns unbegrenzt was vorgegaukelt...
    Die Orcchiette hingegen sind ein echter Lichtblick und rufen auf zum Öhrchen Spitzen - oder?! Liebe Grüße von Hannah

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Mir gehts wie dir, Hannah, ich bin auch nicht ausgestattet mit einem ausgeprägten Zahlenverständnis. Aber das Wesentliche hier checke ich trotzdem, nämlich dass man singen kann:
      *Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld, wer hat so viel Pinke-Pinke, wer hat so viel Geld...*
      viele liebe Grüße zurück!

      Löschen

Für Kommentare gilt: die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) wurden an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.