Freundlichkeit: chinesische Eiersuppe mit schwarzen Bohnen

Freitag, 20. Januar 2023

 

Ich bin Freund der Freundlichkeit. Oder hänge ich es tiefer auf: der Höflichkeit. Des Benimm. Der guten Kinderstube. Keiner will zurück zur starren Förmlichkeit, die Herr Knigge bestimmt. Nehme ich ein Beispiel aus meinem Erleben bei Vinted, der Monopol-Plattform für Second-Hand-Klamotte. Da gehts ja erstmal um nix. Ich deale schließlich nicht mit Hermés-Taschen oder der gleichen. *Kleckerles-Beträge* hätte die Oma das früher genannt. Eben nix, was einen reicher oder ärmer macht. Aber der Umgangston dort manchmal... Ist eine Grußformel zu viel verlangt? Ganze Sätze? Ausgeschriebene Worte? Ein Bitte oder Danke? Gerade wer sich als potentieller Kunde einführt tut so, als müsse der andere jetzt die Bitch spielen, nur weil er mit dem Geldschein wedelt? Da habe ich doch direkt keinen Bock mehr. Echt, kein Verständnis für so ein Gebaren. Gratulation, Kapitalismus verinnerlicht!

Das möchte ich abgrenzen von der erlebten Fielmann-Kundenfreundlichkeit mit Trainingscamp direkt im Vorhof der Hölle. So viel Falschheit schlägt einen ja regelrecht in die Flucht. A la *Man spürt die Absicht und ist verstimmt*. Dann ziehe ich wortkarge Stoffeligkeit wieder vor. Lieber echtes Leben als gefaktes. Sehr verläßlich eigentlich das Uralt-Prinzip von *Wie man in den Wald reinschreit, so schreit es zurück* - darüber kann man durchaus ein wenig sinnen...

Vielmehr rede ich von einem Umgang wie in der einen Werbung im deutschen Fernsehen vor Weihnachten: man denkt einen kleinen Moment mit für jemanden, läßt einen Fremden mit nur zwei Sachen in der Hand an der Kasse vor, trägt einer Omi die schwere Tasche die Treppe hoch, hält die Bahn auf, damit ein anderer noch reinspringen kann - der gute alte Pfadfinder-Spirit, ihr wißt schon... By the way: bin ich die einzige, die das befremdlich findet, dass eine Supermarktkette damit wirbt?

Ben, ich komme darauf durch eine kleine Begebenheit gestern, als ich durch die engen Straßen von Crest - dem nächsten Kleinstädchen - gefahren bin. Erst drückte ich mich an einer Baustellenraupe vorbei, um dann beim Abbiegen festzustecken zwischen zwei Lieferwägen; der eine einfach an die Hauswand geklemmt. Als ein Bauarbeiter mir entgegenkommt, lasse ich das Fenster runter und bitte ihn, mit diesem doch ein Stück vorzufahren. Der schüttelt bedauernd den Kopf als Antwort und sagt, das sei nicht sein Wagen. Mein Gesicht drückt *Argghhh!!!* aus. Er stuzt kurz und meint: *Komm', das passt schon, ich lotse dich durch!* Er drückt meine Außenspiegel rein und winkt mich geduldig durch die verstellte Passage. 

Hach, GROS Bisou! Das ist halt auch was, das einem im ländlichen Frankreich gar nicht mal selten begegnet, eine Art von Ritterlichkeit Frauen gegenüber, Galanterie, Charme-Offensiven mit kleiner Blinzelei - das weiß ich sehr zu schätzen, weil ich mag das pas de deux-Spiel der Geschlechter.

Und genau das meine ich. Was kann ein Lächeln manchmal entwaffnend wirken (ja, bei einem waschechten Bämul kann man es wieder stecken lassen), aber mir fallen leichterdings viele Situationen ein, die mit Freundlichkeit entweder entschäft wurden oder auf beiden Seiten gute Laune bewirkten. Ich für meinen  Teil habe festgestellt, dass man sich den Alltag mit exakt solchen Momenten ein kleines bißchen schöner machen kann und dieses Quäntchen lasse ich mir nicht entgehen.

 


Einen kalten Tag bekommt man wunderbar geboostert mit einer schönen Suppe. Diese Suppe ist sogar schnell gemacht und ist der raffiniertere Bruder einer echten Omi-Suppe. Der kleine Dreh hier ist, dass man die Brühe ein wenig anbindet, was ihr direkt mehr Schmelz verleiht. Und der unerwartete Star am Tellerrand - das blättrige und super knusprige chinesische Pfannenbrot - reiche ich euch am Sonntag dazu...

 

Zutaten 2P:

80 g kleine Shiitakepilze
2 Frühlingszwiebeln
2 Scheiben Ingwer
1 Knoblauchzehe
2 EL Öl
800 ml Gemüsebrühe* (m: selbstgemacht)
200g schwarze, gekochte Bohnen
4 EL Sojasauce
Reisessig
1 TL Speisestärke
2 Eier (M) (m: 1 großes)
Salz
Essig nach Geschmack
150g Gemüseinlage (m: Rest Kürbis und Rosenkohl)
60g Gersten-Graupen, gekocht*
Sesamöl

 

Zubereitung:

Shiitake vom Stiel lösen, größere Kappen halbieren. Den unteren Teil der Frühlingszwiebeln in Ringe schneiden. Ingwer schälen und zusammen mit dem Knoblauch fein würfeln.

Öl in einem Topf erhitzen, die Pilze darin kurz anbraten. Knoblauch und Ingwer zugeben und hellbraun braten. Klein geschnittene Gemüsebeilage zufügen, Gemüsebrühe zugießen und aufkochen. Die Bohnen ebenfalls in den Topf geben, außderdem die gekochten Graupen - 5 Minuten offen köcheln lassen.

Sojasauce mit 1–2 Teelöffel Reisessig und Speisestärke glattrühren und in dünnem Strahl unter die kochende Suppe rühren, dabei bindet die Suppe leicht. Die Eier mit einem Schneebesen gründlich verquirlen und ebenfalls im dünnen Strahl in die Suppe geben, die Suppe dabei langsam rühren. 

Die Suppe mit Salz, eventuell noch etwas Essig und wenigen Tropfen Sesamöl abschmecken. Die grünen Frühlingszwiebeln in feine Röllchen schneiden und über die Suppe geben.

 

Anmerkung m: ich habe die Gemüsebrühe selbst gekocht - werde ich in zukünftigem Beitrag noch verlinken/ die schwarze Bohnen kochte ich mit einem Stück Kombu-Alge/ die Gerste kochte ich extra - am Vortag eingeweicht, am Suppentag 15 min in frischem Wasser köcheln und dann zugedeckt ziehen lassen - ursprünglich ist die einzige Suppen-Einlage der Suppe Pilze, Eier und Bohnen

Inspiration: Effilee

 

10 Kommentare

  1. Christine Usedom20. Januar 2023 um 19:10

    Ach Micha, nach jedem Deiner Texte fliegen meine seelengleichen Gedanken zu Dir.
    Dauermüdigkeit und der Wunsch, alles Liegengebliebene an Verwaltung so zu reduzieren, dass meine Tochter mit Freude übernehmen kann, "verbietet" die meisten Nebenstraßen bis zu meinem freien Rentendasein...

    Heute aber kurz:
    "Das Lächeln ist eine Kurve, die alles wieder grade biegt" las ich irgendwo und das passt doch wunderbar zu Deinem heutigen Text!! ist so leicht und beflügelt uns selbst...
    Auch ich reagiere verstimmt, fragt einer z.B. nach eine Zimmerreservierung ohne Anrede und Gruß: ich antworte nicht, mit der Überzeugung, so ein Gast wird sich in meinem Haus nicht wohlfühlen... ; ))

    Liebe Grüße vom Meer, der Villa Dorothea und mir.

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    1. Liebe Christine, du begleitest mich ja nun schon so lange - und es scheint mir völlig ausgeschlossen, dass wir zwei uns bei einer Tasse Tee nicht auch bestens verstehen würden.

      Dein Satz zum Lächeln gefällt mir sehr und deine Reaktion auf keinerlei Umgangsformen ebenso ;)) ganz herzliche Grüße in den Norden!

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  2. es ist wohl kein Zufall, dass eine Suppe bei der Zubereitung nur lächeln (keinesfalls kochen) darf. Jedes Lächeln kommt wieder zurück. LG.

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    1. Da bin ich ganz bei dir, Robert, ich glaube felsenfest an das Bumerang-Prinzip, das ja - unglaublich faszinierend - selbst im Weltraum funktioniert!

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  3. Eine lächelnde Suppe! Gibt's was Besseres? ;) DIE lasse ich auf jeden Fall in meiner Küche lächeln und das Pfannenbrot soll dazu knuspern :) Alles drin, was mir schmeckt. Und.....ich bin auch eine Freundin der Höflichkeit. Da bin ich ganz bei dir :)

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    1. Eines meiner Prüfungsthemen des Germanstik-Studiums waren die expressionistischen Dichter in Deutschland. Einer dieser Dichter landete in einer psychatrischen Anstalt (und damit war er nicht der einzige seiner Zunft) nur leider fällt mir partout der Name nicht mehr ein. Er hielt sich mit übertrieben höflichen Gebaren die anderen Menschen auf Abstand - eine kleine Anekdote, die mich anrührte und amüsierte und die ich deshalb nicht vergessen habe. Umgangsformen sind nichts anderes als gegenseitig zu schauen, dass es friedlich miteinander geht, oder? Und: ein schönes Bild, eine lächelnde Hanne beim Suppe löffeln :)

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    2. Ich hab' sie nachgekocht, deine Suppe, liebe Micha! Und das Pfannenbrot habe ich natürlich auch dazu gebacken. Und weil der Nachbar grad da war, hat er auch gleich mitgegessen ;) Und alle drei haben wir gelächelt und genossen - sooo fein! Kommt sofort auf meine Liste. Das Pfannenbrot ist der Knaller! Knuspert und schmeckt phänomenal gut!!! Vielen Dank für das Rezept :)

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    3. Oh, ich freue mich über deine Rückmeldung, Hanne! Was eine hübsche Vorstellung euch gemeinsam schnurrend beim Suppe-Essen vorzustellen! SO (und nur so) macht Foodbloggen Sinn :) Ich verstehe auch gar nicht mehr, wieso ich früher nicht gerne Suppe gegessen habe - macht doch so ein wohliges Bäuchlein! Und das Pfannenbrot wird hier genauso definitiv ein Keeper! Schönes Wochenende, Hanne!

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  4. Liebe Micha, manchmal muss ich ja fast ein bisschen über mich selbst schmunzeln, weil ich jeden meiner Kommentare hier so (oder so ähnlich) beginne, aber ich bin halt #teambrieffreundin ;-) Wenn man so insgesamt die Kommentare bei dir liest, meint man aber schon auch merken zu können, dass allgemein ein wohlwollender und höflicher Umgangston herrscht. Das ist sicher nicht überall so, aber hier gilt sicher auch wieder das oben von dir erwähnte "Uralt Prinzip".
    Heute war mir dein obiges Rezept nebst Pfannenbrot Inspiration fürs Mittagessen. Beides köstlich und in der Kombination toll! Besonders der Kleinste im Bunde schlürfte begeistert Tasse um Tasse der Brühe. Pfannenbrot klappte gut aus D1050 Mehl. Nachdem ich die Mehl-Stärke Mischung großzügist verteilt hatte, klappte es auch mit dem Auswellen und anschließendem wieder von einander Lösen... Herzliche Grüße sendet Hannah

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    1. Liebe Hannah (finde ich VIEL schöner als @Hannah ;)), bis jetzt ist die Wiedereröffnung der Kommentarfunktion rein und nur erfreulich! Und gerade auch dein Lektorat hier hat mir wirklich sehr gefehlt :) Die Suppe gehört ja schon ein bißle zur Kategorie *schmeckt besser wie sie aussieht* - sehr schön, das Jonathan das direkt bemerkt hat.
      Und die Pfannenbrote waren für mich ebenfalls eine Überraschung. Dass das mit dem Blitzauswellen so gut funktioniert... ich hatte es nicht ganz geglaubt bis zum Praxistest! herzliche Grüße zurück!!

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