Goldmarie's Apfelkuchen

Dienstag, 24. November 2015

Die Grimmschen Märchen-Schallplatten kannte ich als Kind auswendig (par coeur heißt das so schön französisch *aus dem Herz*). Herje, hundselenderbarmenswürdig stöhnte der vollhängende Apfelbaum unter seiner Last die Goldmarie an, die an ihm vorbei Richtung Frau Holle lief. *Empathie* ordnet man so gerne leichtfüßig der Menschheit zu. Doch nee, dadurch setzen wir uns noch lange nicht ab vom Tier. Sogar über ihre Art hinaus (!), sind viele Tiere befähigt, mitzufühlen, sich Tieren anderer Rassen in Not anzunehmen (s. hier etwa zum *rästelhaften Phänomen der Tieradoption*).

Der Habib seufzt manchmal: *Der Mensch ist eine Fehlkonstruktion*. Und mittlerweile verstehe ich, was er meint. Das liegt mit an der Ausstattung des Raumschiffes: die Bordinstrumente schlagen nur dann aus, wenn irgendetwas NICHT in Ordung ist. Läuft alles soweit rund, dann piepst nix, dann macht rein gar nix irgend einen Ausschlag. Ein gesunder Körper meldet nicht immer wieder: hey, alles roger, dein Körper ist zu allem fähig. Oder hey, völlig durchgechillte Psyche. Los gehts! Wenn die Luft frisch und sauber ist, die man einatmet, dann weißt die Nase einen nur dann darauf hin, wenn man sein Bewußtsein darauf lenkt. Ja, man kann sich sogar soweit an seine Umgebung adaptieren, dass man sich in kürzester Zeit an alles gewöhnt und auch fieses Stinken nicht mehr registriert. Sinne sind getuned auf Veränderung oder Fehlermeldungen.

In diesem bereits verlinkten wunderbaren Plädoyer von Roger Willemsen (ab: 29:40) gegen das Lau-Sein, zitiert er - in ähnlichem Sinne - Friedrich Hebbel: *Der Finger, der schmerzt, individuiert sich* - ein Finger wird erst in dem Moment bewußt, in dem er weh tut -. *Könnten wir nicht in diesem Sinne die Schmerzen Gottes sein?* - Gott als die Vorstellung eines großen, bei sich seienden, bewußtlosen Ganzen. Und dieses Ganze materialisiert sich in lauter unterschiedliche Individuen, die auf unterschliedliche Weise Schmerz empfinden.

Menschlichkeit als Befähigung zur Selbstwahrnehmung (Individiualsierung) und darüber hinaus als Veranlagung, ebenso alle anderen Lebewesen wahrnehmen zu können. Menschlichkeit als das gefühlte Mitschwingen im Großen Ganzen. Rein theoretisch, rein möglichkeitsmäßig. Ein großer, ein faszinierender Gedanke!


Dazu also Goldmarie's Apfelkuchen, zu dem mich Miss Boulette ansteckte und der eigentlich auf die Küchenschabe zurück geht. Egal was MB als nächstes von Uschi nachmacht - ich werde wieder nachziehen (so wie bereits beim Kartoffel-Strudel). SameSame but different gilt für diesen Apfelkuchen, denn Salzkaramell zu Apfel-Quitte ist hier schon länger Winner-Team. Der Applaus für diese Kombi verstärkt sich hiermit stürmisch. Vorallem der lochstickerei-gewirkte Rand mit Karamellschicht überzogen war der Knaller, weil super krachig!
Zutaten:

180g Mehl
40g gemahlene Mandeln
100g Butter
80g Quark
40g Zucker (1/2 Muscovadozucker 1/2 Puderzucker)
1 Pr Salz
1 TL Orangenschalen-Abrieb
wenig kaltes Wasser

1 1/2 Quitten
1 1/2 Äpfel
2 EL Zucker
1 EL Butter

Karamell
30g Zucker
1/4 TL fleur de sel
1 EL Butter
1 EL Sahne
Zubereitung:

Tarteteig wie gewohnt herstellen und eingewickelt kühl stellen. 

Quitte schälen, vierteln, entkernen und in dünne Spalten schneiden, in Wasser mit etwas Zitronensaft bis zur weiteren Verwendung aufbewahren. 2 EL Zucker mit Zitronensaft und etwas Wasser aufkochen und die Quittenspalten darin bissfest dünsten, heraus nehmen. Apfel ebenfalls schälen, entkernen und in dünne Spalten schneiden.

Den Ofen auf 190° Umluft vorheizen. 


Tarteteig ausrollen, auf Backpapier rüberziehen und auf ca. 3mm Dicke dünn wellen - ca. 30cm Durchmesser. Einen Rand von 3cm lassen. Zusammen auf ein Backblech setzen (m: Lochbackblech). Die Apfel- und Quittenspalten dachziegelartig auf dem Boden verteilen und gleichmäßig mit Zucker und Butterflöckchen bestreuen. Den Teigrand mit einem Sternausstecher mittig und mit Abstand Sterne ringsherum ausstecken -  aus dem Umkreis jeweils halbe Sterne. Den Rand nach innen umklappen. Die ganzen Sterne an der Unterseite mit Wasser anfeuchten und wieder auf den Rand kleben (zwischen die ausgestockenen Sterne). 
Die Tarte auf der mittleren Schiene ca. 25min backen.

Währenddessen das Karamellsirup zubereiten: Zucker flach in einem kleinen Topf ausstreuen und erhitzen ohne umzurühren. Sobald sich ein schöner Karamellton zeigt von der Flamme ziehen und die Butter einrühren (durch die geringe Menge geht das schnell: also Obacht - sonst wird das Karamell zu dunkel und damit zu bitter). Salzflocken zugeben. Umrühren bis die Butter schmolzen ist. Wieder auf die Herdplatte ziehen und die Sahne zufügen. Vorsichtig umrühren, bis sich eine homogene, glatte Masse bildet. Beiseite stellen und vor dem Bepinseln ernuet leicht erwärmen, falls der Sirup zu fest ist.

Die Tarte rausholen und vorsichtig mit dem Karamellsirup bestreichen (vorsichtig, damit die Apfelscheiben auf ihrem Platz bleiben) und die Tarte für ca. 6-8min wieder in den Ofen schieben bis die Oberfläche bluttert und weiter karamellisiert. Komplett auskühlen lassen, anschneiden und servieren.

13 Kommentare

  1. Vielen Dank für die tollen Gedanken mit Kuchenwunder u. -duft,
    LG
    Angelika

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  2. Der Kuchen klingt köstlich und sieht aus wie ein Kunstwerk, wunderbar :) Fast zu schade zum Anschneiden!
    Liebe Grüße
    Carla

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  3. Wow, der Kuchen sieht ja hammermäßig aus! Sehr lecker!
    Wenn ich von meinem Bauern noch Quitten bekommen, werde ich ihn gleich nachbacken!
    Liebe Grüße
    Lena

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  4. Dieser Rand ist ja wirklich der Kracher - sehr cool gemacht! :-)
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy
    PS. ... und Dein Plädoyer natürlich poetisch schön geschrieben

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  5. Was für ein Kuchen und in einen wunderschönen Moment ihn köstlich zu essen und dein Worte klingen nach und regt an im Herzen!
    Danke dir!
    Lieben Gruss Elke

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  6. Was für ein herrlicher, herrlicher Kuchen. Davon ein Stück zum Nachtisch, das wär's!

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  7. Ein wunderschöner Beitrag mit ebensolchem Kuchen. Ein Prachtstück! ❤️
    Liebe Grüße Maren

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  8. Du Künstlerin! So gut in Worten und Torten (natürlich nicht Torten, aber es hat sich so schön gereimt ;-)) ...
    Mit Goldmarie fühle ich mich verbunden, seit ich ein Kind bin. Und sooo lustig: Auch bei mir steht der Apfelkuchen von Miss Boulette auf der "Liste". So schön wie du bringe ich ihn aber sicher nicht hin, seufz ...

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  9. Hmmmmmm...ich kann ihn bis hier riechen glaube ich...Liebe Grüße

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  10. Goldmarie - was für ein schönes Küchenkonzept! Alles glänzt hier.
    Übrigens kennt auch der Engländer das Auswendige "by heart". Deutsch kann ganz schön sperrig sein.

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  11. Ist der schööön :) bei der Küchenschabe auch schon gesehen, aber diese Sternchenversion ist ja umwerfend <3

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