Bei meinem Buch, das ich im Zuge von Astrids angezetteltem Event vorstellen möchte, geht es auch ums Essen, aber mehr noch thematisiert es für mich einen völlig unterschätzten Nebenschauplatz dazu: wohlwollendes Miteinander.
Denn was man sich viel zu selten bewußt macht, ist, dass zu einem genußvollen Essen zwei Dinge wesentlich mitentscheidend sind: der Ort und die Gesellschaft. Das köstlichste Essen verliert alle Reize, serviert man es auf dem Klo. Jeder ausufernde Streit am Tisch beschert schlagartige Appetitlosigkeit. Und alleine schmeckt kein Gericht der Welt so gut, wie wenn man den Genuß mit jemanden teilen kann (womit wir schon bei meinem heutigen Buch wären).
Ja, ich behaupte, Bratkartoffeln mit Spiegelei sind mir auf einer Bierbank mit herzenswarmen Menschen um mich eine größere Labsal als das Essen eines Sternekochs umgeben von Stinkstiefeln.
So ist es etwa in Frankreich in aller Regel eine unabgesprochene Frage des Benimms, während einer Essenseinladung zu Tisch *leichte Konversation* zu betreiben. Unangenehme Themen oder mit Konfliktpotenial (beispielsweise Politik) gehören hier nicht hin. Und Familienessen werden auf dem Land gerne nach draußen in den Schatten eines Baumes verlegt. Warum, könnt ihr euch selbst denken.
Mein ausgesuchtes Buch *Zusammen ist man weniger allein* ist von der französischen Schriftstellerin Anna Gavalda und überhaupt sehr französisch. Dieses Buch ist mir auf unsere letzten Reise einfach passiert. Bücher werden unterwegs getauscht: unter den Travellern, im Guesthouse oder den in Asien mittlerweile weitverbreiteten Shops zum überteuerten Wechsel von gelesenen Büchern. Auf diese Weise kreuzen Bücher meine Wege, die ich gar nicht *gesucht* hatte - allein das ist ein Grund, weshalb ich kein Typ fürs eBook bin.
In dieses Buch habe ich mich mit Haut und Haar verliebt. Es beschreibt einen Lebensausschnitt von vier Menschen - alle mit Macke und vom Leben gezeichnet. Und allesamt einsam in Paris. Bei mir drückt das Buch sämtliche Knöpfe und selbst beim xten Mal lesen, kann es mich zu Tränen rühen (seltsam eigentlich). Für Liebhaber aktionreicher Geschichten ist dieses Buch definitiv nix. Denn es ist vielmehr ein Buch der feinen Beobachtungen. Oder um mal wieder Goethe zu bemühen hat es folgenden Fokus: *Beachte das WAS, mehr beachte das WIE*.
Und wie sollte es anders sein, gehört zum Miteinander - Hauptthema des Buches - das Essen. Zumal einer der Hauptakteure Koch von Beruf ist. Nebenher bekommt man wunderhübsche Bilder in den Kopf gesetzt: die junge Camille mit einer Frisur wie Jean Seberg und ihr möglicher Gespiele, der an den jungen Farnese von Tizian erinnert...
Zwei, nein drei kleine (auch einschlägige ;) Leseproben, die euch einen Vorgeschmack geben sollen, ohne auch nur etwas vorweg zu nehmen:
...*Der Geruch, vielmehr das Aroma der Consommé, hielt sie von weiteren Grübeleien ab. Mmm, duftete das herrlich, und sie war versucht, sich die Serviette über den Kopf zu legen, um damit zu inhalieren. Was war da nur drin? Es roch ganz eigen. Heiß, nach Fett, goldbraun wie Cadmium. Mit den durchsichtigen Perlen (Anmerkung der Redaktion m: Japanperlen, bzw. Tapioka Perlen) und den smaragdfarbenen Spitzen der Kräuterbeigabe war es wunderschön anzuschauen...*
...* Paulettes Haus war eine kleine stämmige Frau, die den Hals reckte, die den Besucher mit den Händen in den Hüften empfing und vorgab, kein Wässerchen trüben zu können. Eine von denen, die die Augen niederschlugen und sich bescheiden gaben, wo doch alles in ihnen vor Zufriedenheit und Wohlbehagen strotzte...*
...* Paulettes Haus war eine kleine stämmige Frau, die den Hals reckte, die den Besucher mit den Händen in den Hüften empfing und vorgab, kein Wässerchen trüben zu können. Eine von denen, die die Augen niederschlugen und sich bescheiden gaben, wo doch alles in ihnen vor Zufriedenheit und Wohlbehagen strotzte...*
*... Die Decke war schwindelerregend hoch, und die weißen Wände
faszinierten sie. Es mußten ziemlich alte Farben sein, auf Bleibasis,
und die Jahre hatten ihr eine samtglänzende Patina verliehen. Weder
perlweiß noch eierschalen, eher das Weiß von Milchreis oder den faden
Nachtischen einer Kantine... Sie ging im Geiste einige Mischfarben durch
und nahm sich vor, irgendwann mit zwei oder drei Tuben wiederzukehren,
um die Farbe besser bestimmen zu können...
Wer dieses Buch gelesen hat ist anschließend in der Lage, seinen Lieben ein wunderschönes Essen zu bereiten - unabhängig seiner Kochkünste. Allein durch die angespitzten Sinne der Wahrnehmung und der Neigung zum Aussöhnen mit etlichen Gebrechen der Menschheit. Die perfekte Stimmung für ein wohliges Essen zusammen.
Danke, Micha, für die schöne Erinnerung! Ich habe das Buch vor ein paar Jahren auch gelesen (und einige Tränen verdrückt).
AntwortenLöschenDieses Buch ist wirklich ganz wunderbar. Du hast mich dran erinnert, dass ich es mal wieder lesen sollte....
AntwortenLöschenVielen Dank für diesen wunderschönen Buchtip. Die Autorin kenne ich bisher nicht, aber der Schreibstil udn die Beobachtungsgabe erinnert mich sehr an Isabell Allende und die mag ich sehr. Vor allem Eva Luna, aber auch Aphrodite, in welchem es ja auch um die Lust am Essen geht. Vielleicht spricht es mich so an, weil ich dabei oft das Gefühl habe, sie könne in meinen Kopf sehen.
AntwortenLöschenDas Buch wird gleich auf meine Wunschliste wandern.
Herzlich, Katja
gleiche welle, micha! das fühlt sich jetzt irgendwie gut an :) und so wahr: menschen machen das essen warm ...
AntwortenLöschenJa, auch eins meiner Lieblingsbücher! Ein Buch, nach dem die Welt gleich ein bißchen freundlicher aussieht.
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
Mond
Bei mir ist die Neugierde ausgebrochen, das Buch hört sich nach Wärme, Harmonie und Geborgenheit an. Wohlfühlgefühl! Ich muss mir das Buch besorgen...
AntwortenLöschenDanke.
Wie cool!! Hab es auch 2009 gelesen und war auch einfach verzaubert... :) Versuch mich grad an dem Dinkelvollkornbrot von Herrn G Weber mach deiner Anleitung :) Gaaanz liebe Grüße und tolle Idee das Buch vorzustellen, es ist wirklich sehr sehr schön :)
AntwortenLöschenHört sich ausgesprochen interessant an. Werde ich mir als Ferienlektüre besorgen. Danke für den Tipp. Ich bin seit kurzem regelmäßige begeisterte Leserin bei dir. Deine Rezepte, die wunderschönen Stimmungsbilder vom französischen Landleben, sehr "urig", rustikal und natürlich, einfach nur schön. Und natürlich diese atemberaubenden Lavendelfelder, unglaublich. Das ist so ein bißchen wie eine eigene Welt. Was mich allerdings interessieren würde: Wie hat es dich denn dahin verschlagen und warum? (ich nehme an, der Liebe wegen?) Erzähl doch mal ein bißchen mehr von dir persönlich. Muss ja nicht gleich mit Schuhgrösse sein, aber zum Beispiel was ist deine Motivation für dein Leben in Frankreich, woher kannst du so gut kochen, wie kommst du mit den beiden Mentalitäten zurecht? Wie sieht dein Tagesablauf so aus uund woher stammst du eigentlich usw. Und nein, ich bin nicht neugierig :-) Nur interessiert an interessanten Menschen mit interessantem Lebenskonzept. Oder auch ohne Konzept.
AntwortenLöschenViele liebe Grüße
Eva
Hab gerade mal nachgesehen.. Hatte mir damals auch ein paar schöne Zitate rausgeschrieben hier mein Lieblingszitat vom 14.04.2009
AntwortenLöschenDie Hand ist nicht schlecht - sie bringt keine Verpflichtungen mit sich für den der sie gibt und beruhigt den der sie nimmt 504 Anna Gavalda
:)
Liebe Micha,
AntwortenLöschen"Zusammen ist man weniger allein" gehört auch bei der besten Ehefrau von allen und mir zu den Top 10 der letzten Jahre. Wirklich ein Leckerbissen und pures Lesevergnügen, und das, obwohl ich sonst eher Stieg Larsson, Adler-Olsen, Nesbo und ähnliche verschlinge.
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Sehr, sehr schön! Danke für den Tipp.
AntwortenLöschenJ'ai lu le livre de Gavalda l'année dernière, en été, et j'ai adoré. Bon, je l'ai lu en français... !!!
AntwortenLöschenes liegt hier noch auf dem stapel und jetzt freue ich mich umso mehr drauf... solche tauschgeschichten gibt es sogar hier bei uns. mit einer freundin kann ich wunderbar bücher, tolle lebensmittelentdeckungen und marmeladesorten "tauschen". ganz wunderbar :)
AntwortenLöschenUm so eine Freundin bist du zu beneiden. Und ich wette mit dir, der wirst du mit einem seeligen Grinsen das Buch weitergeben :)
LöschenEnsemble, c'est tout.
AntwortenLöschenWunderschöner Film und natürlich ein super Buch :)
Hach, ja, genau auch meine Wellenlänge... wobei ich das Buch lieber mag (auch wenn der Film mit der bezaubernden Audrey Tautou gedreht wurde)
AntwortenLöschenDaher zörgere ich, den Film anzusehen. Audrey war toll in dem Film *Die zauberhafte Welt der Amélie* - aber meine Camille sieht anders aus. Deshalb...
Löschen@Eva: Dann renne ich bei dir ja offene Türen ein!
AntwortenLöschen@Susanne: Ich kanns gar nicht oft genug lesen - die Stimmung, die mich ergreift, tut mir so gut!
@Katja: Oh, dann hast du vielleicht eine Idee: Seit Jahren (!) suche ich nach dem Buch, das zu einem Ausschnitt gehört, den ich auf einem Literatur-Kalender gelesen habe. Dieser Ausschnitt, geschrieben von Isabel Allende, beschreibt atemberaubend schön, die vielen Facetten der Blautöne zu der das Meer fähig ist. Meisterlich poetisch!
@Nina: *Alles wirkliche Leben ist Begegnung* - da halte ich es ganz mit Martin Buber. Das dürfen andere anders sehen, aber dieser Schlag Mensch interessiert mich dann nicht.
@Mond: Genau so habe ich es auch empfunden.
@Klärchen: Ja, genau, ein Seelenwärmer an Buch :)
@Juli: Ach, das wäre heute schön gewesen, dich mit unter die Eiche zu nehmen und wir zeigen uns gegenseitig Lieblingsstellen. S447 Diskussion Amsel oder Nachtigall... Aber dein auserwähltes Zitat ist auch einer dieser Beispiele, wie Mme Gavalda Gefühle in eine Form gießen kann.
@Eva: Liebe, neugierige Eva ;), bald werde ich die Baustelle *über mich* füllen und dann wirst du ALLES außer der Schuhgröße über mich erfahren. Aber eigentlich ist das doch auch schon sehr aus dem Nähkästchen geplaudert, was einen derart tief rühren kann, oder?
@Andy: Oh, und dir als Mann hats auch gefallen?! Ich dachte ja kurz, es wäre ein Frauenroman. Da siehste mal wieder... Und an dem Larsson kommt man ja nicht vorbei, so als Traveller. Band 2 habe ich auch gelesen. Schon janz schön brutal!
@Marion: Dieses Buch ist sehr, sehr schön. So schön, dass ich unterwegs auf Reisen Anna Gavalda gegoogelt habe, weil ich wissen wollte, wie eine derart warmherzige Frau aussieht.
@Alphonsine: Tu as lu l'original. Même une traduction est déjà une interprétation. Heuresement je crois, l'essentiel est increvable.
@Anonym: Der französische Titel ist doch hübscher, oder? Schlichter, einfacher, wesentlicher. Ob mir der Film gefällt? Ich trage Sorge, dass die Optik der Darsteller zu gefällig ist.
Liebe Micha,
AntwortenLöschenich liebe dieses Buch und den Film auch, ich muss es sagen ... Ich fand die Darsteller gut gewählt, sie haben durchaus ihre Ecken und Kanten ... ein leiser Film mit viel Gefühl finde ich. Buecher die ich gelesen habe schaue ich sonst auch eher ungern als Film an. Hast du noch andere Bücher von Anna Gavalda gelesen? Mir haben alle gut gefallen, aber "Zusammen ist man weniger allein" war von den Erwachsenenbüchern das beste. Sie hat auch ein Kinderbuch veröffentlicht, das ich dir sehr empfehlen kann: "35 Kilo Hoffnung". Da waren es nicht nur ein paar Tränen, da saß ich am Ende heulend wie ein Schlosshund.
Liebe Grüße
Lisa
anna gavalda – meine unbestrittene lieblingsautorin! wie schön, sie hier bei dir zu finden. "mit haut und haar", ja das hast du fein gesagt. so ist es!
AntwortenLöschen@Lisa: Natürlich habe ich geschaut, was alles von Anna Gavalda veröffentlicht wurde. Und mit auch mit viel Vergnügen ein Interview mit ihr auf youtube angeschaut. Für meine Begriffe hat Anna ja viel von ihrer Camille oder umgekehrt ;)
AntwortenLöschenAber ich merke schon, dem Film sollte ich eine Chance geben. Viele liebe Grüße zurück...
@Isabell: Wir zwei scheinen öfter den gleichen Geschmack zu haben. Wobei für Anna Gavalda zu schwärmen schon mehr bedeutet als *gleicher Geschmack*.
:)
Löschen