Nicht für möglich gehalten – hätte ich es nicht selbst
erlebt – ist, dass es ein Land gibt, dessen sittlichen Gefühle nicht zu
verletzen sind. Und dass Touristinnen ausnahmsweise nicht auffallen können
durch ihren betont freizügigen Kleidungsstil (wie mal wieder jüngst im
gläubigen Guatemala). Die Kürze des einen oder anderen Minirocks an einer
vorüberlaufenden Kubanerin versuchte selbst mich als Frau den Kopf schräg zu
legen, um zu schauen, ob dieser möglicherweise wie ein Schottenrock getragen
wird.
Habe ich in Asien bereits viel über Sextourismus lernen
müssen, wurden auf Kuba neue Dimensionen eröffnet. Ich komme unfreiwillig mit
einem erweiterten Repertoire zurück, was obszöne Mienen und Gesten angeht. Wer
Saufen und Ficken als Kultur bezeichnet, der sollte seine Fortbildung auf Kuba
in Angriff nehmen – das gilt für beide Geschlechter, denn noch nie habe ich so
viele Touristinnen das einschlägige*Angebot* wahrnehmen sehen. Assi-Tourismus at its best!
Das Raufen und Feilschen um Preise ist Teil des
individuellen Reisens. Auch dass man als Fremder gewöhnlich mehr zahlt als die
Einheimischen. Was aber das professionelle
Bescheißen angeht, in dieser Kategorie
verdiente sich Kuba mit Abstand Gold. So durchgehend wurden wir noch nie
angelogen. Händel an einem Stück! Und zwar von oben bis unten: ob Banken, Casa-Betreiber (wo man
angeblich wie ein Familienmitglied aufgenommen wird), Hotels, offizieller
Hoteltransfer/ Busunternehmen bis hin zum Pizza- oder Bananenverkäufer – sie
haben alle betrogen, dass sich die Balken biegen und sich dabei gegenseitig in
Dreistigkeit und Schamlosigkeit überboten. Dabei betrügen sie zeitglich ihren Staat durch die von ihnen aufgebaute
Nebenwirtschaft: Bustickets werden zu doppeltem Preis verkauft, ein Ticket
sieht man nicht, das Geld wandert in die eigene Tasche. So geht es in den
Hotels, in den Casas überall zu.
Was uns wie eine Tsunami entgegenschlug war das Gefühl, der
Klassenfeind zu sein (auch weil geringfügig spanisch sprechend), zu jenen zu
gehören, die Mitschuld an dem elendigen Embargo tragen – was nur als Hass zu
bezeichnen ist. Nie habe ich mich unwillkommener empfunden.
Die vielumworbene karibische Lebensfreude haben wir
vergeblich gesucht. Und bei der mehrtägigen Feier auf den Straßen Trinidads anlässlich
des 500sten Geburtstags der Stadt hätten wir zwangsläufig davon etwas
mitbekommen MÜSSEN. Aber nix mit Musizieren und Tanzen auf der Straße – nada! Das
findet man lediglich dort, wo Touristen dazu animiert werden sollen, mehr Geld
in Alk zu stecken.
Das Essen dort kann ich nur als unterirdisch bezeichnen, das
StrassenFRessen ist die paar Peso nicht wert. Man fährt an Rinderfarmen von
gigantischen Ausmaßen vorbei, hingegen das Angebot auf Obst-und Gemüsemärkten bietet
eine Performance an kümmerlicher Lieblosigkeit (an allem trägt das Embargo nun
keine Schuld). Sensationell sind viele kubanische Sprechstimmen: in kleinen
Kompositionen a-tonaler Musik, bei denen mit großer Sorgfalt harmonische Klänge
vermieden werden, schreien sie sich am liebsten an. Ich hätte es euch zu gerne
aufgenommen… Zu den kubanischen Freizeitbeschäftigungen zählen Hahnen- und
Hundekämpfe und die größten Sporen, die ich je einen Reiter tragen sehen habe,
saßen an den Stiefel eines Kubaners zu Pferd (das eine Foto stellt übrigens
*Meerrschweinchen-Roulette* auf einer Kirmes dar).
Geht Kuba wieder auf – und die meisten Kubaner können es
nicht erwarten – dann wird Kuba erneut der Hauptsitz der Mafia, die Farce des
Prostitutionsverbots wird aufgehoben und neben dem größten Spielhallenbetrieb
wie einst wird auch das größte Bordell entstehen. Drogen und Waffen werden das
Szenario bereichern. Ich kann es mir lebhaft vorstellen…
Mittel zur Vermeidung etwaiger ähnlicher Erfahrungen: Suff... mit allem Drum und Dran....
Um Himmels Willen! Wie gruselig sich das liest.
AntwortenLöschenDu und ich waren eindeutig in zwei unterschiedlichen Ländern, als wir auf Kuba gewesen sind.
Komisch, meine halbe Familie ist kubanisch und niemand ist betrügerisch, kriminell, bei der Mafia oder "säuft" und "fickt" den ganzen Tag.
AntwortenLöschenAls reiche Deutsche die 5 Wörter Spanisch kann, kannst du aber natürlich prima über ein ganzes Land urteilen und pauschalisiert das Edle an den Wilden in Kuba vermissen. Dann entschuldige ich mich mal für das mangelnde Entertainment meiner Landsleute. Als Widergutmachung biete ich an, mal in den eigenen Kopf zu reisen und ein wenig über den eigenen Wohlstandsrassismus nachzudenken und schenke dir einen neuen Begriff: critical whiteness. Denn ja, auch reiche und gebildete Frauen können rassistisch sein - ändere doch was daran!
Ich würde gerne in den Blog kotzen, wenn das möglich wäre.
Oh, da triffst Du natürlich Empfindlichkeiten. Ich aber möchte mich bedanken für diesen ehrlichen Reisebericht. So etwas kann man in keinem Reiseführer und in keinem Reiseteil einer Zeitung lesen. Und klar: es sind deine Erlebnisse und Empfindungen. Rassistisch bist du auf keinen Fall. Dazu lese ich dich schon zu lange. Herzliche Grüße Uta
AntwortenLöschen@Susi:INDIVIDUELLE Reiseerfahrungen - dafür sammelt man selbst Eindrücke und nichts geht über die eigene Erfahrung.
AntwortenLöschen@Die karibische Lebensfreude: Ganz bewußt lösche ich deinen Kommentar nicht.
Wir sind mit großer Sympathie für das Land nach Kuba gereist (s. Teil I), sonst hätten wir uns dieses Reiseziel nicht ausgesucht. Wir haben bisher unzählige, arme Länder besucht ohne jeglichen *Wohlstandsrassismus*, unter gleicher Vorraussetzung, mit sehr viel ernstgemeinter, herzlicher Sympathie. Und dabei essen wir auf der Straße, sind unter den Menschen und versuchen uns eben nicht abzusetzen durch Geld.
ABER: in keinem Land der Erde (außer dem Tschad) wurden wir derart pausenlos belogen und betrogen. Das waren nun mal LEIDER unsere Erfahrungen als Tourist auf Kuba. Und als *Tourist* auf Kuba warst du als Kubaner(in) ja wohl noch nie.
beste Grüße von unterwegs
@Uta: Vielen Dank für dein aufmerksames Lesen!
Nun, eigene Erfahrungen zu sammeln ist mein Lebenselexier - und die können sich unmöglich mit denen aller Menschen gleichen.
Liebe Micha, das ist ja schade, dass ihr so enttäuscht seid! Dass man als Tourist auch mal mehr zahlt als das Ticket oder die Unterkunft eigentlich kostet, ist ja relativ normal, und bei den Einkommensunterschieden ja irgendwie auch nachvollziehbar, aber das liest sich bei dir ja deutlich extremer. Ich kenne in Lateinamerika ja nur Mexiko und dort hatte ich ein paar Erlebnisse bei denen ich über meine Spanischkenntnisse auch recht froh war, aber ich hatte eigentlich nie das Gefühl wirklich bösartig beschissen zu werden. Und deine Schilderung der Sexindustrie habe ich jetzt weniger als Anklage der Kubaner als als Abscheu gegenüber den westlichen Tourist_innen gelesen, die sich diese Angebote einkaufen. Alles in allem klingt es für mich nach ziemlich gescheitertem Sozialismus und großer Ungleichheit und Armut, von der ich - wenn auch anders geschildert - auch schon von anderer Seite gehört habe. Ich hoffe euer nächstes Ziel gefällt euch besser! Liebe Grüße Melanie
AntwortenLöschenDein deutlicher Bericht hat sicherlich viele verschreckt, was an der Anzahl der Kommentare zu sehen ist. Er zwingt zum Stellung Beziehen und davor drücken sich die meisten. Insofern mein Respekt vor deinem Mut, so deutlich deine Meinung zu sagen.
AntwortenLöschenAls ich vor 13 Jahren auf Kuba war, habe ich das nicht so krass empfunden. Zwar gab es im Hotel frische Handtücher und ein geputztes Bad nur gegen Dollar Tip und jeder versuchte irgendwas etwas zu verkaufen, aber feindlich behandelt fühlte ich mich nicht. Allerdings waren wir auch nur ein paar Tage auf eigene Faust unterwegs.
Schlimmer fand ich das auf Tobago - da waren die Leute nett und spielten Interesse vor, unterhielten sich mit dir, um anschließend die Hand aufzuhalten und für die nette Unterhaltung abkassieren zu wollen. Oder sie stellten sich irgendwo mitten auf die Straße und verlangten Geld, damit sie dort weggingen und man weiterfahren konnte, sagten das Zimmer würde 10 Dollar die Nacht kosten und am Morgen beim Bezahlen waren es dann auf einmal 20... das fand ich sehr ärgerlich und es hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Leider habe ich nur wenig Vergleichserfahrungen mit anderen sehr armen Ländern und habe das damals auf die existentielle Notwendigkeit geschoben und für mich beschlossen, dass ich in kein solches Land mehr fahre.
Herzlich, Katja
Wie schon gesagt, waren wir vor ungefähr 25 Jahren, auf Kuba. Ich habe das Land und die Leute total anders in Erinnerung. Die Leute waren neugierig, wissbegierig, sehr freundlich und ausgesprochen höflich. 25 Jahre ist eine lange Zeit. Es ist inzwischen eine neue Generation herangewachsen. Ich frage mich selbst immer: Wie kommt es dazu, dass Entwicklungen in eine solche Richtung gehen? Sind wir als Touristen nicht auch selbst Schuld? Wir führen diesen Menschen vor, wie gut es uns geht. Sie haben keine wirkliche Change ihr Leben zu ändern. So wie du es beschrieben hast, schlägt einem der blinde Hass entgegen. Wir haben die Kubaner nur im totalen Gegenteil erlebt. Kann es aber auch sein, dass ihr einfach Pech hattet, diese Reise unter keinem guten Stern lag? Ich glaube immer an das Beste im Menschen und vielleicht urteilt man, auch ich bin nicht ausgenommen, zu sehr von den eigenen Erlebnissen geprägt. Es ist immer schade ein solches Erlebnis zu haben. Auch ich wünsche dir mehr Glück bei deinen zukünftigen Reisen.
AntwortenLöschen@Melanie: Es ist ja nicht nur die Sprache, bzw. das Sprachunvermögen. Beispielsweise in Tibet haben wir gerade *Guten Tag* und *Danke* sagen können und menschlich nur schöne Erlebnisse mitgenommen.
AntwortenLöschenAber ich bin froh, dass du auch aufmerkst, dass meine Kritik sich ebenfalls SEHR gegen diese Art des Tourismus wendet - keinem Land der Welt wünsche ich einen derartigen Tourismus. El Arenal auf Mallorca etwa ist auch nicht zu beneiden... Auch wenn beide Länder hauptsächlich von diesen Einnahmen leben.
Allerdings glaube ich nicht, dass der Sozialismus der Hauptverursacher an dem Elend ist. Materiell gesehen ist es definitiv das Embargo. Und mit dem könnte selbst die reinste Demokratie wenig ausrichten.
@Katja: Wenn Menschen keine Stellung beziehen, wenn sie dazu nicht in der Lage sind, dann sind sie doch in aller Regel Mitläufer - und bilden sich eben keine eigene Meinung. Ein echter Frevel in meinen Augen.
Nun, ab und zu haben wir auch fast sehnsüchtig Richtung Reisegruppen geschaut, die um all den Mist behütet und gehütet vom Reiseleiter herumgeführt wurden - nur ist das so gar nicht unsere Art zu reisen.
Aber wer will schließlich das ganze Jahr Geld für einen Urlaub zurücklegen, in dem er dann nur schlecht behandelt und angelogen wird??
Wäre das Umbuchen unseres Flugtickets nicht derart teuer gewesen, dann hätten wir unseren Aufenthalt auf Kuba frühzeitig abgebrochen.
@Magdalena: Vermutlich ist der große Unterschied zwischen unseren Erfahrungen, dass du in einer Gruppe unterwegs warst - das schützt immer - und das ihr gefeiert habt. Unser großes, großes Manko ist, dass wir keinen Alkohol trinken. Keinen Schluck. Sprich: wir haben alles stocknüchtern erlebt. Zum Feiern und Partymachen ist Kuba durchaus zu empfehlen.
Und ja, auf Kuba kann man sich SEHR für Touristen fremdschämen - dazu fällt mir auch direkt Sansibar ein - als eines meiner extremsten Erfahrungen in dieser Hinsicht.
Als Deutsche, die im Ausland lebt, macht es für mich wenig Sinn in Nationalitäten zu denken. Schließlich bin ich als Ausländer auf die gleiche Tolleranz angewiesen. Ich beurteile stets den Menschen, die Nase, die ich vor mir habe. Zu unserem Freundeskreis zählt ein wunderbarer Menschen aus dem Tschad... es kommt IMMER auf den Menschen an!
Glücklicherweise (wenn man von Glück und Pech reden will) waren die Erlebnisse in Guatemala überwiegend ganz anderer Art - ich nehme schöne, tiefe Bilder für das ganze Leben von dort mit.