Ready-made: Schwäbische Veggie-Maultaschen mit Kartoffelsalat I

Sonntag, 2. Oktober 2016

Kommendes Jahr ist das Ready-made *Fontain* von Marcel Duchamp unfassliche 100 (!) Jahre her. Mit seiner *Nicht-Ausstellung* in New York verkehrte Marcel in größtmöglicher Lässigkeit den gängigen Kunstbegriff von innen nach außen: ein handelsübliches Urinal samt Künstlersignatur wird in der Künstlerschau zum Kunstobjekt. Bis heute stehen die Werte, für die bis dahin die Kunst eingestanden ist, auf dem Kopf. *Anything goes* - kein Kanon engt den Kunstbegriff samt seiner Werke mehr ein. *Ist das Kunst, oder kann das weg*... here we are!

Mich hat es fast mein ganzes Studium an der Kunstakademie gekostet, um zu verstehen (bzw. Duchamp wirklich nachvollziehen zu können), dass der Rahmen für Kunst fast die Hälfte seiner Wirkung ausmacht. Das gilt bereits im Kleinen: ein entsprechender Sockel kann die Wirkweise  einer Skulptur so entscheidend beeinflußen, dass sie an Wertigkeit gewinnt oder verliert. Präsentation ist nahezu alles. Der BWLer würde sagen: *man muß es nur zu verkaufen wissen*,  als schöngeistiger Künstler möchte man es gerne *ins richtige Licht rücken*. 

Diese Gedanken kamen mir wieder bei der Sendung *Kitchen impossible* mit der Reinkarnation von Oskar dem Metzgershund Tim Mälzer. Ich finde die Sendung unheimlich gut produziert: der Schnitt, die Bilder die Musik, die Kameraführung - das alles hebt das Format sehr. Und zugegebenermaßen imponierte mir der Kampfgeist von Tim: aufgeben und kleinbeigeben war keine Option.

Einige Sendungen der letzten Folge schaute ich mir in der Mediathek an. Genau dadurch wurde mein heutiges Rezept inspiriert. Alexander Herrmann schickte Tim Mälzer für eine Challenge nach Stuttgart. Er mußte sich dort an schönster, schwäbischen Hausmannskost versuchen: Maultaschen mit Kartoffelsalat. Die Machart der Maultaschen faszinierte mich sofort. Etwas sturrköpfig verwendete ich in der Nachahmung wider besseren Wissens meinen Ravioli-Teig - mit Eigelb. Ich freue mich jetzt schon auf meinen zweiten Versuch der Maultaschen mit einem Teig ohne Ei-Zugabe - wie im Original. Ich vermute nämlich, die Maultaschen werden dadurch tatsächlich noch besser. Und eine weitere vegetarische Füllung wartet bereits im Hinterkopf. So schon war das ein allerköstlichstes Sonntagsessen! Wir haben mächtig zugeschlagen!

Sensationell fand' ich übrigens auch in einer Folge die Agnolotti del pin, gefüllte Mini-Teigtaschen aus der Region Piemont - mir fällt nur Robert ein, der diese zauberhaften, kleinen Dinger einfach so aus dem Handgelenk geschüttelt bekäme... 
Zutaten 3-4P

Nudelteig:
190g Mehl
1 Ei 
2 Eigelb
1 EL Öl
Salz
etwas kaltes Wasser

Füllung
250g Spinat
1 kleine Zwiebel
1/2 Bund Petersilie
100g geräucherter Tofu
75g rote Linsen
1 altbackenes Brötchen
1 Ei
Salz, Pfeffer
Pimenton de la verra
1 Stich Butter 

1 Eiweiß (m: kleines Ei)

1 große Zwiebel
etwas Öl, etwas Butter
Salz, Pfeffer
1Pr Zucker

500g festkochende Kartoffeln (m: Charlotte)
2 Schalotten
200ml Gemüsebrühe 
einige Petersilien-Stiele (von oben)
2 EL Weißwein-Essig
4 EL Sonnenblumenöl
1 TL Dijon-Senf
Salz, Pfeffer
1 Pr Zucker
etwas Zitronensaft
Zubereitung:

Zuerst den Nudelteig herstellen. Dafür alle Zutaten michsen und zu einem nicht zu festen und nicht zu weichen Teig vermengen. Sehr gut kneten, einwickeln und mindestens 1 Stunde im Kühlschrank ruhen lassen.

Nun den Kartoffelsalat zubereiten. Die Kartoffen in reichlich Wasser aufsetzen und bißfest garen. Parallel dazu die Vinaigrette herstellen. Die Schalotten sehr fein würfeln. In dem Öl die Schalotten glasig dünsten. Nun die restlichen Zutaten (außer Salz und Zitrone) zufügen und die Vinaigrette etwas einköcheln lassen. Die Kartoffeln noch heiß schälen und in sehr dünne Scheiben schneiden und sofort mit der noch heißen Vinaigrette mischen (am besten von Hand) damit ein richtig schlonziger und somit typisch schwäbischer Kartoffelsalat entsteht. Ziehen lassen - eventuell mit noch etwas Brühe für die richtige Konsistenz nachwürzen. Vor dem Servieren erneut mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft abschmecken.

Spinat waschen, von den Stielen befreien, in kochendem Salzwasser zusammenfallen lassen und in kaltem Wasser abschrecken. Gut ausdrücken.

Die roten Linsen waschen und in doppelt soviel Wasser aufsetzen und weich kochen (ca.12-15min). Das Brötchen (m: Stück Baguette von Rinde befreit) in Wasser einweichen (ca.15min) dann sehr gut ausdrücken. Die Zwiebel würfeln und in der Butter glasig dünsten. Kleingeschnittenen Tofu, kleingeschnittenen Spinat und Petersilie zufügen und kurz mitschwitzen. Alle Zutaten in ein hohes Gefäß geben, pürieren und gut (!) abschmecken - eventuell noch 1-2 EL Semmelbrösel untermischen.

Die große Zwiebel fein würfeln und in dem Öl-Butter-Gemisch mit Geduld goldbraun rösten. Salzen, pfeffern und mit einer Prise Zucker würzen.

Nudelteig dritteln und nacheinander (m: auf Marcato bis Stufe 5 von 7) ausgewellen. Dann von Hand breiter auswellen (so pi Mal Daumen DIN 4-Größe) - Teig muß strudelteig dünn (also so richtig dünn) ausgewellt sein. Mit der Füllung bestreichen - dabei das obere 1/4 frei lassen und mit Eiweiß bestreichen. Nun auf etwa 5cm-Breite der Länge nach aufwicklen. Dabei darauf achten, dass das obere mit Eiweiß bestrichene Ende gut schlicht (andrücken). In etwa 7cm breite schräge Stücke schneiden und in reichlich Salzwasser kochen bis die Maultaschen nach oben steigen. 

Herausheben, gut abtropfen lassen und mit Kartoffelsalat und Zwiebelschmelze servieren.
Natur-Jugendstil

3 Kommentare

  1. Dafür lasse ich mich sogar überreden, Räuchertofu einzukaufen. Und das Füllen geht so viel schneller als bei den agnolotti al plin. Die habe ich vor 8 Jahren in den Blog genommen, heute hätte ich die Fingerfertigkeit wohl nicht mehr dazu. Schönen Sonntag!

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    1. Ach, siehste, als hätte ich es gewußt - hätte ich die Agnolotti gleich bei dir gesucht ;)

      Und grundeigentlich gehört bekannterweise Fleisch in die Maultaschen, weshalb sie ja den Namen *Herrgottsbescheißerle* tragen - so in Nudelteig versteckt, gabs Maultaschen dann auch gerne während der Fastenzeit. Und ich weiß es nicht mehr mit Gewißheit, aber Kalbsfleisch wird dafür sonst genommen und - ich glaube - außerdem halb Rind. Bei der Füllung habe ich mir direkt überlegt, wie ich das Fleisch ersetzen könnte und daher nicht genau aufgepaßt. Ei und eingeweichtes Brötchen bleiben sich aber gleich...

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  2. Voll guat isches gsi! Ich muss zwar noch an der Optik feilen, aber geschmacklich haben uns diese Maultaschen allerbestens gefallen – danke!

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