Was schön war #4: Om

Montag, 6. August 2018


Ganz für mich alleine stehe ich mit den Füßen im klaren Wasser. *Ohhhhmmmm* rufe ich und meine Lippen vibrieren leicht elektrisiert aufeinander. *Ohhhhmmm* rufe ich ein zweites Mal und ich höre wie das *Ohhh* tief und rund meiner Brust entsteigt. *Ohmmmm*  rufe ich ein drittes Mal und  die Gervanne gluckert und gluckst und übergurgelt alle Geräusche. Ich merke wie ich innerlich lächle ohne dass sich mein Gesicht dazu bewegt. Alles ist im Einklang. Alles ist gut. 

Oha, jetzt kippt sie esoterisch vorneüber, sorgt ihr euch. Aber ich bin noch nicht fertig. Denn drei Minuten nach meinem Om-Trompeten tauchen drei Rehe auf um am Bach zu trinken. Micha, die Rehflüsterin! Tssss, höre ich mein imaginäres Publikum machen und die Augen verdrehen. In einem Film wäre diese Szene eindeutig drüber, weil zu sehr auf die Eins: Jahaaa, wir habens ja kapiert. So wie Maximilian bereits über die Überzogenheit der Realität stoplerte - aber die scheut sich nun mal überhaupt nicht, plakativ zu sein.

Und ich erzähle meine kleine *Was schön war*- Geschichte nicht, um mich zur hellsten Leuchtboje am Firmament zu machen, nein, sondern weil ich in dem Augenblick gestaunt habe. Mehr über mich als über die Rehe. Denn ich kenne den Weg bis dahin höchstpersönlich. Hätte mir DEN Moment jemand mal vorher gesagt. Damals als gar nichts gut war. Damals als junge Frau mit eckigen Bewegungen, und der Neigung, schnell und leicht 180° im Schatten anzuzeigen, einem Mund, der begann schräg zu stehen, manchmal zitternd ängstlich und besorgt, zutiefst verunsichert, unausgefüllt, mit einem entschiedenem Hang zum Betäuben und einen Wimpernschlag davon entfernt, freiwillig aus dem Leben zu gehen... Das glatte Gegenteil von Ommm...

Wie sehr Leben umschlagen kann. Und zwar nicht immernur zum Nochschlechteren sondern auch zum Guten. Meine große Erkenntnis: nirgendwo liegen Fluch und Segen so nahe beeinander wie in einer Beziehung - in ihr liegen verborgen Gesundwerdung oder Krankheit, Heimat oder Gefängnis. Der Habib ist (m)eine Himmelsgabe. *Freiwillige Abhängigkeit ist der schönste Zustand und wie wäre der möglich ohne Liebe* sagt mein Goethe. Für mich beinhaltet diese Aussage auch die Verbindung nach drüben - aus freien Stücken.

Eines weiß ich heute ebenfalls: dieses so hart errungene Selbstwertgefühl, welches nur nach innen zeigt und nicht mehr abhängig ist von außen, dieses Vertrauen in mich selbst, das werde ich mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, zu verteigen wissen: mit der Gerissenheit eines Schakals und der Verschlagenheit einer Hyäne, mit der Durchtriebenheit eines Koyoten und der Arglist eines Krokodils, mit dem Mut eines Bären und der Angriffslust eines Nilpferdes, mit der Aufmerksamkeit einer Antilope und der Entschlossenheit eines brünstigen Hirsches... iss klar, was gemeint ist. Das lasse ich mir nicht mehr wegnehmen - das ist mein von nun an sorgsam gehütetes Leben, mein Tresor. Darüber werde ich auch nicht mehr reden: es soll nur all jenen Mut machen, denen wie mir einst das Om im Hals stecken blieb...




an meiner geheimen Badestelle am Biberdamm

19 Kommentare

  1. ....und das spürt man hier, wenn man dich liest, durch und durch. Ja, Heilung ist möglich- schön gell, wenn man das so sagen kann von sich. Ich weiss nur zu gut, wovon du sprichst.
    Herzlich, p.

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    1. Ja, wundersam genug (für alle, die von unten kommen) - nur leider, Frau P., ist krank werden leichter als gesund werden... finde ich.

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  2. Ach Micha, wie viel Mut das macht! Gerade an einem Tag, in einer Phase, in der ich abwechselnd in Selbstmitleid versinken oder wild um mich schlagen mag! Irgendwann stehe ich auch so im Fluss! (Gestern stand ich immerhin schon. Ohne Om und auch nur ganz kurz, weil, örks: Da war ja noch wer! Aber: Fluss. Kühle. Füße.)
    Herzlich: Charlotte

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    1. Und wer kennt solche Tage nicht, Charlotte! Gäbs doch nur Patentmittel dagegen, oder irgendwelche Tropfen, eine Lutschpastille... BumBs und danach ist alles gut. Ein schöner Traum... ganz herzlich zurück!

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  3. D u bist vielleicht nicht die hellste Leuchtboje ;-)
    A ber ein sehr heller Fixstern
    N ur ein geerdeter Mensch wie Du
    K ann dies so schön und glaubwürdig in Worte fassen
    E in grosses Danke dafür!

    ... und wie immer liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy

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    1. Mein lieber Scholli, Andy, du verstehst es aber Komplimente zu machen. Die Mädels in deiner Umgebung müssen sich vermutlich vor dir in acht nehmen ;-)
      vielen lieben Dank für deinen zauberhaften Kommentar!

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  4. Deine Zeilen haben mivh sehr berührt, liebe Micha - ich glaub, ich weiss ganz gut, wovon du sprichst! Überhaupt ist dein blog der Wahnsinn, deine Worte, deine Rezepte, deine Bilder.... der Wunsch in mir wird immer größer, dich mal an deinem wunderbaren Platz zu besuchen! Liebe Grüße Birgit

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    1. Liebe Birgit, mit meiner bescheidenen Lebenserfahrung gehören wohl allgemeine Schwankungen immer dazu. Nur ich weiß jetzt, wofür den ganzen Scheiß! Und das ist doch viel Wert, so eine Zielvorstellung... Ganz liebe Grüße zurück... und jeder Zeit *Bienvenue*!

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  5. Liebe Micha, was für ein wunderschöner Text (und natürlich ebensolche Fotos) – es geht mir ganz ähnlich! Ganz viele liebe Grüße aus Schweden (mein Blog liegt übrigens immer noch brach bzw. in neuen Wordpress-Schnipseln, aber ich hab keine Zeit mich drum zu kümmern, weil ich diesen Sommer so viel unterwegs bin und der, der mir helfen könnte, hat auch keine Zeit. Eigentlich hätte ich viel zu erzählen.)

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    1. Ja, Mensch, Stella, gibts dich auch noch! Was macht die Lütte? Überhaupt, du könntest ruhig mal wieder *updaten*. Ich bin mir ebenfalls sicher, es gäbe viel zu erhählen. Nun, dann warte ich geduldig - vielleicht bringen die kalten, feuchten Tage mehr Zeit und Lust zum Schreiben?

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  6. Oh Micha, Om Micha - deine Worte rühren mich, deine Worte berühren mich, erinnern, bestätigen, freuen mich, machen mir ein bisschen Gänsehaut den Rücken runter... merke, dass ich beim Lesen ganz fest geballte Hände hatte und deinen wunderschönen Text förmlich aufsog... dazu die Bilder. Die hast du auch noch gemacht. Was für ein Schatz bist du! Schön, dass es dich gibt. Liebe Grüße von Hannah

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    1. Nun, ich werde ganz bestimmt nie vergessen, von wo ich herkomme. Und vermutlich bin ich umso dankbarer um mein harmonisches und friedliches Leben heute. Nichts ist selbstverständlich. Und leider nichts von Dauer. Aber ich hoffe, ich habe mir innerlich nun genügend Kraftfutter angelegt auch für schlechtere Zeiten. Wie heißt es so schön und schlicht: *Im Glück nicht übermütig werden im Unglück nicht verzagen.* Und dann kommt zu dem ganzen Mist die Frage dazu: *Was hat das mit mir zu tun?* sowie die Überlegung: *Wie steht es mit meiner anständigen Selbstverantwortung*... schon immer alles komplex ;-)... viele liebe Grüße zurück...

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  7. Ich glaube, ich ahne, wie du dich gefühlt hast, als die Rehe an den Fluss traten. Wir hatten einmal ein ähnliches Erlebnis beim Wandern: Da lief ein Reh erst eine Weile entspannt im Wald neben uns her, um dann etwa 10m von uns entfernt über den Weg gehen. Es guckte uns an und ging dann, ganz gemächlich, zum Kitz, dass auf einer Lichtung auf der anderen Seite abgelegt war, um es zu säugen. Im Hollywoodstreifen wäre da auf jeden Fall die süßliche Melodie unterlegt worden. Es war ein so ein schönes Erlebnis.

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  8. Dieses Zarte und Scheue an Rehen - das muß man doch lieben, oder Stefanie? Und nee, genau deshalb will ich es auch nicht essen. Wer ißt schon Rehe?! Vielleicht sind all die nur noch nie einem begegnet. Obwohl... bei Föstern trifft das wohl eher nicht zu...

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    1. Genau, liebe Micha, Rehe sind Freunde KEIN Futter (frei nach "Findet Nemo")

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  9. Ach, wie habe ich diese Worte gebraucht heute, zutiefst in mir drin, ich Bündel an letzter Körper -und Nervenkraft. Wenn ich es nur auch wieder dahin schaffen könnte. Früher, ja früher...da war ich ich selbst. Danke! Danke in meine Herzenslandschaft!Sunni

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  10. Ich freu mich sehr für dich, dass du deine Himmelsgabe gefunden hast, liebe Micha - immer wieder aufs Neue, wenn ich davon lese...

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  11. Starke Worte die Mut machen! Daran werde ich denken wenn das Ommmm mal wieder nicht ganz so leicht von den Lippen geht! Den ein oder anderen dunklen Tag gilt es ja leider immer wieder zu überstehen...
    Danke dir!
    Liebst, Alexandra

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