Völlig falscher Hase mit Kartoffel-Pü

Freitag, 14. Februar 2020


Auf das Vorstellen dieses Rezeptes freue ich mich schon lange - alleine wegen dem Rezepte-Titel. *Völlig falscher Hase* - klingt das gut?! Und ausnahmsweise bekomme ich keine Schimpfe von den Carnivoren, weil ich ein typisches Fleisch- in ein Veggie-Gericht umwandle.

*Kopf ab, Schwanz ab - Hase!* kalauerte man auf dem Land früher gerne. Grober Spaß - die Zeiten des Elends, in der Mietzekatzen zum Leckerbissen verarbeitet wurden, liegen gefühlt ewig hinter uns. Wobei der Ursprung des Namens *Falscher Hase* aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stammt - also gar nicht so lange her - als sich viele Familien einen echten Hasen als Sonntagsbraten nicht leisten konnten und deswegen auf Hack zurückgriffen. Die Namensgebung *falscher Hase* hat also weniger mit Witz denn mit Not zu tun.

Tja, und nachdem es im letzten Post etwas lustiger zuging, möchte ich heute den Blick auf ein ernstes Thema lenken: nahezu täglich nimmt sich in Frankreich ein Bauer das Leben.

Eine Frage, die uns nun schon oft gestellt wurde, lautet: *Ja, was arbeiten denn die Menschen hier in der Umgebung eigentlich?* (Grundton: so hier in der Einöde). Und dann kann ich meinen konstanierten Gesichtsausdruck nicht ganz verhehlen, wenn ich antworte, dass ich nicht wisse, was die Zukunft bringe, aber NOCH ernährt das Land die Stadt. Bedeutet folgerichtig: ein guter Teil der Landbevölkerung lebt von der - big surprise - Landwirtschaft.

Zweifelsohne fehlt der Bezug und der Kontakt zwischen Ernährern und Ernährenden. Die aktuelle, öffentliche Debatte tut ihr übriges und dient offensichtlich mehr dem alten *Spalte und Herrsche*-Prinzip als Brücken schlagen zu wollen. Die Hauptschlagzeile war doch: Bauern protestieren gegen Umweltschutzauflagen. Womit der schwarze Peter zugesteckt wäre, und der eigentliche Bösewicht aus der Schußlinie gezogen: die politisch Verantwortlichen. 

Für die Agra-Subventionen, über die die EU entscheidet, gilt seither das Credo: *Je mehr Flächen und Vieh, desto üppiger die Zahlungen. Der schonende Einsatz von Pestiziden, Düngemitteln und Antibiotika wird kaum belohnt* - ganz im Sinne der Agra-Lobby. Und daran wird sich auch für 2021 nix ändern. Fakt bleibt - selbst bei Änderung der Düngeordnung - dass zu intensive Landwirtschaft und zu hohe Tierzahlen auf zu kleiner Fläche das Grundwasser mit Nitrat belasten, den Einsatz von (Reserve)Antibiotika von Nöten macht (echt?) und besonders couragiert zu Pestiziden greifen lassen.

Dabei müßte mittlerweile unübersehbar für alle sein, dass die konventionelle Landwirtschaft von heute auf der Ausbeutung aller beruht: Kühe geben heute dreimal so viel Milch wie 1950, Hühner legen doppelt so viele Eier, auf Feldern wächst dreimal so viel Weizen. Kapitalismus - es reicht nie.

Denn trotzdem kann man von einem Bauernhof von 10 Hektar mit 80 Kühen nicht mehr leben. Einen guten Einblick in die Situation - sowohl in Frankreich wie in Deutschland - bietet Arte in der Sendung Re: Burnout auf dem Bauernhof. Der kleine bis mittelständische Bauer leidet nämlich oft mit Tier und Natur mit an dieser Ausbeutung. Die Einkommen der Landwirte gehören zu den niedrigsten im ganzen Land: mehr als 30 Prozent der französischen Bauern verdienen lediglich 350 Euro pro Monat. 

Und das bei vollem Einsatz. Denn ist ein Bauernhof finanziell bedroht, dann ist nicht nur die Existenz einer ganzen Familie mit Haus und Hof bedroht, sondern dahinter steckt ja meist ein generationenübergreifendes Lebenswerk. Nicht zu vergessen die schwere Arbeit, die zumeist notwendigen, großen Maschinen und noch größeren Geldbeträge, die bewegt werden, keine freien Wochenenden, noch weniger Urlaub, starke Preisschwankungen, extreme Wetterphänomene und die geringen Gestaltungsspielräume für die eigene Arbeit.

Die Untersuchung der französischen Gesundheitsbehörde zeigt ferner auf, dass unter den französischen Landwirten besonders die Milcherzeuger selbstmordgefährdet sind und dass die Zahl der Kleinbauern, die Selbstmord begehen, im Vergleich zu größeren Betrieben deutlich höher ist.

Solche Verhältnisse kann keiner wollen: Tier nicht, Natur nicht, weder Erzeuger noch Verbraucher - da sind wir uns bestimmt einig.


Jetzt zaubere ich natürlich auch kein Kanninchen aus dem Hut, das die Lösung aller Probleme sein könnte. Wer bin ich schon. Ich sehe nur: der Hase läuft halt brachial in die völlig falsche Richtung (merkt ihr, ich komme auf den Anfang zurück). 

Ich zahle in der Zwischenzeit für 125ml Bio-Sahne ohne Carageen 2,50 Euro. FÜNF MARK!!! Das pfetzt. Und ich verstehe, wenn das nicht alle zahlen können. Und ob das Geld beim Bauern überhaupt ankommt? Ich weiß es nicht.  Wobei ich hier keine Laudatio auf Bio halten will. Die Gefahr ist nämlich, dass  man Verhätnisse wie im Naturschutz erhält: in speziellen Naturparks wird die Natur besonders geschützt und außerhalb darf geschändet werden nach Lust und Laune. Lieber wäre mir, dass mit unserer Erde *generell* anständig umgegangen würde...

Außerdem bin ich großer Fan von den sogenannten Nutztieren, die eng verbunden mit und um den Menschen leben. Jeder mit ein paar Kühen wird dir von dem Charakter dieser Tiere vorschwärmen. Idyllisches Landleben ist für mich, wenn noch Kühe im Stall stehen und ein paar Hühner ums Haus scharren. Das gibt es hier noch vereinzelt (und ich frage mich ebenso wie alle anderen dann, wie man davon leben kann). Es ist mal wieder kompliziert.

Und ja, ich gebe es freimütig zu: ich liebe Butterbrot. Schon immer. Hingegen der Fleischverzicht fällt mir leichter und leichter. Dank Rezepten wie diesem völlig falschen Hasen. Breits drei Mal zubereitet (die Sauce variierte ich dabei), um euch hiermit das optimierte Rezept zu präsentieren. Gleichfalls sonntagswürdig - wie im Original. Und ganz nach dem Motto: viel hilft viel!


Zutaten 2-4P*:

500g Kartoffeln
Butter
Milch
Sahne
Salz, Pfeffer
Muskatnuss

100g Grünkern, grob geschrotet
250ml Gemüsebrühe
1 Stück Sellerie
1 Karotte
1 kleine Zwiebel
2 Knoblauchzehen
25g getrocknete Tomaten
50g geriebener Comté
1 Eier
1 Semmel vom Vortag (ca. 100g)
2 EL gemahlene Mandeln
30g gehackte Nüsse(m: Walnüsse)
1/4 TL Pimenton de la Vera
Salz, Pfeffer
2 TL Senf (Dijon)
1/4 TL Harissa
1 EL Rosmarin, fein gehackt
2 TL Oregano, getrocknet
12 EL Petersilie, fein gehackt

1 Schlotte
1 Knoblauchzehen
1 Paprika, gehäutet*
1 TL Tomatenmark
1 TL Thymian
1 TL Miso, dunkel
100ml Gemüsebrühe
100ml Jus
1 Schuß Portwein
1 EL Balsamico
Salz, Pfeffer
1/2 TL Paprika-Pu
Roux zum Binden

Zubereitung:

Tomaten mit kochendem Wasser übergießen und ca. 10min ziehen lassen. Dann Wasser abschütten und Tomaten klein schneiden. 

Das Brötchen vom Vortag in kaltem Wasser einweichen - für ca. 10min. Dann sorgfältig ausdrücken.

Sämtliches Gemüse putzen und sehr fein würfeln. Gemüse und Kräuter in Olivenöl gründlich anschwitzen. Grünkernschrot zufügen, ebenso die Gemüsebrühe, 5min köcheln lassen - dabei rühren (der Schrot hängt sonst leicht an), dann etwa 15min quellen lassen. Nun alle Zutaten miteinander vermengen, würzen mit Senf, Harissa, Pimenton, Salz und Pfeffer und am besten händisch durchkneten. Mit feuchten Händen zu einem länglichen Braten formen - in eine Gratin-Form setzen (oder auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech).  Bei 180° ca 40min backen.

Während der *Braten* im Ofen gart, das Kartoffel-Pü auf den Weg bringen. Dafür Kartoffeln schälten, in Stücke schneiden und in kaltem Salzwasser gar kochen. Abschütten, ausdämpfen lassen und mit Sahne, Butter und Milch zu einem cremigen Pü rühren (Menge an Sahne, Butter, Milch je nach Belieben). Mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken - warm stellen.

Für die Sauce fein gewürfelte Schalotte, Knoblauchzehe und Paprika in etwas Öl anschwitzen. Dann restlichen Zutaten zufügen und etwas einreduzieren lassen. Würzig abschmecken und mit einer Roux binden. 

*Anmerkung m: für 2 Personen ist der Braten für ein Essen zu üppig bemessen - wir haben die Reste aber gerne in Scheiben auf dem Brot mit Senf gegessen.


10 Kommentare

  1. Das hört sich aber sehr lecker an! Herzlichen Dank für das Rezept!
    Lieben Gruß, Christine

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    1. Ich fand den *völlig falschen Hasen* so lecker, dass ich ihn in kurzer Zeit zwei Mal auf den Tisch brachte. Wirklich ein Gericht, um Gäste dazuzuholen! liebe Grüße zurück...

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  2. Liebe Micha, danke für dein vegetarisches Rezept und ich stimme dir in allem voll zu und mit "teile und herrsche" werden die Probleme nicht gelöst, alles bleibt beim Alten... Viele Grüße, Susanne

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    1. Wobei die Probleme, liebe Susanne, schon von großer, wuchtiger Qualität sind - für die Kehrtwende bräuchte es eine Kraft, die ich - ehrlich gesagt - keiner Regierung zutraue. Aber man wird ja wohl träumen dürfen...

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  3. Du hast so recht in allem - diese geförderte Industrielandwirtschaft macht es den kleinen Bauern schwer, und sie fühlen sich zudem von uns Grünen auch noch in die Rolle der Bösen gedrängt. Hofläden und Bauernmärkte sind ein Anfang, aber wir müssen die Politik zum Umdenken anregen (hilft es, die Grünen stark zu machen?). Liebe Grüße!

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    1. Die großen Veränderungen müssen von oben kommen - von unten gelingt das nur mit Revolution. Und will man das? Nicht wirklich, Inge, oder? Gerne würde ich den Grünen glauben - beim letzten Mal als ich das tat begleiteten sie Deutschland in den Krieg... soviel dazu...

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  4. Ach Micha! Dein falscher falscher Hase ist so fein – hier gerade minimal variiert kredenzt (= Roggen statt Grünkern, Buletten statt Braten, damit's in einen Feierabend passt) – und das umgebene Thema so ernst... ich weiß nicht, was noch passieren muss, bis ein Umdenken und -lenken einsetzt. Wir nutzen hier so oft es geht den Direktvertrieb ab Hof, was nicht nur unseren Geldbeutel schont, sondern obendrein dem der/des Erzeuger/s nützt. Mal schauen, wie lange das auch hierzulande noch so funktioniert...
    Herzlich: Charlotte

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    1. Oh wie schön, Charlotte, du hast dich gleich anstiften lassen zum Nachkochen - das freut mich! Und auch mit dem Rezept gespielt... comme il faut! Ich finde ja, das ist auch ein prima Gästessen, denn es läßt sich prima vorbereiten. Durchaus sonntagswürdig... ich hoffe, ihr habt schön geschmaust! Tja, und ansonsten: großes Elend. Das Bemühen im KLeinen reicht wohl nicht aus für die große Kehrtwende...
      dicken bisou zurück!

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  5. Du hast recht damit: Den Bauern den schwarzen Peter zuzuschieben, so einfach darf es sich die Politik nicht machen. Aber sie tut es! Ohne Konsequenz. Manchmal verzweifle ich am System.
    Ich nehme deinen völlig falschen Hasen völlig schamlos einfach mit. Der schaut zum Reinlegen aus ...
    Alles Liebe!

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  6. Liebe Micha,
    den Braten gabs gestern und er hat uns allen!!!! sehr gut geschmeckt! Die Probleme im Großen konnten wir dadurch wohl aber auch nicht lösen, aber wir mühen uns halt im Kleinen....
    Liebe Grüße von Margot

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