Wie sicher war ich mir, dass *Labskaus* ein Wort ist, das dem Platt entlehnt ist - aber nein, was das Wort bedeutet, obs gar aus England oder dem Baltikum stammt, ist alles nicht klar. So ganz ohne eindeutigen Ursprung, könnte man sagen, dabei handelt es sich um eine ähnliche Wortschöpfung wie bei Pippi Langstrumpfs Spunk - nur mit dem Unterschied, dass bei Labskaus die meisten zumindest wissen, dass es sich um ein Gericht handelt und bei Spunk wirklich keiner eine Ahnung hat, was gemeint ist.
Woraus Labskaus besteht und wie man es zubereitet, da dürften sich die Geister bereits wieder scheiden. Aber mit Kartoffeln, rote Bete und Gurken als Basis sind wir uns einig? Zumindest für die vegetarische Variante. Und dafür habe ich heute einen Rezeptevorschlag von der Kochbuchautorin Bettina Matthaei, genau die, die bei mir bekennend hoch im Kurs steht. So ist nicht weiter verwunderlich, dass mir das Gericht so gut geschmeckt hat, dass ich mich nach keiner weiteren Variante für ein vegetarisches Labskaus umschauen werde - was man in meiner Foodie-Sprache dann DUBB nennt.
Wäre die Rezepteeinführung hiermit direkt abgehakt, so dass ich nochmals auf Dialekt zurückkommen kann. Denn ich dachte ja, dass *Labskaus* mir dafür eine Steilvorlage bietet.
Ich l-i-e-b-e Dialekte. Galt Mundart früher als Makel, so drohen mittlerweile die Dialekte zu verschwinden oder sich zur Geheimsprache eines kleinen Kreises an Eingweihten zu verwandeln. Dörte Hansen verglich in *Mittagsstunde* so herrlich das Sprechen von Plattdeutsch mit einem Feldhamster: „Jetzt wurde man, sobald man seinen Mund aufmachte, wie ein Rote-Liste-Tier gehätschelt. Wie ein Feldhamster, der auch fast ausgestorben war, und auch so niedlich. Und so nett. So urig.* Erst in der Zeit von Gerhart Hauptmann wurde man sich der Bedeutung von Mundart erst richtig bewußt. In seinem Drama *Die Weber* verhilft der in der Literatur festgehaltene Dialekt zu einem ganz neuen Naturalismus. Für Gerhart Hauptmann war Dialekt die Sprache des Gemüts. Und ich finde, da hat er absolut recht gehabt. Da webt stets so viel mehr zwischen den Zeilen als das blosse, gesprochene Wort.
Eines meiner süddeutschen Lieblingsworte ist *Muggaseggele* - ein von der Stubenfliege (Mugg) abgeleites Größenmaß (dabei war mir allerdings seither nicht klar, dass *Seckel* von Hodensack kommt...). Und ich habe ein weiteres herrliches Beispiel parat, das ich aus meiner Kindheit nur zu oft gehört habe. Meine beiden Großmütter lebten jeweils in dem Dorf, in dem sie auch geboren waren, Luftlinie keine 30 Kilometer auseinander - aber damals ohne Auto bereits WELTEN entfernt. Man sprach badisch, aber teils mit unterschiedlichen Worten und Betonungen. Das kam mir in den Sinn, als ich zufällig die Episode *Gschieß machen* von der bayrischen Kabarettistin Martina Schwarzmann sah. Im Badischen wird das anders ausgesprochen (Gschiss machen - mit kurzem i), aber es meint exakt das Gleiche, was Martina Schwarzmann wirklich super witzig erklärt. Und nichts wohltuender, als wenn man gerade nicht jeden Ferz ernst nehmen muss. Ach, Dialekt, das verleiht einfach allem einen anderen Schmelz...
Martinas Beziehungstipps bestätigen übrigens auch nur, was wir Foodies längst wissen (ich übersetze direkt
in Schriftsprache, weil bayrisch kann ich nicht richtig schreiben):* Wer
kochen kann, ist nie allein. Wenn du kochen kannst, so *greislig* kannst
du gar nicht sein, dass man keinen abkriegst.* Und ich füge noch hinzu: *So greislig kann kein Tag sein, dass man ihn sich nicht eine Winzigkeit schöner kochen kann!* Zumindest ist es allemal ein Versuch wert, oder?
Zutaten 4P*:
800g Kartoffeln (mehlig kochend/ m: Mona Lisa)ca. 800g Gemüsebrühe
1/2 TL Kümmel
250g Gemüsezwiebeln
6 EL Olivenöl
250g Rote Bete
1 EL Kapern
100g Senfgurken (Glas)
Salz, Pfeffer
Cayenne
4 Eier
2 Stängel Dill (m: Fenchel)
8 Cornichons
Zubereitung:
Kartoffeln schälen und als Salzkartoffeln weich garen (dauert etwa 20min).
Die Zwiebeln fein würfeln und in 5 EL Olivenöl glasig dünsten. Die Rote Beete schälen und auf einer Julienne-Reibe in feine Stifte zu hobeln und weiter mit einem Messer in kleine Würfel schneiden. Die Rote-Bete-Würfelchen zu den Zwiebeln mischen und etwa 8min bei kleiner Hitze und unter gelegentlichem Rühren mitdünsten. Währenddessen Kapern und Senfgurken fein hacken und zuletzt zu den Zwiebeln geben.
Die Kartoffeln abgießen, ausdampfen lassen und mit dem Kartoffelstampfer grob zerstampren. Die Rote-Beete-Mischung dazugeben, untermischen und alles weiter zerstampfen. Mit Salz, Pfeffer und Cayenne abschmecken.
Die Eier im übrigen Öl bei kleiner Hitze zu Spiegeleiern braten.
Anmerkung m: ich habe für uns zwei die Menge nicht ganz halbiert - wir sind wohl zu appetitlich. Bettina Matthaei schlägt noch ein ungewöhnliches Topping aus Sesam und Noriblätter vor - hört sich spannend an!
Quelle: Gemüse kann auch anders von Bettina Matthaei
und als Sonntags-Goodie:
Do sescht eppas, Micha! Mein von Haus aus porentief reines Hochdeutsch (mit allenfalls minimalen Einsprengseln aus Westfalen und Holstein) hat hier, zwischen den Bergen, erst sehr gelitten – und danach nur noch gewonnen. Und mich freut es wahnsinnig, dass Dialekt hier noch so selbstverständlich ist – etwas, das in Norddeutschland glücklicherweise auch wieder zunimmt (und, ganz lustig: Gerade grammatikalisch ähneln sich das Plattdütsche und Vorarlbergische an mancher Stelle sogar!). Wobei: Labskaus vegetarisch? Dat geiht mir nich innen (Fisch-)Kopp!
AntwortenLöschenSehr herzlich: Charlotte
Spunk ist tatsächlich ein Wort aus dem Englischen, Hauptbedeutung "Mut" und "Mumm". Dachte immer das wäre von Pippi Langstrumpf erfunden.
AntwortenLöschenLiebste Grüße und ein dickes Lob für deine wunderschöne Art zu schreiben und deine tollen Rezepte.
Love & Peace,
Britta
Ah, danke Britta, wieder was dazu gelernt und um eine Illusion ärmer. Meinst du, dass Astrid Lindgren die englische Übersetzung dabei im Kopf hatte?
LöschenMöglich wäre es, wenn sie Englisch konnte, doch ich weiss es nicht :-)
AntwortenLöschenWas ein Fundstück! Ich habe sehr gelacht über das Lied :-)!
AntwortenLöschenliebe Grüße Sonja
Oh, wie gut ... Martina Schwarzmann ist super! Und der Spruch, jaja, da hat sie recht. Frauen die kochen können, sind oft eindeutig im Vorteil ;-)
AntwortenLöschenLiebe Grüße!
Gell, und wenn es das badische "Spängerli" nicht gäbe, würden wir hier alle mit Haarspangen rumlaufen? ;-) Das kann man nicht wirklich wollen.
AntwortenLöschenViele Grüße von Hannah
Ach ja, genau, Hannah, *Haarspängerle* auch so ein absolutes, badisches Lieblingswort - und es erinnert mich an unseren schönen Nachmittag auf dem Spielplatz bei eiskalten Temperaturen!
Löschen