Geld 1 - Pastinaken-Gnocchi mit geschmortem Radicchio

Donnerstag, 11. Februar 2021

 
 
Eines dieser großen Mysterien dieses Planeten ist für mich Geld. Wie abstrakt eigentlich, dass ein bißchen bedrucktes Papier schier alles bestimmt, oder? Vielleicht staune ich nochmals mehr mit offenem Mund, weil ich das Kind eines Bankkaufmanns bin. Sparkässler um genau zu sein. Tatsächlich gibt es Kinderfotos von mir, wo ich in eines dieser roten Shirts mit dem weißen Emblem gesteckt wurde! Schlimm, also echt: als wandelnde Werbe-Litfass-Säule für den Beruf vom Papa. Es war eben auch die Zeit, in der die Vater-Generation stets in ein und dem selben Betrieb arbeiten sollte - voller Hingabe opferten sie diesem ihre Lebenszeit und er schenkte ihnen im Gegenzug ihre ganze Identität. Nichts schlimmer als Rente, denn was blieb dann noch. Mein Vater saß selbst an Weihnachten im Anzug zwischen seiner Familie, die Sparkassen-Anstecknadel am Revers.
 
In jedem deutschen Dorf gab es eine Sparkassen-Niederlassung. Die Geld-Oma ging mindestens ein Mal wöchentlich zur Filiale - auch weil die dortige Leiterin (und einzige Angestellte) DER Umschlagplatz für allen Klatsch und Tratsch war. Wer von Isolde zurückkam, war anschließend besser als gut über die Zustände der einzelnen Gemeindemitglieder informiert.
 
Und - bien sûr - machte ich das komplette Grundprogramm mit: von Sparschwein, Weltspartag bis Mitgliedschaft im Knax-Club. Ach, damals schien die Welt noch in Ordnung. Man glaubte, dass das eigene Geld treusorgerisch verwaltet werden würde. Keiner wäre auf die Idee gekommen, dass dort Menschen um ihre Altersabsicherung gebracht werden, noch trübten ans Licht gekommene systematische  Betrugsmaschen das Verhältnis. Tja, damals gabs auf ein Sparbuch satte 5% Zins.
 
Und heute? Heute werden jene, die finanzielle Rücklagen bilden wollen, von vielen Banken bestraft mit einem Negativzins.  So à la: Was, Sie wollen Geld bei uns hinterlegen? Nicht mit uns! Soweit kommts noch! - Ist das irre? Und nix mehr mit Geld ist Geld. Schon gar nicht bei der Bank. Wenn man monatlich mehr als 50 Euro Münzgeld in der Bank abgeben will, dann verlangen viele dafür mittlerweile Gebühren (bis zu 7 Euro)  - problematisch beispielsweise für Bäckereien, bei denen traditionell viel Kleingeld zusammenkommt. Das muss man sich mal vorstellen! Wohin sind die Werte meiner Kindheit *Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert* oder *Spare in der Zeit, dann hast du in der Not* sowie das alte Straßennutten-Freiheitsmotto *Nur Bares ist Wahres* hin verschwunden?

Tja, und wie sieht der Dank der Banken an ihre Kunden aus? Hochriskante Spekulationsgeschäfte brachten zuletzt viele Geldhäuser in Schieflage - man erinnere sich an die letzte Finanzkrise 2008. Doch das Schöne für diese Institutionen ist: wer haftete nämlich für deren grandiose Misswirtschaft? Anleger und Steuerzahler. Bei der nächsten Krise, wenn wieder mehrere Banken gleichzeitig ins Wackeln kommen sollten, ob dann ein Einlagefond hält, was er verspricht? Und ob der Einzelanleger tatsächlich im Fall der Fälle so systemrelevant ist wie die Bankhäuser, die weltweit operieren...
 
Banken wie Börsen haben längst nichts mehr mit ihrer ursprünglichen Aufgabe als Dienstleister zu tun. Die Börse sammelt kein Geld mehr ein, um es Unternehmen zur Verfügung stellen zu können, sie ist zum Casino mutiert. Man braucht nur mal schauen, wer gerade die großen Profitöre dort sind: Pharma-Aktien (honi soit qui mal  pense) sowie die Technologie-Aktien! Amazon-Aktien konnten alleine letztes Jahr um 65% zulegen, der Kursgewinn von Tesla liegt gar bei 740% - völlig losgelöst von jedem realwirtschaftlichen Gegenwert. Doch nirgends sind Regulierungsbehörden zu finden, die Banken und Börsen Einhalt gebieten würden - im Gegenteil. Bitte, das MUSS man doch kurios finden, oder?

Also ich verstehs nicht! Henry Ford sagte *Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, dann hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh*. Und jetzt frage ich euch: was ist denn eigentlich falsch daran, wenn man erkennbar kritisch über ein solches System nachdenkt? Wer brandmarkt denn all jene zu Verschwörungstheoretikern und warum? Mit welchem Recht?
 


Pastinaken gelten als altes, unterschätztes Gemüse, wieso sie mir trotzdem nicht sonderlich schmecken. Ich griff nach ihnen auf dem Markttisch, um etwas Abwechslung ins Kohl-Geschäft zu bringen. Und auch, weil ich einem Rezept für Pastinaken-Gnocchi begegnet war - allerdings mit völlig schwammigen Mengenangaben: 4 Kartoffeln, 4 Pastinaken, Ruchmehl, Paniermehl... Letzteres ließ mich aufmerken. Das wollte ich probieren! Und Fazit: gerade in Kombination mit der bitteren Note des Radicchio gefielen mir diese Pastinaken-Gnocchi sehr gut. Meine Semmelbrösel sind eher dunkel, daher schmeckt man sie etwas aus den Gnocchi - was mich aber nicht gestört hat.

 
 
Zutaten 2P:
 
250g Pastinaken
250g Kartoffeln (mehlig kochend /m: Agria)
50-60g Mehl (m: D1050)
30g Semmelbrösel
Salz
Piment d'Espelette
Muskatnuss-Abrieb

1 rote Zwiebel
2 Knoblauchzehen
2 Köpfe Radicchio (ca. 300g)
Mandarine, Saft davon
1 TL Thymian
2-3 EL Balsamico-Reduktion
Piment d'Espelette
Salz, Pfeffer
Olivenöl
2 EL Pinienkerne, geröstet 
etwas geriebener Käse (m: Tomme de Brebis)

Zubereitung:

Kartoffeln als Pellkartoffeln weich garen und schälen. Pastinaken schälen, klein schneiden und in etwas Wasser weich dämpfen. Die beiden zusammen noch warm miteinander gut verstampfen. Gewürze und Mehle untermischen und zügig zu einem homogenen Teig verarbeiten (der Teig sollte nicht mehr sehr kleben - gegebenenfalls etwas mehr Mehl verwenden). Im Kühlschrank etwas abkühlen lassen.

Reichlich Salzwasser zum Kochen bringen. Den Teig in Stränge von ca. 1cm rollen und davon dann Gnocchi abschneiden (m: auf Hartweizengrieß bestreutem Küchenbrett), die Gnocchi nochmals leicht länglich rollen (oder in eine andere, gewünschte Form bringen). Ins Kochwasser geben und mit der Schaumkelle rausheben, wenn sie an die Wasseroberfläche steigen. Warm stellen.

Äußere Blätter des Radicchio entfernen, halbieren und den Strunk entfernen. Radiccio in 4 cm breite Spalten schneiden. Die Zwiebeln etwas gröber Würfeln, Knoblauch fein hacken. 

Olivenöl erhitzen und die Zwiebel darin zusammen mit dem Thymian glasig dünsten. Dann Radicchio zufügen und kurz anbraten und mit Mandarinensaft ablöschen. Salzen, pfeffern und mit Balsamico-Reduktion abschmecken und zugedeckt 2-3 Minuten schmoren.

Den Radicchio auf zwei Teller verteilen, Gnocchi darüber anrichten und Pinienkerne wie Käse zum Servieren darüber streuen.

Anmerkung m: ich mag die meisten Gnocchi lieber, wenn sie in einer Pfanne noch kurz angebraten werden und etwas Röstaroma erhalten. Das geht am besten dann, wenn man die Gnocchi auskühlen und dabei austrocknen hat lassen - am allerbesten sogar, wenn sie am Vortag gemacht wurden. Ansonsten liegt es an einer guten Pfanne, ob sie anhängen oder nicht.

 

10 Kommentare

  1. Ok, ich habe gerade entnervt die Pastinaken aus der Abokiste geworfen ;-). Es gab sie schon öfter diese Saison, und meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Die nächsten lasse ich dann mal wieder drin und mache Gnocchi.....

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    1. Also ich wage zu bezweifeln, Susanne, dass ich noch großer Fan von der Pastinke werde. Aber manchmal - das weiß niemand besser wie wir Foodies - liegts nur an einem guten Rezept ;)

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  2. Hallo Micha,
    heute mal abseits der Kulinarik, wo ich deine Meinung auch sehr schätze: Du sprichst mir aus der Seele. Ich leider im Moment sehr darunter, dass ich so schnell als "rechts" abgestempelt werde, einfach weil ich das System hinterfrage und kritisch bin. Dabei gibt es dafür keinerlei Anhaltspunkte.
    Seit ein paar Wochen schreibe ich auf https://www.die-volkswirtin.de. Das Schreiben allein tut schon mal gut.
    Und mir tut es immer so gut zu hören, wenn sich irgendwer hinterfragend und kritisch äußert.
    Bei unserem Geldsystem hoffe ich auf die Blockhain und dass sich dezentrale, neue Ansätze etablieren, die dem Allgemeinwohl dienen.
    Gruss,
    Sarah

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    1. Liebe Sarah, ich freue mich, dass du dich hier laut machst. Siehste: so stelle ich mir das *Being a funghi in the forest*-Prinzip praktisch vor. Dein Blog ist direkt in den *Wohnzimmer-Blogscroll* gewandert und mein *Negativzins* im Text habe ich mit deinem Artikel dazu verlinkt! Sehr bereichernd - zu diesen Gedanken, für mich und für andere!

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    2. Liebe Micha,
      vielen Dank! Das motiviert mich sehr! Ich hoffe ja, dass wir uns irgendwann einmal direkt über unsere Systeme usw. austauschen können. Am liebsten in Frankreich ;-)
      Gruss,
      Sarah

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  3. Ich hab' auch ganz extrem meine Probleme mit Geld und dem System drum herum...

    Aber ich mag Pastinaken! Sie entwickeln eine schöne Süße, wenn ich sie Ewigkeiten im Backofen gare lasse; gerne auch als Backofen-Wurzelgemüse mit Feta oder so. Pastinaken-Gnocchi mag ich auch, kenne ich aber nur mit Ricotta. Mit Kartoffeln klingt das auch interessant.

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    1. Man fragt sich doch, Barbara, wie kann man NICHT seine Probleme mit dem Geldsystem haben!?

      Dann werde ich der Pastinake nochmals eine Chance als Ofengemüse geben - das wollte ich eh demnächst mal wieder zubereiten!

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  4. Oh, prima, noch eine Variante mit Pastinaken. Bisher koche ich sie bißfest und gebe sie nach kurzem Anbraten in Buter zu einem Möhren-Apfelsalat. Sehr gut gehen sie auch weicher gekocht und gestampft unter einen stinknormalen Kartoffelbrei und geben etwas Pepp mit beigesteuerten Kräutern.
    Tja, das Geld, da kommt man schon ins Nachdenken. Übrigens nicht nur bei montalich mehr als 50€ Kleingeld...Ich wollte einfach das gesammelte Kleingeld, schwer und unhandlich im Geldbeutel, abgeben...Kostet, egal wieivel und oft, jweils 8!!!€...Und vielleicht hatte ich 11 oder 12 einzuzahlen.Rat des Kassierers? geben Sie es lieber aus...Na denn! Liebe Grüße aus dem Schnee und heute Morgen -20°, Sunni

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    1. Tsss, Sunni, sag bloß, manche Banken verweigern nun ganz die Bargeldannahme - ohne Gebühr. Nenne ruhig den Namen deines Bankhauses, das so schlecht mit Kundschaft und Geld umgeht!
      Wie machst du das Dressing zum Möhren-Apfelsalat, an den die Pastinake kommt? Ich will der Pastinake ja gerne noch eine Chance geben!
      endlich mal wieder sonnige Morgengrüße zurück und Dir ein schönes WE, Sunni!

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  5. Ich hab mich ganz neu verliebt in die Pastinake, durch ein herrliches herzhaftes Tarte-Rezept. Seitdem gibt es die wieder öfter ordentlich angebraten, fast karamellisiert. Es war die weiche Konsistenz, die ich nicht an ihr mochte. Jetzt bin ich schlauer :)
    https://sz-magazin.sueddeutsche.de/das-kochquartett/fenchel-tarte-mit-birnenbalsamessig-89669

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