Wir kehren zurück von einem kurzen Aufenthalt aus drei deutschen
Städten. Und jetzt, mit dem Übergang zum Mai, könnte der Kontrast dazu
mit Blick ins Tal nicht größer sein. Während unserer Abwesenheit hat der
Trieb der Pflanzen, der Vegetation, der Schub des Frühlings an Fahrt
aufgenommen. Das Auge wird überspült von Grün in all seinen Nuancen, ein
Grün, das unbändig, wild, maßlos, verschwenderisch, überwältigend ist.
Alles strotzt nur so vor Kraft, vor Regeneration, vor Üppigkeit. Nachts
singt die Nachtigall wieder, morgens die ganze Vogelschar und mittags
zwitschern aus den Brutkästen die ersten kleinen Meisen, unterbrochen
von einzelnen Kuckuck-Rufen oder einem besuchenden Wiedehopf. Überall
wächst und gedeiht es, alles ist am Werden.
Wenn ich im Garten
bin, verfliegen die Stunden. Was riecht das gut! Wie wohltuend ist es,
die Luft tief einatmen zu können. Ja, wie wohltuend ist es, wieder
zurück auf unserem Fleckchen Erde, in unserem kleinen Garten Eden zu
sein, in unserer freiheitsliebenden Drôme. Das ist mein Biotop, das ist
mein Ort, an dem ich sein und wachsen kann, das ist mein
Therapie-Zentrum, das mir Raum schenkt, mich zu entspannen, mich
wahrzunehmen, mich auszuweiten. Und ich könnte alles einzeln benennen,
vom Spazieren gehen, über Blumenstrauß binden, Unkraut jäten, Waldwaten,
Setzlinge in die Erde drücken, über Wiesen kugeln... das alles
beschreibt nur hinlänglich, wie gut mir diese natürliche Umgebung tut,
wie alles in mir mit diesem satten Grün mitauflebt, wieviel Energie ich
mir aus *Grün* ziehe.
Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass ich nun wieder den Vergleich zum Stadtleben habe und selbst staune, in welchem Maße ich ausgewildert bin, wie sehr mir Leben in der Stadt fremd wurde.
Georg Simmels berühmtes Essay (bereits vor 100 Jahren geschrieben) kommt mir in den Sinn *Die Großstädte und das Geistesleben*. Und er beschreibt darin doch auch nichts anderes, als die Spaltung der Menschheit in zwei Gruppen - ganz so, wie es der Habib benennt.
Die einen werden zu reinen Kopffüßlern, die anderen bewahren sich noch
ein intaktes Gemüt - jeweils eine Adaption an ihre Umgebung.
Beides
gleichzeitig geht nicht. Man hat immer die Wahl - gerade individuell.
So ist Erde angelegt. Man hat sich zu entscheiden. Der Kopf jedoch (das
darf man nicht vergessen) rückt die Dinge so lange hin und her, bis
alles wieder passt. Und der Verstand glaubt, Vorteile gegen Nachteile
gegeneinander abwiegen zu können - das Gefühl aber erhält keine Stimme.
Ich habe eine schöne, kleine Beispielgeschichte dazu. Ich bin wieder mit
der Mitfahrzentrale gefahren und unterhielt mich bei der Gelegenheit
mit einem Studenten. Er wohnt in einem Studenten-Wohnheim, dessen Miete
absolut unschlagbar ist, ein Mal die Woche kommt gar eine Putzfrau, ein
Tiefgaragen-Parkplatz gibt es gratis obendrauf und zentrumsnah liegt es
ebenfalls. Ein 6er im Stadt-Wohn-Lotto. Vermeintlich. Denn die Wände
sind sehr dünn, das Wohnheim laut und das erste halbe Jahr konnte er
trotz Ohrstöpsel kaum schlafen. Mein Student fühlt sich nicht wohl,
jetzt wohnt er schon 2 Jahre dort, ein Zuhause ist es nicht, aber er hat
sich damit arrangiert. Eine andere Wohnung mit ähnlichem
Preis-Leistungsverhältnis ist nicht aufzutreiben. Was will man also
machen. So bleibt er halt dort wohnen. Kurz: Verstand toppt Gefühl.
Nicht, dass ich die Argumente nicht nachvollziehen kann. Und für eine
bestimmte Phase kann man viel machen. Das Kunststück dabei ist, nicht
abzustumpfen, taub zu werden, ledern...
Ich fühle gerade mit all denen, die von Beton eingesperrt und eingezwängt sind, *hinter tausend Wänden keine Welt*, während auf dem Land Kraftprotz Natur in seiner ganzen Lebendigkeit tobt. Ich wollte nicht tauschen, ich brauche den Mai mitten im Grün.
Und leichterdings kann man
das Grün gerade ins Mittagessen integrieren. Das ist eine der unzähligen
Varianten meines geliebten Stews, das es nahezu wöchentlich gibt. Das
Stew ist ja so leicht abzuändern. Ich schaue immer, dass meine
Mischungen insgesamt etwa 120g -130 g ergeben. Und los gehts mit dem Spielen...
Das Gemüse dazu ist Schwelgen in den ersten frischen Früchten, die die Erde wieder hergibt: Zuckerschoten, junge Mairübchen, grüner Spargel... Gutes Essen ist eigentlich immer unkompliziert!
Zutaten 2P:
40g Couscous30g rote Linsen
30g Quinoa
30g Hirse
1 1/2 TL Ras el Hanout
1/2 TL Kurkuma
Kokosfett
1 Lorbeer-Blatt
1 Stange junger Knoblauch (oder etwas Bärlauch)
Gemüsebrühe
eine handvoll frische Erbsen
1 EL Mandelmus
...
4 junge Mairübchen mit Grün (oder Butterrüben)
100g Zuckerschoten
200g grüner Spargel
1 Salz-Zitrone
Salz, Pfeffer
Piment d'Espelette
1/2 Bund Bärlauch (oder Kerbel/ oder Estragon)
ein Schuß Noilly
Saft einer halben Orange
1-2 TL Ahorn-Sirup
Olivenöl
Zubereitung:
Knoblauchstange fein hacken und zusammen mit dem Ras el Hanout und dem Kurkuma in Kokosfett kurz anbraten. Restlichen
Zutaten zufügen und in der Höhe von etwa 2,5cm mit
Gemüsebrühe bedecken. Alles ca. 25min sanft köcheln lassen. Dabei immer
mal wieder umrühren, damit nichts anhängt. Gegebenenfalls noch etwas
Brühe nachgießen. Die Konsistenz ist (wie etwa beim Porridge) wichtig:
sollte schön cremig-seidig sein (also nicht zu trocken und nicht zu
schwimmig). Kurz vor Ende der Garzeit die Erbsen sowie das Mandelmus untermischen und im heißen Stew gar ziehen lassen
Mairübchen von Grün trennen, bürsten und je nach Größe halbieren und in dünne Scheiben schneiden. Das Grün in einer extra Schüssel ebenfalls klein machen - ca 2cm Breite. Zuckerschoten gipfeln und vom Faden befreien und in Streifen schneiden. Das untere Drittel des Spargel schälen und dieses Drittel längs in Stücke von etwa 1cm schneiden. Die Salzzitrone vierteln, das Fruchtfleisch herauslösen und entsorgen und die Schale in feinste Stücke schneiden.
Olivenöl in einer breiten Pfanne erhitzen und die Mairübchen sowie die Spargelenden-Stücke darin 4-5min wenden. Salzen und pfeffern. Die Salzzitrone zufügen. Mit Noilly ablöschen. Spargel-Spitzen zufügen. Bei kleiner Hitze Deckel kurz auflegen (ca. 5min) und garen lassen. Nun Mairübchen-Grün und Zuckerschoten untermengen, ebenso die frischen Kräuter der Wahl, den gepressten Orangensaft anschütten, Deckel nochmals auflegen und weitere 3 min kochen. Mit Piment würzen und mit Ahorn-Sirup abrunden. Zusammen mit dem Stew servieren.
Salut Micha, schön dass es dich noch gibt. Mich gibt es wieder... ;-) Aber traurig, wie viele schöne Blogs von vor 10 Jahren im Nirwana verschwunden sind. Nun habe ich richtig Lust bekommen auf dein Stew. Und freue mich beim Lesen deines Beitrags, dass wir zwischenzeitlich aus der Stadt aufs Land gezogen sind! LG Dirk
AntwortenLöschenJa, Dirk, das stimmt wohl - bestimmt ist der überwiegende Teil der Foodblogs in dieser Zeit verschwunden. Aber wir wissen alle auch: um kontinuierlich bloggen zu können, braucht es ein stabiles Leben. Da dürfen keine großen Schicksalsschläge passieren. Bienvenue zurück also, auf dass dir das Bloggen wieder Spaß macht!
LöschenHallo Micha, ich bin über Ras- el-Hanout gestolpert und mitten in diesem wundervollen Gericht gelandet. Danke, ich liebe diese Gewürzmischungen und ohne Couscous geht gar nichts.
AntwortenLöschenWird demnächst nachgekocht
Alles Liebe
Elisabeth
Dann hoffe ich, Elisabeth, dass dir das Gericht auch schmecken wird - aber wenn du Ras el Hanout und Couscous magst, dann sollte das ein Treffer werden! viele liebe Grüße zurück...
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