durchscheinen: Curry-Reissalat mit Räuchertofu und Fenchel

Freitag, 20. Oktober 2023


Könnte man nicht - habe ich mir überlegt - ein Krankenhaus nicht wie einen kleinen Mikrokosmos nehmen und von da aus auf alles Weiteres schließen. Im Krankenhaus steht das Leid zentral im Mittelpunkt, ganz in buddhistischer Tradition: der größte, gemeinsame Nenner alles Menschlichen ist der Wunsch, Leid vermeiden zu wollen. Im Alltag bekommt man sein Päckchen ganz gut kaschiert, aber im Krankenhaus liegt die Not mehr oder weniger offen. Die einen leiden sichtbar physisch, andere leiden psychisch oder mental - Ärzte und Pflegepersonal nicht ausgenommen, sei es Stress, Überforderung oder Überlastung. Da sitzen alle im gemeinsamen Boot des Leidens und das sollte... wie so eine Art Schicksalsgemeinschaft .... zusammenschweißen. Allumfassendes Mitgefühl als Elaborat, das sich auf diese Weise von ganz alleine einstellt - der Grundkern, der alle Weltreligionen eint.

Aber rein utopisches Kopfkino. Auch im Krankenhaus versammelt sich Gottes großer Zoo, ein buntes Sammelsurium aller Charaktere von sonnigwarm bis finstereisig, Leid hin oder her.

Und grundeigentlich dient ein Krankenhaus viel mehr als hervorragendes Beispiel wie entmenschlicht unser Umgang miteinander bereits ist. Der aktuelle AOK-Fehlzeiten-Report spiegelt wider, dass die psychischen Erkrankungen in den letzten 10 Jahren um satte 50 Prozent gestiegen sind. So was kommt von so was. Es krankt im Miteinander. Das moderne Krankenhaus besteht (klar, abhängig von der jeweiligen Abteilung, aber gerade wenn es um operative Eingriffe geht ) aus sehr viel Apparatemedizin, die menschliche Körper zu inspizierenden Objekten degradiert. Da braucht der Mediziner kein Fingerspitzengefühl mehr für das Wesen Menschen, sondern er benötigt seine volle Aufmerksamkeit im Umgang mit High-Tech-Maschinen. Alles mechanisiert, hochstandartisiert, hocheffizient. Vorbei die Zeit, in dem sich dir jemand gegenüber setzt und dich anschaut (wie in dieser Arte-Doku *Tibetische Medizin*), sich versucht einzufühlen, sich versucht in die individuelle Krankheitsgeschichte reinzudenken. Nein, die Standarts finden sich in allen Abläufen bishin zum Auftreten der Mediziner und der Krankenschwestern: automatisierte, sich immer wiederholende, leere Phrasen, professionelle Freundlichkeit ohne innere Beteidigung, sterilisierter Umgang mit Zimmernummern. Momente, in denen Mensch Mensch begegnet, sind nicht eingeplant und können nicht abgerechnet werden. Wenn doch, dann bleiben diese Augenblicke leuchtend im Gedächtnis.

Eine Geschichte kam mir in diesem Zusammenhang wieder in den Sinn. Die verstorbene Frau meines Habibs, Ute, die gestern Geburstag hatte, arbeitete als Krankenschwester. Eine sehr alte Patientin wandte sich in ihrer Verzweiflung an sie: *Schwester, können Sie mir helfen? Ich würde so gerne sterben und kann und kann nicht.*

Und da zog sich Ute aus, legte sich zu ihr nackt ins Bett, umschloß sie mit ihren Armen und in Utes Armen verstarb die alte Frau nach kurzer Zeit.

Was eine Geschichte! Jeder wird merken, dass man/ dass ich mir diese Begegnung nicht ausdenken kann. Das ist genau so passiert. Was offenbart sich hier?! Was ein Geist strahlt da durch! Von wessen Geistes Kind war Ute in dem Moment getragen?! Sich nackt auszuziehen um jemanden Sterbehilfe zu leisten, das geht nicht über den Kopf. Da wägt man die Situation nicht gedanklich ab. Und Utes Verhalten geht auch weit über eine Sensibilität hinaus, was der andere in dem Moment gerade brauchen könnte. Das ist größer. Da wirkt die unsichtbare Welt wie medial durch. Und nun stellt sich die Frage, was muss passieren, um mit dieser transzendenten Welt so verbunden zu sein, dass man auf diese Weise tätig werden kann?



Dieses Jahr konnte man monatelang durchgrillen - auf allen Ebenen. Bei der Gelegenheit gab es hier wiederholt Reissalat. Nun, auch ohne Grillgedöns.

Wer hier ab und an mitkocht, hat längst durchschaut, dass mein mir liebstes Mittagsessen aus etwas Gekochtem und Gebratenem (Puffer) besteht sowie begleitender Rohkost besteht. DAS Grundgerüst, an dem ich mich im wahrsten Sinne irgendwie festgebissen habe. Die Puffer werden demnächst als Rezept erscheinen - ausgepuffert hat es sich hier noch lange nicht! Wißt ihr ja...

 

Zutaten 4P:

120g Reis
2 TL Curry
1/2 TL Curcuma
2 Lorbeer-Blätter
1/2 Granatapfel/ 1/2 Mango/ 1 pêche de vigne
1 Räucher-Tofu
1 mittelkleiner Fenchel
2 Knofi
1/2 TL Kreuzkümmel
Piment d'Espelette
100g Erbsen
2 EL Soja-Sauce
1-2 EL Apfelessig
Dill/ Basilikum/ Koriander
Oliven
Salz, Pfeffer
Kokosfett/ Olivenöl/ Sesamöl

 

Zubereitung:

Etwas Kokosfett in einem kleinen Topf erhitzen, Curry und Curcuma kurz anrösten, Reis zufügen, Lorbeer-Blätter, Salz und mit entsprechend Wasser auffüllen und bei geschlossenem Deckel weich garen. Lorbeer-Blätter entfernen.

Räuchertofu in Würfel schneiden und in Sesam-Öl knurspig braten und zur Seite stellen.

Fenchel putzen, halbieren, Strunk entfernen und in feine Scheiben hobeln. Zusammen mit dem Kreuzkümmel und dem fein gewürfelten Knoblauch in einer Pfanne in etwas Olivenöl rösten (m: 2-3 EL Gemüsebrühe angeschüttet, Deckel kurz aufgelegt) und den Fenchel dann so lange garen, bis er weich aber noch etwas Biss hat, dabei leicht salzen, mit Piment würzen und mit Ahornsirup würzen.

Nun die frischen Kräuter fein wiegen, das Obst der Wahl würfeln oder vorbereiten, die tiefgefrorenen Erbsen kurz garen und abschrecken und dann alle Zutaten miteinander in eine Schüssel geben. Würzen mit Soja-Sauce und Apfelessig, salzen und pfeffern - fertig.

Anmerkung m: sowohl mit unterschiedlichem Obst wie Kräuter zubereitet: Pfirsich mit Basilikum, Mango-Koriander, Dill - Granatapfel... mal mit mal ohne Oliven

 

9 Kommentare

  1. Deine Gedanken, liebe Micha, sind druckreif.
    Besinnlichkeiten, die in Buchform unter weihnachtsbäumen liegen sollten.
    Poetisch, philosophisch, fein.
    Jeder findet darin einen erlesenen Trost, ein weiterwanderndes Gedankenspiel,
    ein Nachdenk- Anregungsdenkwerk.
    Ich freu mich immer, das nächste Denkwerk von dir geniessen zu können.
    Dennoch: das Gekochte, das Zubereitete lässt mir ebenfalls das Wasser im Munde zusammenlaufen.
    Das eine eben seelisch-geistig, das andre physisch.
    Möge dir diese Kraft erhalten bleiben.
    Herzgrüssle aus stürmischeren Gefilden
    Evi

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    1. Danke, Evi, für deinen Kommentar! Das, was in dieser scheinbar so kleinen Episode durchscheint, kann ich kaum in Worte fassen - aber es bringt mich zum Staunen. Und ich wärme mein Gemüt an Menschen wie Ute, die solche Liebesdienste vermögen zu vollbringen!

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  2. Zeit ist das Kostbarste, das wir schenken können. Gestern war ich mit meinem schwerkranken Mann in einem Park, den er immer liebte, um nach Kastanien zu sehen. Er kann sie nicht mehr aufsammeln oder gar suchen, aber als ich ihm die glatten, glänzenden Früchte in die alten, arthrotischen Hände legte, war sein Ausdruck so voller Glück...Das macht jede Mühe doppelt wett. Herzlich, Sunni

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    1. Den Zusammenhang von deinem Kommentar und meinem Post erschließt sich mir nicht, Sunni, da ich eín ganz anderes Thema angesprochen habe - aber ich freue mich, dass du die gemeinsame Zeit, die du mit deinem Mann verbringst, schätzt...

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  3. Neugeborene werden ihrer Mutter auf den nackten Oberkörper gelegt -"Bonding" nennt man das - es soll (vereinfacht gesag) die Bindung an die Mutter und damit das Ankommen auf der Welt begünstigen, Vertrauen und Gebrgenheit schaffen.
    Als ich deine Erzählung las, dachte ich mir, dass Ute damals so etwas wie ein "Rebonding" geleistet hat. Sie hat Vertrauen und Nähe geschaffen, so das ein Loslassen möglich wurde. Das muss man erstmal können! Hochachtung.
    Dein Reissalat sieht sehr gut aus.
    Viele Grüße von Hannah

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    1. Vielleicht, Hannah, läßt sich der Impuls, den die alte Frau zum Loslassen benötigte, auf diese Weise erklären. Ich weiß es nicht. Aber ich verstehe deine Assoziation...
      viele liebe Grüße zurück...

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  4. Wow, ja ... da kommen Gespür und Mut zusammen in edelster Form ...

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    1. Ja, Marie, so empfinde ich das auch, ich bewundere Utes Verhalten sehr

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  5. Liebe Micha, dein Text fand mich vor ein paar Tagen etwas schwächlich, zweifelnd und müde auf ... und gab mir dann so viel Kraft, fasste mich so am Herzen an, dass ich mich wieder getragen fühlte. Danke, dass du diese starke Geschichte aus Utes Leben geteilt hast und dass du es geschafft hast, deinen (zurecht) anfangs bohrend kritischen Text am Ende in Licht zu tauchen! Vom kulinarischen Mehrwert deines Blogs profitiere ich zur Zeit eher selten, aber das kommt schon wieder. Liebe Grüße aus Oberbayern

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