Frauen und die Schönheit des Alterns

Samstag, 22. Juli 2017


Mach' ich mir nix vor: es knittert, silbert und dellt! Und damit verhält sich  mein Körper durch und durch altersgerecht. Der Artikel *Verwelkt* von Patricia aka das Nuf ist meine Inspiration zu den heutigen Gedanken. Wir beide sind in etwa gleich alt, nur leben wir in gänzlich unterschiedlichen Lebensmodellen. Wie bereits bei ihrem vorherigen Artikel wippe ich beim Lesen bestätigend mit dem Kopf. Vorneweg gilt ebenfalls zu bekräftigen: soll doch jede wie sie meint! Ein Hoch auf die Individualität! Und: andere sind nun mal anders! Was allerdings gerade die Beweggründe anderer so interessant macht.

In einem Gespräch meinte eine etwa 50Jährige mal zu mir, sie wäre ja zu gerne nochmals 25. Ich staunte sie an! Nicht für viel Geld oder eben den Körper von damals wollte ich wieder zurück! Nicht einen Tag! Das hatte ich doch alles schon! Genau deshalb neide ich den kleinen Mädchen auch keinen Zentimeter Frischhaut. Hatte ich - nun ist es vorbei. Aber all die Erfahrungen nochmals durchleben, inklusive der zu ihnen gehörenden Erkenntnis (und Erkenntnis, die ihren Namen wert ist, geht meist mit der Bitterkeit einer Enttäuschung einher)... bis heute?! Echt, nein Danke!

Außerdem vermute ich, dass dieser Selbstoptimierungsquatsch für die heutige Jugend noch viel höhere Wellen schlägt als zu meiner Knospenzeit - ein Druck, der regelrecht zur Selbstausbeutung treibt und völlig zurecht von Byung-Chul Han kritisiert wird. Trotzdem bin ich seinerzeits um den Wonderbra geschlichen, der doch eine gute Körbchengröße drauf geschmuggelt hätte. Aber dann siegte der gesunde Menschenverstand: der einzige Mann, der meine Brust nachher in Händen hält, kennt die Originalgröße ja eh! Also für wen will ich dann antäuschen?

Genau diese Frage verstärkte sich, als ich mich einst in den Untiefen des gigantischen Souks in Kairo verlief und plötzlich in der Dessous-*Abteilung* stand! Extrem hotte Ware wurde dort feil geboten. Und ich wunderte mich ein wenig über mich selbst, dass irgendetwas in meinem Hirn damals Verschleierung und Frigidität miteinander verkuppelte. Noch mehr aber machte mir der Umkehrschluß zu schaffen: die arabischen Mädels mühen sich für Glammer daheim ab und wir westlichen geben uns mehr Mühe für die Straße. Ist vielen gefallen wollen besser als nur einem?

Im Iran vertrat *mein Tandemliegefahrradfahrer* die Haltung, dass es möglicherweise für die iranischen Frauen dank der Verschleierung leichter ist, ihr Frau sein zu leben: all der Wahn um Jugend, Figur und Mode würde schließlich wegfallen. Unter ihrem Zelt hätten sie alle Ruhe dieser Welt, ihre Innerlichkeit zu pflegen - ein großes Stück Stoff also könnte seiner Meinung nach einen ähnlichen Antidepressiva-Konsum wie in Frankreich unnötig machen.

Doch weit gefehlt, dazu schüttelt die Realität den Kopf. In keinem anderen Land der Welt werden soviel Nasenkorrekturen durchgeführt wie in Iran. Die Sozialisation als Grund schließe ich im Falle des Iran aus. Warum nur tun wir Mädels uns so schwer damit, uns selbst zu gefallen?

Parallel dazu blitzen vor meinem inneren Auge Bilder auf aus der amerikanischen Yellow-Press. Der Red-Carpet-Trend geht schon lange Richtung *enger-durchsichtiger-knapper*. Man will schließlich ALLES zeigen: den kompletten schönheitsoperierten, Personal-Trainer geformten Body. Bis zu Chrissy Teigens halbseidener *Entschuldigung* dachte ich, es gäbe zumindest so eine Art *Dresscode* für offzielle Veranstaltungen. Selbst in Amerika. Gut, die einen nennen es *geschmacklos*, die anderen nehmen den Seitenausgang der Freizügigkeit und bezeichnen es als *künstlerische Freiheit* oder *persönliche Entfaltung*. Whatever - geht mich nix an... ich kann ja weg gucken. Nur welches perfide Interesse verfolgen die Medien mit solchen Bildern?

Künstlicher Schönheit wird meine Bewunderung nie zuteil werden. Amerika bietet ja unter seinen *Stars* genügend Beispiele, die zeigen, dass auch die xte OP nicht vorm Altern schützt. Oder glücklicher macht. Und ob das die Sexyness samt Fuckability-Spanne (toller Auftritt von Caroline Kebekus) verlängert... isch wais es nischt.

Wo ich aber wirklich nicht mitkomme, das ist die steigende Anzahl an Frauen, die sich einer vaginalen Schönheitsoperation unterziehen. Sorry, aber Mädels spinnt ihr? Sehr spannend finde ich die Erklärung der Psychologin, dass Frauen sich zu sehr aus einer Außenperspektive beurteilen und sich aus sich selbst heraus zum Objekt degradieren. Die versteckte Kamera guckt von außen immer mit. Ist das nicht fürchterlich?

Ich setze alle Falten, die ich habe, dagegen, dass eine Frau sich attraktiver fühlt dank finanzieller Unabhängigkeit. Da steckt der hübsche Denkfehler drinne, von einer Äußerlichkeit (Alter/ Gewicht) zur anderen (Gehalt) zu hüpfen. Prompt fällt mir die Pressemitteilung zu Lionel Messis Hochzeit ein mit der abstrusen Botschaft über den Marktwert seiner anwesenden Gäste. Das Material Mensch.

Vermutlich bemerken wir gar nicht mehr, wie sehr uns der Kapitalismus mit seinem Bewertungssystem von Maß und Zahl in Fleisch und Blut übergegangen ist. Wir sollten zurückfinden, zu einem Denken in Qualitäten. Wir sollten lernen, die Dinge vom Ende her zu denken. Wir sollten fähig sein, unterscheiden zu können zwischen *Anspruch* und *Bedürfnis*. Und vor allem sollten wir Mädels dazu finden, dass Wohlfühlen das neue Schönsein ist!

Wie muß mein Biotop aussehen, damit ich mich entfalten kann? Ich beispielsweise brauche Vertrauen, Ehrlichkeit, Offenheit, Freiheit und Natur um mich - samt einem Gegenüber, welches das genauso leben will. Stichwort *Werte*.

Wohlfühlen hat eindeutig etwas damit zu tun, wie man sein Leben einrichtet. Dann muß man die Stressfalte nicht wegspritzen, sondern versucht sein Leben derart umzugestalten, dass Stress sich gar nicht erst ins Gesicht abzeichnen muss. Und die Zähne nachts beim Schlafen nicht mehr knirschen. Hey, *das kleine Würstchen* als Lebensgefühl, das wäre meine Empfehlung für alle mit resting Bitchface-Problem!


17 Kommentare

  1. Seit Jahren lese ich hier still mit. Verheiratet, mit 3 eigenen und einem afghanischen Sohn, als Hausfrau, im Osten. :-) Ich unterschreibe alles! Ich komme aus dem Wundern gar nicht mehr raus. Woher kommt das fehlende Selbstbewusstsein? Wir haben nur ein Leben, warum leben es so wenige ehrlich? Danke für den Text!

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    1. Vielen Dan, Ultramarin, für deine Wortmeldung - und deine Unterstützung ;-)! Mein Eindruck ist schon, dass die Welt und das Miteinander rauer wird - und die Anpassung an einen Mainstream gleichzeitig größer. Aber genau das kann man als Widerlager nutzen, um für sich rauszufinden, wie mein sein Leben gestalten mag... zur eigenen Freude! Schön, sehr schön, dass du dich so zufrieden anhörst - in drei Zeilen! Ich freue mich mit!

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  2. Du sprichst mir aus dem Herzen, bin ganz deiner Meinung. Hast du ganz toll geschrieben.
    Wünsche dir einen schönen Sonntag.
    Liebe Grüsse
    Doris

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    1. Wenn doch nur die Hälfte - pfffhhh, ein Viertel - der Zeit, die man sich für Äußerlichkeiten müht, für eine innere Pflege draufgehen würde.... echt, die Welt wäre eine bessere!
      dir, Doris, einen guten Start in die Woche!

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  3. Ich merke bei dir und (danke für den Link) bei Das Nuf, dass es doch eine Menge Frauen gibt, die sich nix drum scheren ein RBF herumzutragen (diesen Ausdruck - "resting bitch face" - habe ich mit Schrecken und Staunen gerade kennengelernt). Und ihr seid ja alle schon die nächste "post"feministische Generation.
    Aber Frauen meines Alters (69) können nur staunen über den Druck, der aufs Neue auf junge Frauen ausgeübt wird - wir dachten damals, damit hätten wir aufgeräumt.

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    1. Neinnein, Ilse, ein RBF ist meine Angelegenheit nicht - ich werde wohl älter/ alt, aber darüber bin ich nicht frustriert. Ich kann sogar sagen: ich habe mich noch nie so wohl gefühlt!
      Und das RBF ist ja eine Ausdrucksgeschichte und dazu habe ich im Zuge dieses Artikels schon mal was geschrieben: http://salzkorn.blogspot.fr/2016/12/zu-tisch-mit-6-b-c-h.html - die abgekämpften Gesichter unseres Breitengrads...
      Genau darüber staune ich die meisten und größten Bauglötze, dass man lieber an der Fassade poliert, als ans Wesentliche zu gehen, nämlich sein Leben so zu ändern, dass man eben nicht frustriert aus der Wäsche schauen muß oder sich eine Wutfalte mit Nervengift unterfüttern.

      Weil ich finde, es gibt wunderschöne, alte Frauen! Ich habe sogar schon welche gesehen, die hatten keinen einzigen Zahn mehr im Mund aber eine Ausstrahlung zum dran Erwärmen!
      Aber ja, vermutlich ist die Selbstfürsorge und das eigene Mühen um sein Wohlempfinden eine lebenslängliche Aufgabe - und generationsunabhängig...

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    2. Genau! statt aufspritzen lieber aufatmen und auflachen.

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  4. Ja, der Druck ist ungeheuer, den die jungen Mädels (und zunehmend auch die Jungens) sich auferlegen. Ich stehe manchmal kopfschüttelnd davor. Und erwische mich selbst dabei, wenn ich mich auf Instagram durch die Photos anderer Leute wühle. Dann muß ich mich immer ein bißchen zur Raison rufen: Lemminghaftes Verhalten oder Inspiration? Ein interessanter Tipp zur Pflege der Dellen (sic) oder Geld-aus-dem Fenster-werfen? Du fragst nach dem Biotop, in dem ich reifen kann: Für mich ist das eine sinnvolle (Berufs)tätigkeit, Zeit für mich - wobei ich den Luxus von wertvoller Ernährung und ab und zu einen kleinen Cremetopf nicht ablehne. Ein bißchen Selbstironie entschärft die Lage dann doch erheblich. Liebe Grüße in den Süden, Annette

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    1. Selbstironie, da bin ich ganz mit dir, Annette, ist unumgänglich! Und die gehört auch zwingend dazu, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Wenn ich nackt vorm Spiegel sehe, dann lache ich mich gerne an und sage mir: *Es könnte VIEL schlimmer sein!* (eine Weisheit, die mich Madagaskar gelehrt hat) und das stimmt so sehr, dass ich mich gleich bombig attraktiv fühle... naja, in Kombination mit meinem Leben, mit dem ich ebenfalls zufrieden bin. Hey, und gegen was Hübsches zum Anziehen hörst du bei mir auch keine Proteste - ich bin schließlich Mädchen :)!
      viele liebe Grüße zurück...

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  5. "Ich setze alle Falten, die ich habe, dagegen, dass eine Frau sich attraktiver fühlt dank finanzieller Unabhängigkeit."
    Danke für diese wichtige "Ergänzung". Ich sehe alles absolut genauso!

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    1. Wer bestimmt denn meinen Wert?
      Ich selbst habe mir *Wert* zu geben, über Werte, die ich dadurch vertrete, dass ich sie lebe! SO kompliziert ist es eigentlich nicht... es gilt wie immer: Just do it!

      Danke für deinen Kommentar, Eva

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  6. Ja, diese Energieverschwendung ist erstaunlich. Wem nutzt es letztlich? Der Mode- , Kosmetiindustrie und den speziellen Chirurgen. Und vielleicht einer bestimmten Kaste von Männern. Dem Geld zu folgen hieße vielleicht, die Verführer und Anstifter zu entdecken...
    Komisch nur, dass frau da so mainstreammäßig mitläuft. Und nicht nur frau, auch man. Selfcontrolling ist die neue Religion.
    Endlich leben. Vom Ende her denken, wie Du es nennst. Das änderte den Sinn. Bestimmt.
    Danke für Deinen klugen Post und
    liebe Lisagrüße!

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    1. Was kann ich mich auch über Werbung amüsieren. Mein Augapfel ist gerade *der Wimpernbooster* - neinnein, das ist keine gewöhnliche Wimperntusche, sondern *ein Gerät*, das deine Wimpern VERLÄNGERT! Das finde ich zum Schießen: welche Doofbacke fällt denn bitte auf so einen Quatsch rein?! Und welcher Mann denkt sich, wenn er eine Frau sieht: *Oh, schau mal an, die hat aber lange, dichte und schöne Wimpern!* Echt, manchen gehört es auch nicht anders!

      viele liebe Grüße zurück, Lisa

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  7. Hallo Mädels,
    mir sind Lachfalten allemal lieber, als Miesepetrichkeit und herunterhängende Mundwinkel. Akzeptiert euch so, wie ihr seid und ihr habt keine Konkurrenz zu fürchten, weil ihr eine super Ausstrahlung habt.
    Viele Grüße
    Rainer

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    1. Genau, Rainer! Und umgekehrt gilt es genau so: was nützt mir das knackigste Hinterteil, wenn es von einem Vollpfosten spazieren getragen wird!
      Gell, aber merke: die nicht herunterhängenden Mundwinkel sind kein Indiz mehr (für Miesepetrichlosigkeit) - kann man sich ja jetzt wegspritzen ;)
      viele Grüße zurück...

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  8. Toller Text! Etwas Bewegung, gesunde Ernährung (inkl. Wein und Schokolade) und etwas Feuchtigkeitspflege, so hoffe ich das beste. Wichtig ist doch die innere Einstellung zum Leben. Fröhliche Menschen sehen auch mit Falten toll aus!

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  9. danke für diesen tollen, wichtigen text, habe ihn mit freude und dauernicken gelesen. so ungefähr lebe ich auch, faltig, fröhlich und grau/golden, könnte es nur nicht so gut formulieren.
    ich hoffe, meinen drei töchtern so ein bißchen vorleben zu können was wichtig ist - zwei sind schon in der pubertät und sehr mit sich und ihrem aussehen beschäftigt. das aussehen hat nochmal einen anderen stellenwert, wenn ich noch gar keinEn partnerIn habe - immerhin möchte ich ja daß jemand auf mich aufmerksam wird, und dafür versuche ich dann in der menge aufzufallen. da gerät schonmal in vergessenheit, daß alles retuschieren nach erfolgreicher partnerfindung eh auffällt...

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