Jeden Tag ein Buch - Solar von Ian McEwan

Freitag, 15. November 2013

Zuhause komme ich eigentlich nie dazu, ein ganzes Buch zu lesen. Wenn dann eher unterwegs in der Ferne. Und in der letzten Reise habe ich öfters als sonst die Nase in ein Buch gesteckt. Es gab so vieles zu sehen, das belastend war. Vorallem die Armut und die Prostitution in Kambodscha und auf den Philippinen drückten immer wieder schwer aufs Gemüt. Da war ein gutes Buch eine gute Flucht.

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Vielleicht habe ich mit deshalb *Zusammen ist man weniger allein* so geliebt. Es war tröstend. Und ich hatte den Eindruck, ein übervolles Herz hat es in die Feder diktiert. Ganz anderer Art ist das Buch, das ich euch heute für Stephs und Astrids Event herausgegriffen habe. Ebenfalls eine Zufallsbegegnung auf Reisen und ebenfalls großer Lesespaß, aber es ist die Stimme eines glasklaren, ja eines brillianten Beobachters, die durch diesen Roman führt.

Die Brücke zu einem Foodblog ist wieder ganz leicht geschlagen. Ernährung ist - da existentiell - ein riesiges Feld. Es spielt Herkunft, Kultur, Zeit, Lebenssituation, gute Sitte, Herzensbildung, der Geldbeutel, die politische Umgebung und vieles mehr keine unerhebliche Rolle. Und auch an dem angeschlagenen Zustand von Mutter Erde kommen wir in dem Zusammenhang nicht vorbei, denn sie ist es noch immer, die uns ernährt.

Womit ich geradewegs beim Klimawandel herauskomme, dem zentralen Thema des Buches *Solar* von  Ian McEwans. Der Brite hätte diese unbequeme Tatsache nicht komischer zu einem - hervorragend recherchierten - Roman verarbeiten können.

Ian McEwan packt in *Solar* die Menschen an den Weichteilen ihrer Scheinheiligkeit - ohne richtig zu quetschen. Das ist empfindlich, das ist bisweilen auch fies, aber es ist vorallem äußerst amüsant. Zumal der ach so sichere Boden des Rationalismus eben nicht unabhängig des Lebenswandels eine stabile oder sogar eine moralische Lebensgrundlage bietet. Was uns die menschlichen Schwächen und Laster des Hauptakteurs, einem Nobelpreisträger der Physik, deutlich vor Augen führen.

Nebenher bekommt so einiges sein Fett ab: die Objektivität der Wissenschaft, das Rechtmässige demokratischer Wahlen, die sog. Forschungsfreiheit staatlicher Institutionen, die Kabriolen des Feminismus undundund.... Der Humor in den Beschreibungen der Figuren und Situationen, die allesamt quietschlebendig sind, macht mich zum glühenden Fan von Ian McEwan - und das, obwohl ich mit dem oft von Zynismus und Sarkasmus durchtränkten britischen Witz sonst so meine Schwierigkeiten habe. 

Aber gepaart mit der feinsinnigen, klugen Kritik am Zeitgeist funktioniert das blendend. Ich fasse zusammen: erheiternd, klug, ernüchternd, schonungslos.... lesenswert!

3 Kommentare

  1. das klingt schlichtweg genau richtig. ist notiert. danke.

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  2. für mich war es eher eines der schwächeren Bücher von Ian McEwan - findest du nicht dass seine früheren Bücher (Saturday, Abbitte, Liebeswahn oder Am Strand) viel besser geschrieben sind?

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  3. Klingt sehr interessant! Wirklich gut beschrieben.
    LG

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