purpurrotes Schlecksel

Sonntag, 13. September 2015

Schlecksel - ist das nicht ein wunderschönes Wort? - bezeichnet im Badischen allgemein Marmelade. Für mich aber steht es vorneweg für die Brombeermarmelade meiner Oma verwoben mit einem Gespinst an Oma-Erinnerungen. Wie alle Kinder brannte ich für Geschichten aus der Vergangenheit. Sie konnten nicht ausführlich und lang genug sein. Besonders toll fand ich es mit irgendeinem Album voller Schwarz-Weiß-Bilder, Gesichter zu Erlebnissen werden zu lassen. Und wer ist das? Oder die? Dabei konnte die Oma richtig ins Fahrwasser der Plapperei geraten, vom Stöckchen ins Zweigchen... à la *die Schwägerin der Bruders des Onkels mütterlicherseits*. Oder eben aus einer anderen Zeit, einer anderen Bewertung und damit einer völlig anderen Perspektive erzählen.

In der Mediävistik habe ich gelernt, dass in der mittelalterlichen Gesellschaft - also eine Gesellschaft, die sich erst auf dem Weg zur Verschriftlichung befand -  das mündliche Weitergeben von Wissen eine noch weit größere Rolle spielte als heute. Es heißt, dass damals das Gedächtnis einer Familie nicht weiter reichte als zwei Generationen zurück - quasi bis zu den Urgroßeltern. Es wäre also ein gutes persönliches Up-Date, bei sich zu überprüfen, wie weit die Reichweite heute ist. Name wenigststens eines Urgroßvaters oder einer Urgroßmutter? Vermutlich wird sowas mit dem Patchwort-Gedöns nicht einfacher. Und haben die Kinder ebenso noch das Interesse an der Kindheit ihrer Großeltern?
Dieses Jahr gibt es so pralle und süße Brombeeren wie selten. Auch die Feigenbäume biegen sich unter ihrer Last. Das wiederum brachte mir nun meine Zeit auf dem Land bei: Jedes Jahr hat (beispielsweise) unterschiedliches Obst seine Saison. Doch wie diese ausfällt ist grundverschieden - die mageren Jahre kommen häufiger vor, als ich dachte. So reichlich Brombeeren habe ich lange nicht mehr gesehen. Obwohl unser Verzehr von Marmelade minimal ist, kann ich ein solches Angebot unmöglich sausen lassen.

Zubereitet habe ich schlichtes Oma-Brombeer-Schlecksel - Marmelade mag ich ja zuallermeist pur und ohne jeden Firlefanz am liebsten. Und um diese Tradition zu brechen und Gewohnheiten aufzulockern, kochte ich noch eine weitere Marmelade, die mir so gut gefällt, dass ich mir das Rezept bewahren möchte. Wie ein Gruß in die arabische Welt im samtigen Purpurdunkelrot eines Theatervorhangs...
Zutaten 4 Gläser:

250g Brombeeren
250g Feigen
250g Zwetschgen
2 Lorbeerblätter
1 gute Msp Piment
1 TL Rosenwasser
2-3 EL Cassis (eigener - nach Petras Rezept)

Zubereitung:

Zwetschgen entsteinen und klein schneiden. Feigen - je nach Sorte und Wunsch - schälen und ebenfalls klein schneiden. Zusammen mit dem Zucker und den Lorbeerblättern auf heißer Flamme zum Kochen bringen. Etwa 5min weiter köcheln lassen - dabei stetig rühren. Mit Piment würzen. Die Lorbeerblätter entfernen. Kurz vor Ende den Cassis unterrühren.

In die vorbereiteten, sterilisierten Gläser füllen und 2min auf den Kopf drehen. Voilà.

Anmerkung m: Ich bin großer Fan dieses Gelier-Zuckers, den ich im Prinzip für alle Marmeladen verwende, die einen Gelierzucker vorsehen. Es ist ein Gelierzucker aus Rohrzucker, er ist 100% pflanzlich (ja, dabei darf man ruhig mal genauer hinschauen, ob pflanzlich oder nicht), ergeliert sehr gut und  ich benötige auf 1,2kg Frucht laut Edikett 1kg Zucker (funktioniert aber ebenso mit weniger Zucker).

8 Kommentare

  1. Hmm.. das ist wirklich ein tolles Rezept , bei uns sind die Brombeeren auch sehr sehr dick dieses Jahr und meine Brombeermarmelade mit Kardamon steht schon im Regal.
    Liebe Grüße, Patricia

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  2. Da ist ja alles drin, was Feld und Garten bieten. Da liesse ich mich sogar zu einem Butterbrot mit deiner Herbstkonfitüre überreden.

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  3. Schlecksel ... kannte ich nicht, finde ich aber wirklich lieb. Sehr bildreich :-)
    Zunächst musste ich aber erst einmal googeln, was Mediävistik ist, ähem ... Meine Reichweite zurück zu meinen Wurzeln geht nicht sehr tief, leider. Wobei ... ich müsste nur meinen Bruder befragen, der hat eine Zeit lang Ahnenforschung betrieben und so manche Leiche ausgegraben ;-)

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  4. Wenn ich von meinem eigenen kindlichen Interesse an den Fotoalben meiner Eltern und Großeltern und ihren Geschichten aus der Zeit vor dem Krieg, im Krieg und danach ausgehe, dann würde ich schon sagen, dass das Interesse der Kinder an ihren Vorfahren heute deutlich geringer ist. Zumindest das meines Kindes. Mich haben diese Geschichten immer fasziniert, da sich das Leben, von dem erzählt wurde, (dankenswerterweise) so sehr von meinem unterschieden hat. Außerdem wollte ich gerne wissen wo meine Wurzeln sind, wass meine Vorfahren gemacht haben, wie sie waren, wie sie dorthin kamen wo sie zuletzt lebten und natürlich, wie sie gelebt haben.
    Überlieferte Familienrezepte gibt es bei uns leider keine, aber ich weiß noch genau, was es bei den jeweiligen Großeltern immer zu essen gab, wenn wir sie besucht haben - bei den einen gab es Maultaschen mit grünem Salat, bei der anderen Oma eingemachtes Kalbfleisch mit Bandnudeln. Mag ich heute noch, auch wenn es keine wirklich aufgeschriebenen Rezepte dazu gibt.
    Netterweise haben wir durch Spende auch gerade Brombeermarmelade - hier gibt es nämlich zwar Unmengen Zwetschgen, Brombeeren aber leider gar nicht wirklich viele. Dabei würde mich das Rezept mit Piement und Lorbeer doch sehr reizen. Mal am nächsten Wochenende die Augen aufhalten, ob sich nicht doch Brombeeren auftreiben lassen...

    Herzlich, Katja
    P.S.: Die Pasta mit Feigen und Gorgonzola war ein Traum - die gibt es hier jetzt öfter. :-)

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  5. Hallo Micha,
    die Neugier auf alte Geschichten habe ich an meine jüngere Tochter vererbt, sie ist aber in vielen Dingen anders als andere junge Leute heute ;)

    Was hast du nur für tolle Brombeeren! Meine waren zwar auch sehr gut in diesem Jahr, aber sie sind schon länger fertig. Aber ich habe welche eingefroren. Daneben liegen jetzt Feigen und die letzten Zwetschgen, und wenn wir aus Griechenland zurück sind, werde ich deine Marmelade ausprobieren. Die muss lecker sein, wenn sie schon Schlecksel heißt :) Und ohne dein Pflaumenmus geht hier eh nix.
    Liebe Grüße
    Ulrike

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  6. @Patricia: Kardamom kann ich mir zu Brombeeren auch gut vorstellen! So ein *exotisches* Gewürz war natürlich nicht in der Schlecksel meiner Oma.

    @Robert: Oh, und ich weiß, dass das bei einem bevorzugt Herzhaften wie dir an einen Flirt grenzt ;)

    @Maria: Tsss, bei der Ahnenforschung so manche Leiche ausgegraben - da muß ich jetzt aber echt lachen! Und ja, so ists ja auch nicht, dass ich sämtliche Urgroßeltern-Namen zusammenbekäme. Das wären ja immerhin 8 Namen...

    Mediövistik hätte ich eigentlich gleich als Mittelalterkunde schreiben können - war mir bis zum Studium genauso gänzlich unbekannt :)

    @Katja: So recht erklären kann ich das kindliche Interesse an der Vergangenheit der Großeltern gar nicht. Vielleicht weil man eben doch anknüpft an eine Reihe von *Erbgeschichten* und davon automatisch Teil wird. Leider habe ich mit einiger Distanz herausgefunden, dass nirgendwo Mythos und Wahrheit mehr verschwimmt als beim Thema *Familiengeschichten*. So fing Legenden weben an. Denn vieles von dem, was mir die Oma da weitergeben wollte, war mehr als verklärt und entsprach nicht der Geschehnissen.. Zumeist kann man die allerdings eh nicht überprüfen. Ich bin ihr durch viele Widersprüche auf die Schliche gekommen ;)

    @Ulrike: Schon wieder im Urlaub? ;)

    Und dass du Freude an meinem Zwetschgenmus hast, das habe ich bereits *drüben* gelesen. Auch wenn ich mich dort nicht laut mache, schaue ich dir/ euch gerne auf die Finger :)

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  7. Oh wie schön, deine Bilder! wir haben hier in der Toskana auch gerade in Feigen und Brombeeren geschwelgt... Liebe Grüße aus dem Süden von Miz 356

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  8. Oh wie schön, deine Bilder! wir haben hier in der Toskana auch gerade in Feigen und Brombeeren geschwelgt... Liebe Grüße aus dem Süden von Miz 356

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