Zu Tisch mit #8... FC

Donnerstag, 7. September 2017


Als einsames, unglückliches Kind habe ich früh meinen Schuttle aus dem Jetzt und Hier entdeckt: das Lesen. Meiner Meinung nach ist nicht die Suche nach Bildung der Hauptbeweggrund um zu einem Buch zu greifen, sondern vielmer ist es der Wunsch der Umgebung, der Realität, dem Alltag zu entfliehen. Tja, und es funktioniert

*Man kann nicht alle Länder bereisen, man kann nicht alle Menschen kennen, wir plagen uns mit dem Altwerden, mit dem Kranksein, mit der Liebe, kein Buch auf der Welt kann das heilen, kann trösten, aber es kann drei Stunden ablenken. * sagt Elke Heidenreich, ebenfalls ein lesendes Kind -  und wir könnten uns nicht einiger sein

Mein Leseausweiß für die Bibliothek in der nächsten Kleinstadt war mein Sesam-öffne-dich ins Exil. Die Bibliothek war erst im Aufbau, sogar anfangs noch mittels Karteikarten sortiert und die Regale für Kinder überschaubar bestückt. Ich las wahllos alles, was man mir anbot - zwangsläufig kiloweise Enid Blyton.

Das erste Buch allerdings, das bei mir Epoche machte, glich einer Offenbarung. Und wurde zum gehüteten Schatz - ich besitze es bis heute. Als jungfräuliches Mädchen schuf mir Federica de Cesco - meinem heutigen *Zu Tisch mit-Gast* - genau zur richtigen Zeit eine Identifikationsfigur. Wie Toyo aus *Das Sternenschwert* wollte ich sein: mutig, unerschrocken, frei, geführt und verbunden mit Drüben, an die große Liebe glaubend und nach ihr suchend. *Seid stark, verdammt nochmal. Lebt eure eigene Freiheit ... * das ist die grundlegende Botschaft vieler ihrer Bücher (von denen ich allerdings nur einen kleinen Bruchteil gelesen habe s.o.). Zuletzt *Die Tibeterin* - ihr erinnert euch vielleicht. Und wer frei und selbstbestimmt sein will, muß Nein sagen können - meine Rede. «Es sollte eine tägliche kleine Gymnastikübung sein, den Kopf zu schütteln. Wer sich immer anpasst, von dem wird das mit der Zeit erwartet.» Man, ja heute speziell Frau, kann nicht oft genug die Kraft üben, Haltung zu zeigen der eigenen Selbstverantwortlichkeit zuliebe!

Die Schweizer Schriftstellerin Federica de Cesco ist mittlerweile 79 Jahre alt und hat unfassliche 85 Bücher geschrieben. Beeindruckend finde ich ihre Disziplin: bis heute schreibt sie täglich 3-4 Stunden. (by the way: ich bin eh davon überzeugt, dass Kreativität ohne Disziplin es zu nichts bringt). Vieles über das sie schreibt, lebte sie auch: sie schaute sich als Weltenbummlerin viele fremde Kulturen an (besonders die indigenen Völker) und ist seit nun 46 Jahren mit ihrem japanischen Mann Kazu verheiratet, mit dem sie nach eigener Aussage unzertrennlich Tag und Nacht verbringt. Das Geheimnis ihrer glücklichen Ehe: *Ich kanns nicht sagen. Fügung. Glück. Wir reden andauernd miteinander.* Ihr Mann macht ihr ein zauberhaftes Kompliment: *Sie ist wie eine Oper*. Ach, ich mag treue Paare, die im Gespräch miteinander sind und neugierig auf die Welt! Und Federica de Cesco ist einer der Gründe, warum das so ist.

Riesig gefreut habe ich mich, als ich entdeckte, dass eine Dokumentation über sie gedreht wurde (einsehbar gestückelt hier bei Youtube). Leider konnte dieser Film so gar nicht meine Erwartungen erfüllen. Überraschend hingegen für mich, wie vielen jungen Mädchen es ganz ähnlich erging wie mir: in Federicas Büchern fanden sie Vorbilder - Frauenfiguren, die ihnen wie Wegweiser dienten, wenn es in dem eigenen Umfeld daran mangelte. Alle eint, dass sie sich dank Federica bestärkt fühlten, auf ihre innere Stimme zu hören. Zu schade finde ich, dass ihr dieser Film so gar nicht nahe kommt. 

Völlig andere Antworten hätten mich interessiert. Die Gelegenheit, bei einem gemeinsamem Essen nachzufragen - hach, es wäre ein absolutes Traumtreffen. So wüßte ich gerne, wer oder was sie spirituell anleitete? Woher stammt die Affinität zum Schamanismus? Die tiefen Bindungen zu einem Pferd, die in ihren Büchern immer wieder auftauchen, sind sie rein ihrer Phantasie entsprungen oder besaß sie je ein Pferd? Welche ihrer Reise ging besonders tief und veränderte sie? Wie war die Zeit bei den Tuareg? Welche Eigenschaft schätzt sie besonders an ihrem Mann? Gibt es ein Buch das sie nun - rückblickend aus dem Alter - anders schreiben würde? Hat sie selbst ein Lieblingsbuch? Auch unter ihren eigenen? Wer inspirierte sie in der suchenden Zeit der Pupertät? Ach, da fiele mir einiges ein, nachzuhaken!

Als begleitendes Essen suchte ich ein Gericht heraus, das der Garten und die Saison anbietet und ich mit viel Genuß sehr ähnlich gerade erst erneut wieder zubereitete: die Polenta aus frischem Mais (hier plus Erbsen) mit Tomaten-Auberginen-Sauce


16 Kommentare

  1. Ja so ging es mir als Kind auch..ich glaube ich habe unsere kleine Dorfbibliothek 3 mal durchgelesen. Sogar Enzyklopädien und Kriegsromane waren vor meinem 10jährigen Ich nicht sicher.

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  2. Ohja, ihre Bücher habe ich ebenfalls verschlungen. Angefangen hat es bei mir mit dem "roten Seidenschal".

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    1. Hier auch! Und "Der rote Seidenschal" war eins meiner Lieblingsbücher!
      LG Alpenveilchen

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    2. oh ja, der rote Seidenschal damit hat es bei mir auch angefangen. Wiederentdeckt hab ich sie dann Mitte 20 mit der Feuerfrau.
      Schade das meine Jungs so gar nichts mit meinen Mädchenbüchern anfangen können. Einzig die Vorstadtkrokodile sind hier auch geliebt.

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    3. @Zorra: Vermutlich war FC in der Schweiz von Anfang an viel populärer?! Aber ja, auch bei mir begann alles mit dem roten Seidenschal. Unfasslich, dass sie das mit 15 Jahren schrieb, oder?

      @Alpenveilleichen und Constanze: ach schön! FC - das verbindet irgendwie, findet ihr auch?

      Allerdings las ich *Der rote Seidenschal* nochmals viel später und war überrascht, wie schlicht und einfach ich die Bilder fand, die als junges Mädchen eine ganze Welt vor meinem geistigen Auge entfachen konnten...

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  3. Jetzt mal abgesehen von dem wunderbar aussehenden (und sicher auch schmeckenden) Polenta/Auberginen-Gericht.....deine Fragen
    an F.de Cesco sind hochintressant und es waere doch eine Idee
    ihr diese schriftlich zu stellen?

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    1. Danke für deine charmante Anregung, Mumbai - jedoch auf dem Boden der Tatsache bleibend, mache ich mir wenig Hoffnung, dass eine derart bekannte Schriftstellerin einer kleinen Bloggerin wie mir ihre Aufmerksamkeit schenkt. Aber hey, einen Versuch wäre es wert - allein aus echter Neugier auf die Antworten :)

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  4. Wie gerne säße ich mit in dieser Runde bei Tisch! Übrigens eine interessante (schöne) Vorstellung, dass ein und das selbe Buch (von den de Cesco Büchern gab es nämlich mit Sicherheit nur ein Exemplar je Buch in besagter Kleinstadtbücherei) in deinen und in meinen (ebenso einsames Mädchen) Händen lag, und wir gleichermaßen ihre Erzählungen inhaliert und irgendwo verinnerlicht haben... und heute, Jahrzehnte später, voneinander erfahren... Übrigens die Zentner Enid Blyton haben wir doch alle schadlos verdaut (hoffentlich)! Bei mir gab's dann noch eine ausgeprägte "Bille und Zottel" (Tina Caspari) Phase ;-).. gab's die bei dir auch? Und: Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Frau de Cesco deine Einladung annimmt und sich leibhaftig bei euch an den Tisch setzt.

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    1. Liebe Hannah, am Tisch ist genug Platz für nette Gäste! Und *hihi* na klar, *Bille und Zottel* hoch und runter. Alles mit Pferden ging ja sowieso IMMER ;)
      Und von Enid habe ich, glaube ich, alles genauso wieder vergessen, wie ich es gelesen habe. Aber so unter uns: ich hatte sogar mal eine Phase mit *Denise-Romanen* - krasser Trash - man darf es eigentlich nicht verraten :))

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  5. Ein sehr berührender Text, herzlichen Dank. Ja, lade sie doch ein, diese Wundervolle und unvergänglich Schöne, samt Mann und Katze. Und uns alle, die wir mit Federica groß und stark geworden sind, bitte auch. Ich unterhalte mich dann mit dem Mann (und der Katze) ... manu

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    1. Wie schön, so viele FC-Fans zu versammeln. Lauter Mädels, in denen sie hoffentlich einen Funken entzünden konnte, den das Leben nur noch anschacherte! Nimm nur auch Platz, Manu, aber Nebengespräche an einem Tisch finde ich fürchterlich - lieber eine große Runde, die alle miteinander reden!

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  6. Irgendwann muss ich dich doch mal besuchen kommen, ich glaube fast wir haben mehr gemeinsam als wir während der Schulzeit dachten...Ich hab die Bücher auch verschlungen.

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    1. Also auch ein FC-Fan! Wie schön! Schade, Constanze, dass du deine Buben damit nicht füttern kannst. Aber ein Versuch wäre es wert, oder? Ach, die Schulzeit - so nebulös wie aus einem anderen Leben... oder wie nicht mein eigenes Leben - wir hatten es ja schon davon!

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    2. Naja, der größte ist ja "erst" elf, ich hab die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, mein Mann hat auch erst spät mit dem Lesen angefangen, bei ihm war es die unendliche Geschichte, die ihn in den Bann zog und ihm die Tore zu dieser besonderen Welt öffnete.
      Ach so, ich habe mich heute an einem Brot mit echtem Sauerteig probiert, ist es normal, das der Teig nicht so wird wie ein Hefeteig? Ich habe gefühlt ein Kilo Mehl noch in den Laib eingeknetet, bis es sich zu einem Laib formen ließ. Im Moment sieht es wohl so aus, als gelänge es, aber mich hat es überrascht.

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  7. Dass ich ihre Bücher geliebt habe, weißt du ja :-) und neben den Tonnen an Pferdebüchern (inklusive Bille und Zottel natürlich) habe ich immer Bücher mit starken Heldinnen bevorzugt. Die Romanreihe über Alanna von Trebond von Tamora Pierce lese ich heute noch gerne. Ihr Mut, aus Rollenbildern auszubrechen und Abenteuer zu erleben, hat mir imponiert. Und daran, das diese Bücher auch heute immer wieder neu aufgelegt werden, sieht man doch, dass starke weibliche Vorbilder weiterhin gefragt sind - und wenn ich mir die "Rosafizierung" kleiner Mädchen ansehe, ist das wahrscheinlich auch notwendig!

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