Sommerkruste

Montag, 2. Juli 2018


Wie alles, das man über längere Zeit macht, finden sich Rituale ein. In unserem doch sehr freien Leben zumeist selbstausgesuchte, selbstinszenierte Rituale.

So bereitet mir eine Wiederholungstat soviel Freude, dass ich nicht müde werde, sie auf unserer Terrasse aufzuführen und wieder aufzuführen und nochmals aufzuführen: das kleine Pflanzen-Kind-Rendez-vous. Dafür zupfe ich in einem unbemerkten Moment ein Blatt von einer Pflanze ab, die auch ganz nahe in einem Beet bei unserem Tisch steht, und streichle einem Kind damit über die Wange. *Schön, oder?* sage ich dann und dabei blicke ich in leuchtende Augen. Alle kleinen Zwuggelköpfe nickten seither dazu.

*Was meinst du,* frage ich, *wie könnte die Pflanze heißen?* *Hmmm*, stehen sie dann vor mir und es rattert sichtbar im Klein- sowie Großhirn. Zauberhafte Vorschläge sind schon zusammengekommen und ich sammle eifrig weiter. Obwohl vor uns andere ebenfalls gute Ideen hatten. Darunter habe ich mir *Eselsohr* oder *Hasenohr* ausgesucht. Und das Lustige bei der Auflösung ist - gleichfalls für die Kinder - dass es bei der Namensgebung durchaus Überschneidungen gibt mit dem Französischen (*Hasenohr*) sowie weitere Assoziationen wie *oreille d'ours* = *Bärenohr*. Wie einig sind wir uns stets, dass das ebenso gut passt wie *Teddy-Pflanze* oder *Kuschel-Pflanze*. Ein Blatt vom Wollziest ist an Weichheit und Zartheit kaum zu Überbieten. Und es scheint wie einen Übergang zum Tierreich zu markieren, so als *Fell-Pflanze* (unter den vorgeschlagenen Namen). Ja, sie erinnert daran, dass alles irgendwie zusammengehört, miteinander verwandt ist und auseinander hervorgeht auf diesem Planeten vom Stein über die Pfanze, den Tieren und den Menschen.

Gleichzeitig gibt nun der Zeitgeist vor, dass sich alles miteinander vermengt und vermischt. Nicht nur ein vereinzelter Tourismus verteilt Samen in fremde Regionen, nein, in großen Windböen verbreiten sich die Arten in allen Himmelsrichtungen über die gesamte Erde. Neben einem Artensterben vermischt sich das Übriggebliebene unter einem sich wandelnden Klima. Das kann man gut finden oder nicht: es ist so. Das ist der jetzige, geschichtliche Ablauf.

Solche großen, tiefgreifenden Veränderungen können Ängste wecken, aber sie gehören zum Leben untrennbar dazu. Und sie bahnen sich ihren Weg - im Großen wie im Kleinen. In Europa kann man beobachten, was Politik zu derartigen Entwicklungen einfällt: Schüren und Vermehren von Ängsten, Abgrenzung, Zäune, Mauern, Abweisung. Und vor allem höre ich immer nur *Lager* - ganz mit Maximilian. Neuerdings nun euphemisiert mit *Zentren*.  Untertitelt mit: *Wir brauchen humanistische Lösungen*. Ja? Tatsäschlich? So geht heute Menschlichkeit? Empathie? Miteinander? *Eine-Welt*? Politik über die Staatsgrenzen hinweg? Indem man festlegt, dass in Bereichen, in denen Menschen mit mehr Geld leben, Menschen mit weniger Geld nichts zu suchen haben?

Damit will ich nichts zu tun haben. Wo ist mein felliges Pflanzenblatt zum Trösten? Und wo sind die anderen Weltenbürger?

Nebenher habe ich Brot gebacken. Ihr merkt vielleicht, dass wir deutlich weniger Brot essen durch unseren Porridge-Start in den Tag. Mittlerweile backe ich nur noch etwa alle 10 Tage. Dieses Brot habe ich gleich zwei Mal gebacken: es entspricht ganz meinem Sommergeschmack. Es ist etwas heller, luftig und hat trotz der Trockenheit der Sonnentage eine gute Frischhaltequalität dank Kartoffeln, Kefir und langer, kalten Führung.


Zutaten:

Sauerteig: angestetzt ca. 12-14 Stunden vorher bei ca. 24°:
200g Dinkel-Vollkorn
220g Wasser
20g Weizen-ASG (aufgefrischt)

Hauptteig:
Sauerteig
350g Weizen T110
400g Weizen T65
200g Kartoffeln, gekocht
200g Kefir
16g Salz
+/- 170ml Wasser


Zubereitung:

Sauerteig auffrischen (m: mittags, s.o.), Sauerteig ansetzen (m: abends).

Kartoffeln fein reiben. Die Zutaten des Hauptteiges kurz miteinander vermengen (ohne Salz und mit 140ml Wasser)  und ca. 45 Minuten zur Autolyse stellen - dabei abdecken.

Salz zufügen und schlückchenweise rantastend das restliche Wasser (um die 30 ml, sollte von der Konsistenz beim Falten wieder genügend Stand bekommen/ Konsistenz wie hier) und 12 Minuten kneten. Dann Teigruhe von etwa 1 1/2 - 2 Stunden. Direkt 1 x Falten nach Umfüllen in geölte Schüssel. Dann weitere 2 Mal nach je 30/40 Minuten.

Den Teig zu zwei runden Teiglingen formen und mit dem Schluß nach unten in ein vorbereitetes Gärkörbchen verfrachten. Für mehrere Stunden in den Kühlschrank stellen - nach Hamelman ist folgende Gare möglich: 12-15 Std. bei 5-7° im Kühlschrank oder ca. 2-2,5 Std. bei 20-25° (m: dieses Mal 5 Stunden im Kühlschrank gelassen und 30min bei Raumtemperatur akklimatisieren lassen). Meinen Zeitfahrplan für die lange kalte Führung seht ihr hier.

Ofen mit Pizzastein auf 240° vorheizen. Mit Dampf einschießen und fallend 45-50 Minuten backen - für eine knusprige Kruste noch einige Minuten bei Umluft mit geöffneter Tür.


9 Kommentare

  1. ja, so ein bisschen Wollziest in jedem Garten, das wäre schon gut....
    Ich als Weltenbürgerin kann im moment nur im Unverständnis den Kopf schütteln, was in unserer Welt gerade vor sich geht.

    Ich sollte mir mal wieder einen Sauerteig heranziehen - mal sehen, ob ein in der Schweiz angesetzter Sauerteig anders schmeckt als einer, der in Frankreich oder Südafrika gestartet wurde ;-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das tut mir gut, wenn jemand mit mir den Kopf schüttelt. Schlimm! Man möchte den Planeten wechseln und nicht mehr zum Geschlecht der Menschen zählen....

      Und ja Weltenbürger Sauerteig, schön gesagt, Cornelia :-)!

      Löschen
  2. Eine tolle Krume, bestimmt super lecker.

    Lieben Gruß
    Dagmar

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Du siehst, Dagmar, ich verlasse mich immer auf den gleichen Pfad - ganz nach *Never change a winning team*. So kann eigentlich - für mich - nicht viel schief gehen beim Brotbacken. lieben Gruß zurück...

      Löschen
  3. Ich dachte schon ein paar Mal:"Bäckt sie denn gar nicht mehr?" Jetzt bin ich ja beruhigt;)
    Schönes Sommerbrot, lockere Krume, Kartoffel, Kefir, ganz mein Geschmack!
    Ich backe im Moment gern die hellen Brote mit Rosinen-Hefewasser von Dietmar, meist das Olivenbrot ohne Oliven, das hat Poren! Kann ich wirklich empfehlen, das Hefewasser macht sich von allein, ganz easy.

    Liebe Grüße
    Ulrike

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Da streust du mal wieder Salz in offene Wunden, Ulrike!
      Weißt du, wie lange eben für ein solches Hefewasser Rosinen gekauft in der Küche liegen? Ein 3/4 Jahr. Und irgendwie bekomme ich mich einfach nicht aufgerafft, damit loszulegen. Vielleicht nehme ich jetzt deinen Kommentar als Rückenwind (*drück mir die Daumen* ;-) mit lieben Grüßen...

      Löschen
    2. Ja, mach ma. Morgen sind bei euch 31 Grad, perfekt für die wilden Hefen;) Einfach irgendwo in die Ecke stellen. Ich mache sie übrigens nicht in der Petflasche, sondern im Bügelglas und lasse immer mal Druck ab. Hat ihnen bisher nicht geschadet. Schön ist, dass man sie nicht dauernd auffrischen muss, für das Brot im Juni habe ich drei Wochen altes Hefewasser genommen. Und sehr geduldig ist der Teig auch, kannsz sehen, was ich mit dem schon anstellen musste (http://www.homebaking.at/olivenbrot/ ) und die Brote sind trotzdem was geworden. Passt sicher gut in deinen Tagesablauf.
      Ich drücke die Daumen ;)
      Ulrike

      Löschen
  4. Ohja, eines meiner Lieblingsthemen: Pflanzennamen, ihre Herkunft und Bedeutung und die vielen verschiedenen landsläufigen Namen...
    Bei deinen Brotrezepten gucke ich immer nur bewundernd (auch hier: So ein wunderschönes Foto!!!) - das Backwerk sieht wunderschön aus, aber schon die Zutatenliste liest sich für mich wie ein Geheimcode, den ich nicht kenne (ASG, auffrischen etc.) Du merkst, ich backe kein Brot, liegt aber auch daran, dass wir erstens auch nicht so viel Brot essen und zweitens wirklich an der Quelle zu wunderbarem Körnerbrot sitzen ;-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja, Hannah, wenden wir uns den Pflanzen zu - da geht es entschieden friedlicher, anständiger und freundlicher zu als der übergeordneten Familie der Menschenrasse, zu der wir uns zählen müssen...
      Und Brotbacken ist einfach nochmals ein Thema für sich. Gerade deutsche Expats wissen besonders gut, wovon ich rede (#Heimatgefühle :-) liebe Grüße...

      Löschen

Für Kommentare gilt: die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) wurden an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.