Paris ist weit weg 1: Kürbis-Risotto mit bulettes de légumes d'été

Donnerstag, 19. September 2019


Als Auswanderer lässt sich nicht vermeiden, dass uns die kulturelle Andersartigkeit zwischen Frankreich und Deutschland immer wieder auffallen muss (#Europa und seine Vielfalt). Viele, viele Erlebnisse sammeln sich im Laufe der Zeit, die diese Unterschiede der Nachbarländer gut veranschaulichen. Ja, eigentlich könnte ich eine Serie daraus machen.... mal sehen.

Typisch für das ländliche Frankreich ist die Einstellung: *Paris ist weit weg*. Damit bringt man zum Ausdruck, dass vor Ort die Dinge stets anders aussehen - und man in französischer Freigeist-Manier darauf eben dementsprechend reagiert. Was ein KOLLOSALER Unterschied der zwei Länder darstellt - das bestätigen uns Deutsche wie Fränzis. In Deutschland ist ein Gesetz ein Gesetz, eine Verordnung eine Verordnung und Recht muss Recht bleiben. In Frankreich auf dem Land nimmt man davon vieles eher wie eine Art *Vorschlag*. 

Super Beispiel hierfür sind die Zebrastreifen. Deutsche Feriengäste beschwerten sich schon bei uns darüber, dass die Autos ja gar nicht zuverlässig anhalten würden für Fußgänger. Stimmt. Weil ein Zebrastreifen beidseitig eher wie ein *Angebot* wahrgenommen wird. Hält aber ein Auto - was quand même schnell passieren wird - und läßt einen Fußgänger die Strasse überqueren, dann erhält dieses dafür üblicherweise ein Lächeln und ein Winken. Ist ja schließlich keine Selbstverständlichkeit sondern ein Entgegenkommen und damit eine nette Geste. So entsteht durch das Anhalten zwischen Autofahrer und Fußgänger eine kleine, charmante Interaktion.

Bref, sämtliche hochobrigen Erlasse nimmt man hier lässig wie ein Handwerker: *Sitzt, passt, wackelt und hat Luft*. Rechts und links neben sämtlichen Gesetzen gibt es immernoch ein bißchen Platz und Spielraum. Man muss halt schauen. Dadurch entstehen viel Möglichkeiten für individuelle Entscheidungen auf kommunaler Ebene (und das meine ich, wie ich es schreibe!).

Als nächstes Beispiel führe ich unser Treibhaus auf. Wir hatten ein kleineres mit Plastikfolie, ersetzten dieses aber vor Jahren durch ein etwas größeres (und teureres!) aus Stegplatten. Auf ein Mal hieß es - zu unserer Überraschung -, wir bräuchten dafür einen Bau-Genehmigung. Das Ende vom Lied war gar, dass uns diese versagt wurde und stattdessen eine Abrissverfügung ins Haus flatterte. In der Nähe eines bâtiment historique (unsere kleine, romanische Dorfkirche) würden besonders strenge Bauauflagen gelten und unser Treibhaus wäre trop brillante (zu glizzernd) und damit zu auffällig.

Der Habib - lange genug in Frankreich und zudem von Natur une âme rebelle - begann in einer waghalsigen Aktionen (man berechne zu der Höhe der Stützmauer am Hang die Höhe des Treibhauses) gen Süd- und Talseite einen Zaun am Gewächshaus hochzuziehen und befestigte an ihm Camouflage-Netze. Gleichzeitig begannen wir von unten das Treibhaus zu begrünen mit der Idee, dass die Pflanzen irgendwann die Tarnung übernehmen anstelle von dem garstigen Militärbedarf (der jedem Pazifisten zuwider sein muss).

Um die Geschichte abzukürzen: die Tarnnetze sind mittlerweile verwittert und viele Pflanzen (von Glyzinie über Jasmin, eine Dashi-Birne, ein Granatapfel uswusf.) kaschieren und beschatten anmutig unser Treibhaus. Tja, und alles, was drei Jahre steht, hat in Frankreich automatisch Bestandsschutz. *Tsss, soweit kommt es noch*, meinte ein Nachbar, der selbst zwei Treibhäuser neben seinem Kuhstall stehen hat und sich unseres in der kritischen Phase anschaute, *wir reißen doch hier keine Treibhäuser ab.* Damit ist alles gesagt. Die Geschichte wurde stillschweigend und unabgesprochen von beiden Seiten einfach ausgesessen.

Und Kinners, machen wir uns nichts vor: in Deutschland ist eine Abrissverfügung eine Abrissverfügung. Da könnte ja sonst jeder kommen. Außerdem sind im Computer Ausnahmen nicht vorgesehen...


Beim Verzehr dieses Gerichtes dachte ich mal wieder selbstverliebt: *Ach, wie schön, dass ich für mich selbst koche!* Eines dieses Ausversehen-vegan-Gerichte, denen nichts fehlt, die aber alle Geschmacksknospen dazu bringen, aus voller Inbrunst: *Feiertag!* zu rufen! Bref: Superlecker! Gerade die Konsistenz der Bällchen finde ich schön ungewöhnlich und sie lassen sich vielseitig kombinieren: ob zu Pasta, fürs Buffet oder was euch sonst einfällt.

Die Inspiration zu den *bulettes de légumes d'été* fand ich übrigens auf diesem französischen Blog. Aber die Erfahrung lehrte mich, verlasse dich nie auf französische Rezepte - schon gar nicht, wenn sie wie offen zugegeben *au pif* (frei Schnauze) zubereitet wurden...

Zutaten - 2 P:

1 Schalotte
2 Knoblauchzehen
150g Risotto-Reis (m: Halb-Vollkorn)
300g Butternut
2 Lorbeerblätter
Weißwein
Gemüsebrühe
Salz, Pfeffer
1 Pr Zucker
(optional 2 EL Ofentomaten)
Piment d'Espelette
1/2 TL Ras el Hanout

250g Zucchini (m: gelb)
250g Aubergine
50g Paprika
1 EL Sellerie
1 EL Basilikum
Piment d'Espelette
Pimenton de la verra
Salz, Pfeffer
30g Reismehl
30g Semmelbrösel
2-3 EL Gemüsebrühe
 


Zubereitung:

Das Gemüse für die Bällchen klein würfeln - etwa 1/2-1cm und mit der Gemüsebrühe und geschlossenem Deckel weich garen. In ein Sieb schütten und mit Hilfe eines großen Löffels gut ausdrücken. Die frischen Kräuter klein schneiden und zusammen mit dem Gemüse pürieren. Die Gewürzen sowie die restlichen Zutaten untermischen. Auf feuchten Händen 18 etwa Tischtennisball große Bällchen formen und diese auf ein eingeöltes Backblech (oder eine Gratinform) setzen. Die Konsistenz darf und soll durchaus noch recht weich sein - im Ofen durch das Backen werden sie mehr Festigkeit erhalten.

Bei 180° (Umluft) ca. 25min backen.

Parallel das Risotto zubereiten. Dafür Zwiebel und Knoblauch fein hacken. Den Kürbis schälen und in Würfel von etwa 1/2 cm klein schneiden.

Schalotte und Knoblauch in Olivenöl andünsten, den Reis zufügen und ebenfalls kurz mitbraten. Dann Kürbis und Lorbeerblatt zufügen und den Wein anschütten. Kurz einreduzieren lassen. Die Gemüsebrühe nach und nach anschütten, dabei stets rühren. Aufpassen - was gerade gen Ende leichter passieren kann -  dass das Risotto nicht anhängt. Abschmecken und mittels Gemüsebrühe die richtige-schlonzige Risotto-Konsistenz herstellen.

Am Ende Lorbeerblätter entfernen und würzig abschmecken. Wer mag, gibt noch einen Stich Butter oder etwas Mandelmus dazu. Für mich war das Risotto aber bereits durch den zerfallenen Kürbis perfekt cremig. Zusammen mit dn mediterranen Bällchen servieren.

Bei uns gab es dazu einen Gurkensalat.


10 Kommentare

  1. Ha! Wusst' ich es doch.....tief im Inneren bin ich Französin! Ich nehme hier in Deutschland auch sehr vieles als Empfehlung. Bisher hatte ich meist Glück damit 😉

    Deine bunten Bällchen sehen übrigens sehr verführerisch aus ☺️

    Lieben Gruß 😘

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    1. Dann, Hanne, hast du die Nase vorn, was das *Savoir-Vivre* angeht. Wie so oft vermisst man als Deutscher aber wiederum schon die astreine Struktur und Verlässlichkeit, die im Gegenzug Deutschland zu bieten hat. Leider kann man halt nicht beides gleichzeitig haben...

      Und die Bällchen SIND verführerisch ;-)
      liebe Grüße zurück!

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  2. Liebe Micha
    Was lese ich da gerade in meinem Roman:"mobile Radarfallen gibt es bei Nacht nicht. Auch französische Polizisten wollen schlafen".
    Wenn das nicht passt.
    Und als nächstes muss ich unbedingt deine Bällchen machen. Ganz liebe Grüße Lotte

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    1. Schön, oder Lotte, wenn Menschlichkeit über Profit steht. Leider gilt das nicht wie ein Rundumschlag für alles hier im ländlichen Frankreich. Aber dass überhaupt mal solche Ausnahmen zu finden sind...
      Sag mir, Lotte, ob euch die Bällchen auch geschmeckt haben. Bestimmt ebenfalls zu supi zu Nudeln... gut, was schmeckt nicht mit Pasta ;-)?
      herzlich zurück...

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  3. So darf der Herbst weitergehen, mit deinen tollen Rezepten, genau mein Geschmack, ich frag mich nur was die zweite Person essen soll!!!?
    Wird ganz schnell nachgemacht.
    Liebe Grüße,
    Jesse-Gabriel

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    1. Sehr charmant, Jesse-Gabriel :-) Und doch ja, bei dem Gericht kann man ganz herzhaft auch für zwei essen!
      liebe Grüße zurück...

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  4. Ein Grund mehr, Frankreich zu lieben ... und warum ich auch eher nach Frankreich gehöre. Mir widerstrebt dieses unreflektierte Sich-an-Regeln-und-Gesetze-halten und vor allem diese Überregulation.

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    1. Da sagst du was, Sarah! Ich glaube, gerade diese Überreglementierung in Deutschland erträgt man als Expat wenig bis überhaupt nicht mehr...

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  5. Ich winke auch in D Autofahrern, die für mich am Zebrastreifen anhalten. Aber schon schön, wenn das Leben etwas weniger reglementiert ist, bzw. Lücken finden. Ich weiß schon, warum ich insgeheim gern in F leben würde. Essen und Lebensart sind ganz meins. :-)

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  6. Liebe Micha, da sind wir mal fünf Tage unterwegs und ich nicht am heimischen Herd ;-) - Kochen sehr improvisiert und mit einer überschaubaren / mitnehmbaren Auswahl an Zutaten, und da kommst du mit so einem Gericht!!! Das musste baldmöglichst nachgekocht werden. Sozusagen sofort, als erste Mahlzeit wieder daheim. Fast. Morgens gab's Frühstück. Ein festliches Ankommenessen. Danke für dieses feine wie irgendwie besondere (Konsistenz, Zubereitung der Bällchen) Gericht sagt Hannah

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