Kunstbetrachtung: Gnocchi alla romana mit Tomaten-Fenchel-Sugo

Dienstag, 18. Februar 2020


Entgegen dem Trend einer Handy-App den Vorzug zu geben, hänge ich immernoch an meinem Taschenkalender, meinen sogenannten *Terminator*. Stets vom gleichen Hersteller. Jedes Jahr begleitet mich darin ein anderer angeschwärmter *Kalenderspruch* (volle Team #Kalendersprüche - ihr wißt Bescheid). Und allerspätestens nach einem Jahr habe ich diesen dann für mein restliches Leben verinnerlicht.

In einem Jahr lautete er - übernommen von einem befreundeten Psychoanalytiker: *Der Irrsinn beginnt dort, wo du an deiner eigenen Wahrnehmung zweifelst*. BÄM, oder, ein Faustschlag von Satz! Ohne funktionierende Sinne, die zu einem Urteil finden, wird es zweifelsfrei schwierig. NOCH schwieriger. Für nahezu sämtliche Tiere ist der störungsfreie Einsatz ihrer Sinne existenziell wichtig: sei es um zu Nahrung zu finden, sei es, um nicht selbst zu solcher zu verkommen. Nur wenige Tiere können es sich leisten, dumpf in der Sonne vor sich hinzudösen - wie etwa domestizierte Tiere. Oder Löwen.

*Wer sich auf andere verlässt, ist selbst verlassen* knüpft ein anderer Spruch an ersteren an. Er weißt ebenfalls darauf hin, dass man zuerst einmal SELBST hinschauen und hinhören sollte - der Eigenständigkeit zuliebe. Gut, überdreht in die andere Richtung droht die Gefahr der Verblendung oder des Verrennens als Mensch. Es ist halt kippelig. Doch es nützt nichts: wer zu einem gesunden Selbstvertrauen finden will, braucht unabdingbar eine verlässliche Wahrnehmung. Und ein mündiger Mensch hat nun mal urteilsfähig zu sein. Sonst macht er nur das Äffchen. Oder den Wahnsinnigen.

Wunderbar lässt sich das sowohl demonstieren wie üben, wenn es um eigentlich nichts geht, nämlich um Kunst. Denn komischerweise habe ich den Eindruck, dass viele heutzutage auf Kunst verschüchtert reagieren. Warum? Dafür braucht es weder Mut noch Studium. Lediglich einen lautgemachten Eindruck, eine artikulierte Position, eine eigene Haltung. Geht doch nix kaputt dabei!

Das weiß ich quasi aus erster Hand. Gestaltete sich das Studium an der Aka sehr easy, so war doch die abschließende Kunstgeschichtsprüfung richtig happig. Und zwar wurde u.a. zum mündlichen Abschluß unter der großen Fülle aller Epochen die Themen Malerei, Skulptur, Architektur und Fotographie derart abgefragt, als dass drei Dias (ganz oldschool) an die Wand geworfen werden und wenns ideal läuft, kann man sagen: was-wer-wann. Das bedeutet folgerichtig, dass man in der Vorbereitung genötigt ist, sich sehr umfassend mit allen Richtungen von Kunst auseinanderzusetzen. Dabei stellt sich dann en detail raus, dass man wirklich - beim besten Willen -  nicht mit allem etwas anfangen kann. Hey, und das ist totally okay. 

Bei Beuys beipsielsweise bin ich komplett raus. Keine Ahnung wie der Hamster zu seiner Stellung kam - durch mich bestimmt nicht. Gerne dürfen irgendwelche Experten versichern, dass sein Werk für sie trotzdem Kunst ist. Aber eben *für sie*.

Denn brechen wir Kunstbetrachtung mal runter auf das, was es ist. Es ist - im besten Fall - eine individuelle Auseinandersetztung von einem Subjekt (Mensch) mit einem Objekt (künstlerischem Gegenstand). Einzelschaffender präsentiert Einzelperson seine Arbeit. Sodele, und entweder findet dabei ein Austausch statt, also spricht einen das, was man anschaut (liest, hört, riecht...) irgendwie an. Oder eben nicht. Wie im echten Leben. Immer alles möglich. Aber völlig UNMÖGLICH ist, sich mit allem und jedem auseinandersetzen zu wollen. Und wer verlangt, dass man das muss? Dafür ist Welt zu manigfaltig und definitiv zu dicht besiedelt. Wer das Gegenteil behauptet, lebt im Reich der Utopie. Eigentlich kann man sogar sagen, dass jede Auseinandersetzung im Guten bereits einem kleinen Liebesakt gleichkommt. Denn mit wieviel Menschen setzt man sich auseinander? Eben. Hauptsächlich winkt man sich doch gegenseitig durch. Weil... siehe oben.

Ich fasse zusammen: wie großartig ist es, wenn man überhaupt *Kunst* begegnet, die einen irgendwie berührt, die einen innerlichen Prozess anzustoßen vermag. Niemand veranschaulicht hübscher als Stefan Draschan, dass manche Bilder anscheinend wie gemacht sind für ganz bestimmte Betrachter (kleiner Ausschnitt). Oder umgekehrt. Betrachter für Gemälde. Zumindest für diesen Augenblick. Ob nun Zufall oder Kismet - das mag jeder selbst entscheiden...


Die cremigen Polenta-Taler zusammen mit dem kräftigen Sugo haben uns allerköstlichst geschmeckt - das wird ein Rezept, auf das ich in Zukunft immer wieder zurückgreifen werde... ohne die Lust zu verspüren, daran auch nur irgendetwas zu verändern. SO lecker!

Zutaten 2P:

100g Maisgrieß (m: Instant-Polenta)
200g Milch
200g Gemüsebrühe
1 TL Thymian, getrocknet
Salz, Pfeffer
1 Stich Butter
2 EL Parmesan, gerieben

Sugo:
2 Fenchelknollen (ca. 500g)
1 rote Zwiebel
2 Knoblauchzehen 
1 TL Fenchelknolle
400g Ofen-Tomaten*
1 Schuß Portwein
1 Schuß Rotwein
Harissa
1 Pr Zucker
1 EL Rosmarin, fein gehackt
1 EL Kapern
2 EL Mais
(optional: Balsamico-Reduktion)
Olivenöl

Zubereitung:

Milch mit Gemüsebrühe und Thymian aufkochen, den Stich Butter zufügen, dann die Polenta unter stetigem Rühren klümpchenfrei einrießeln lassen. Etwa 2-3min köcheln lassen. Zuletzt den Parmesan unterrühren und nochmals mit Salz und Pfeffer abschmecken. In eine geölte Form füllen und glatt streichen und mindestens 2 Stunden auskühlen lassen (m: abgedeckt über Nacht).

Am nächsten Tag mit einem Ausstecher (m: 6cm Durchmesser) dicht an dicht Kreise ausstechen.

Für das Sugo die Zwiebel fein würfeln, den Knoblauch ebenfalls. Den Fenchel putzen, halbieren, vierteln und vom Strunk befreien. Dann in sehr feine Streifen schneiden.

Zwiebeln in Olivenöl glasig dünsten, kurz vor Ende den Knoblauch zufügen, dann den Fenchel mitrösten und schließlich mit dem Fenchel 5min weiter braten.

Nun Ofentomaten, Rosmarin, Harissa und Port wie Rotwein untermischen. Das Sugo etwa 25-30min sanft offen köcheln lassen. Salzen, pfeffern und mit einer Prise Zucker (und wer hat Balsamico-Reduktion) abschmecken. In eine Gratin-Form umfüllen und die Polenta-Taler darauf setzen.

Ofen auf 210° (O/U-Hitze) vorheizen.

Zusätzlich das Gratin mit etwas geriebenem Parmesan und etwas Thymian bestreuen und mit Olivenöl beträufeln. Für 15min in den Ofen schieben.

Inspiration: Brigitte

*Anmerkung m: gut gefällt mir die Idee die Ofentomaten durch eine Mischung aus geschälten Dosen-Tomaten, getrockneten Tomanten und etwas Tomatenmark zu ersetzen - diese Kombi intensiviert den Tomatengeschmack.



4 Kommentare

  1. Liebe Micha,
    das ist so schön, was du da über Kunst geschrieben hast, das hast du so schön auf den Punkt - und mich lange zum Nachdenken - gebracht ! Liebe Grüße von Simone

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    1. Dein Kommentar, liebe Simone, finde nun wiederum ich sehr schön - ich freue mich, dass wohl zwischen uns ein Austausch stattgefunden hat. Das sind die kostbaren Perlen-Momente... im Leben wie beim Bloggen :)

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  2. Liebe Micha, da kann ich wieder einen langen Text hinzufügen oder kürzer sagen: In den bisher 8 Jahren voller Krankheit hat uns beide die Kunst gerettet, Malerei, Theater, Musik. Wir waren in den letzten 10 Jahren in JEDER Ausstellung des Kunsthauses Apolda (mal googeln, lohnt sich), wir besuchen die Kunstation Kleinsassen regelmäig, obwohl beides Fahrten von 180-220 km sind. Und wir stehen schwiegend vor den Bildern und einer von uns meint etwas zu sehen, dem anderen zu zeigen, und schon ist eine Diskussion im Gange. Jeder sieht anders, jeden erfreut etwas anderes, jeden trifft das eine oder andere ganz speziell. Nur in der Picassoausstellung im Barberini in Potsdam waren wir uns sofort einige: Siehe Beys...Nein, jedenfalls diese Bilder (seine Frau von vorn, hinten, unten, oben, seitlich...) nein, das war es nicht.Lustig, wie wir das beide sagten. Aber es wäre genauso ok gewesen wie bei Hesse in Berlin oder Lindenberg in Leipzig plus Neue Leipziger Schule: Einer denkt so, der andere empfindet anders, es ergänzt sich. Und keiner würde je versuchen, den anderen von seiner Meinung zu überzeugen. Kunst ist etwas so Intimes. Es gibt im Leben wenig, das su subjektiv empfunden wird. Danke für deinen tollen Beitrag und natürlich das wunderbare Rezept. Herzlich, Sunni

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    1. Wenn Kunst, bzw. ein Künstler das mit seiner Arbeit vermag, dann, liebe Sunni, macht Kunst für mich erst Sinn. Und dann schwingt sich (für meine Begriffe) Kunst über das Kunsthandwerk hinaus. Ansonsten sehe ich es wie du:

      Kunst ist eng verschlungen mit dem Freiheitsprinzip - schlimm, wenn die Kunst einem Diktat von irgendeiner Richtung unterliegt. Ebenso wie die Aufnahme und Auffassung davon. Kunst ist eine höchstindividuelle Geschichte. Ob als Macher oder Betrachter. Und mittlerweile hat sich der Kunstbegriff ja auch schon lange aus dem engen Korsett des Kunstkanons befreit (toller - allerdings kostenpflichtiger Artikel dazu in der Welt: https://www.welt.de/kultur/kunst/plus204124440/Der-Kanon-der-westlich-gepraegten-Kunstwelt-verliert-an-Bedeutung.html) Gut so. Nur schade, dass damit nicht offener und freier gespielt wird... warum fürchten so viele, sie könnten zu einem Kunstobjekt irgendetwas Falsches sagen? Verstehe ich nicht!

      Danke für deinen Kommentar, liebe Sunni, mit herzlichen Grüßen zurück...

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