DUBB: grüner Börek

Mittwoch, 22. April 2020


Ich gehöre zu alljenen, die nur Geschichen erzählen können, die mir irgendwie widerfahren. Meine Geschichten. Geschichten meines Umfelds. Geschichten meiner Zeit. Und gerade passieren ja Dinge - ich bekomme einfach nicht die Augen zugekniffen: in den ersten drei Wochen des Ausnahmezustands hat Frankreich bei 5,8 Millionen Kontrollen 359.000 Bußgeld-Strafzettel verteilt. 

Hilke vom Blog *Mein Frankreich* fasst nicht nur die strikten Regeln der Ausgangssperre zusammen, sondern etwa auch den französischen Bußgeld-Erlaß im Zusammenhang mit dem confinement:

*Zum 29. März 2020 gab es die inzwischen dritte Verschärfung. Die Grundstrafe bleibt bei 135 Euro. Das Bußgeld für die Nichteinhaltung der Maßnahmen erhöht sich bei einem Rückfall innerhalb von 15 Tagen auf 200 € und auf 450 € für die erhöhte Strafe, wenn sie nicht rechtzeitig bezahlt wird.

Wenn es mehr als drei Verstöße innerhalb von 30 Tagen gibt, wird der Verstoß zum Vergehen. Es wird mit einer sechsmonatigen Haftstrafe, einer Geldstrafe von 3.750 Euro sowie einer zusätzlichen Strafe für gemeinnützige Arbeit (TIG) bestraft.

Frankreich überwacht mit Drohnen aus der Luft sowie Zivilstreifen die Einhaltung der Ausgangssperren.*

Ich WILL nicht von Drohnen überwacht werden! Nicht auf der Straße und nicht im Wald! Liebes Frankreich, wir zwei, das war lange Zeit ein großes, amoureuses Abenteuer, aber im Moment haben wir eine Krise!

Und die Geschichte aus unserer Nachbarschaft schiebe ich noch hinterher: Bertrand - aus der Lebensgemeinschaft - pflanzt als Kleinstbauer Biogemüse an. Arbeitend auf einem seiner Felder weit entfernt von den nächsten Häusern, während seine zwei kleine Buben drumherum spielten, wurde er von der Polizei angesprochen: *Was machen die zwei Kinder hier draußen?* Bertrand: *Ich bin alleinerziehend, ich arbeite, die Schulen sind geschlossen.* Polizei: *Sie haben genau 10 Minuten, um die Kinder nach drinnen zu bringen!*

Und jetzt erklärt mir BITTE, dass ich dieses Intermezzo falsch interpretiere! Was passiert nur gerade mit unserer Gesellschaft?
 

Ich komme mir vor wie in einer geschüttelten Schneekugel: alles außerhalb unseres Gartens ist in Auffuhr. Und ich kann nur warten, dass sich das Durcheinander wieder legt. In unruhigen Zeiten sind Rituale eine Festung. Also: lange schon kein DUBB mehr hochgehalten, oder?

Hiermit verweise ich euch zurück auf den Börek. Dieses Mal gefüllt mit halb Spinat und halb Wildkräutern, die so herrlich püschelig wuchern in den grünsten Wochen des Jahres. Und anstelle von einzelnen Schneckchen habe ich eine große gelegt - dabei gilt es zu beachen, dass man die allererste (innerste) Rolle etwas weniger füllt als die äußeren (wegen des engeren Einrollens). Einen weiteren Tipp habe ich noch: hat man mehr als zwei Personen am Tisch sitzen, kann man die Filoteig-Blätter doppelt legen - so sättigt der Börek gleich deutlich mehr... Ansonsten same-same: DUBB!


12 Kommentare

  1. Das liest sich abartig. Geht es um eine Infektion oder geht es um Reglementierung der Gesellschaft. Der Sonnenkönig lässt grüßen.

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    1. ... und wie du das so schreibst, Elvis, kommt mir auch direkt wieder seine Selbstinszenierung nach der Wahl in den Sinn, der Herr Ex-Investmentbanker. Wobei die Kravatte ja auch nur ein Rädchen im Getriebe ist. Schließlich gibt es gerade weltweit Ausgangssperren - zeitgleich. Das ist schon alles irre, oder?

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  2. Oh, an der schweizerisch-deutschen Grenze wurde ein Taubenzüchter mit 100.- CHF/€ gebüsst, weil eine seiner Tauben über den Rhein nach Deutschland geflogen war, sich dort verletzt hatte, und die Finderin ihm die verletzte Taube an einem geschlossenen Grenzübergang in einem Körbchen unter weitest möglicher Einhaltung von social distancing übergeben hatte. Auf der Nachhausefahrt mit dem Fahrrad mit dem Taubenkörbchen auf dem Gepäckträger hielt ihn eine Polizeistreife mit zwei Polizisten an und büsste ihn. Das Vergehen? Warentausch an einem geschlossenen Grenzübergang ist verboten, dabei ist eine Taube ja ein Tier, und nicht eine Ware, weshalb der Taubenzüchter jetzt eine juristische Beschwerde einreichen will.

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    1. tja, das sind so Begebenheiten, die machen mich wortlos... Was soll man dazu sagen? Gleiche Qualität wie s. oben...

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  3. Wie schön und treffend das Bild mit der Schneekugel ist!

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    1. Ich habe diesen Vergleich übernommen von einer Trauma-Therapeutin - brannte sich direkt in mein Bilder-Gedächtnis...

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  4. Leider gelten Tiere als Sache.
    Daher ist eine Beschwerde wenig aussichtsreich.

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  5. Als Mutter eines Kleinkinds kann ich nur sagen, dass sämtliche Politiker und Behörden momentan versagen, wenn es darum geht, auch nur ansatzweise nachzuvollziehen, wie schwierig es ist, ohne Betreuung seinem Beruf nachzukommen. Dauernd heißt es, die Gesellschaften werden zu alt, wir brauchen mehr Kinder – aber diejenigen, die dieser Aufgabe nachkommen, werden komplett vernachlässigt. Ist ja in Deutschland mit dem Betreuungsnotstand grundsätzlich schon schlimm (find mal ne Betreuung ab einem Jahr, trotz Rechtsanspruch, wenn dein Kind nicht zufällig im August zum Wechsel des Kitajahrs 1 wird!), aber gerade ist es wirklich nur ein Trauerspiel. Ganz großer Respekt an alle Alleinerziehenden, die haben gerade die größte A***karte und arbeiten sich momentan wahrscheinlich reihenweise in den Burnout. Ebenfalls entsetzte Grüße, Lara

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    1. In solche Situationen mag man sich wirklich nicht reindenken, Lara! Wobei ich Maß vieler Maßnahmen ebensowenig verstehe wie die Logik dahinter. Warum - das betrifft nun uns - sollen kleine Hotels/ Ferienwohnungen geschlossen bleiben. Die sind das Gegenteil von Massenveranstaltung... Oder..., aber lassen wir das. Wenn man ein Mal drinne ist, im sich aufregen, wird man nicht mehr mit fertig.

      Ich glaube, ich klebe gerade mit dem Blick fest wie bei einem Unfall, bei dem man nicht wegschauen kann. Aber genau das habe ich wieder vor. Man kann's nicht ändern. Und leichterdings schwingt man mit, mit all den *bad vibes*. Wobei man sich - wenn man jetzt etwa die Alleinerziehenden vor Augen hat - sich den Luxus der Ignoranz erst mal leisten können muss...

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  6. Viele Ordnungshüter scheinen wirklich nur schablonenartig denken zu können ohne situative Anpassungsfähigkeit.
    Ich Wunsch euch alles gute!

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  7. Liebe Micha
    Ich melde mich selten in letzter Zeit, auch wenn ich deine Beiträge immer lese und dankbar bin für diesen Ort hier, wo man sich echte Gedanken macht. Meistens fehlt mir schlicht die Ruhe, die nötig wäre meine Gedanken in Worte zu fassen- mit einer Schar Kindern an Tisch und einem auf dem Weg ist selbst im Ausnahmezustand eigentlich nie ruhig...wenn auch trotzdem gespenstisch anders!!!

    Was um und in uns gerade abgeht ist ja in der Tat erschreckend und kann bisweilen Angst einjagen. Schau mal.... https://m.youtube.com/watch?v=0MzkVP2N9rw
    Ich wünsche uns allen die dringend nötige innere Substanz, nicht aufzuhören zu hinterfragen und wachsamen zu bleiben.
    Sei herzlich gegrüsst, Pierina

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