Vertrauensfrage: Frühlingsrisotto mit Knusperspargel

Freitag, 15. Mai 2020


Immer wenn zu sehr mit dem *Begriff* Vertrauen jongliert wird, werde ich hellhörig. Nichts, wirklich gar nichts auf dieser Welt ist derart exklusiv wie Vertrauen. *Trau schau wem* sagt der Volksmund. Haben wir nicht alle schon mal auf das falsche Pferd gesetzt?!

Oder wie formuliert es der grandiose Wilhelm Busch:
*Wer andern gar zu wenig traut,
hat Angst an allen Ecken;
wer gar zu viel auf andre baut,
erwacht mit Schrecken.
Es trennt sie nur ein leichter Zaun,
die beiden Sorgengründer;
zu wenig und zu viel Vertraun
sind Nachbarskinder.*

Es brodelt und kippelt momentan. In vielen Nationen trennt sich die Bevölkerung in zwei Lager: in das, welches ihrer Regierung vertraut und das, welches ihrer Führung misstraut. *Mangelndes Vertrauen ist nichts als das Ergebnis von Schwierigkeiten. Schwierigkeiten haben ihren Ursprung in mangelndem Vertrauen* sagt Seneca. Womit beide Parteien zu verstehen sind. Zumal man Hauptmedien nicht vorwerfen kann, Propaganda zu machen und Politikern nicht, die Masse bewegen zu wollen. So geht das Geschäft. Man kann aber durchaus dem Einzelnen vorwerfen, wenn er nicht kritisch Abstand hält und hinterfragt.

Ich habe keinen Hehl daraus gemacht, dass ich das Aussetzen von Grundrechten als heikles Unterfangen bewerte. Und das weniger aus der aktuellen Situation heraus wie historisch betrachtet: Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat!

Bestimmt schließe ich mich deshalb nicht Protesten gegen eine *Corona-Diktatur* an (ich halte solche Formen des Widerstandes schlicht für Energieverschwendung). Dass es sich bei diesen Versammlungen um lauter Extremos und Verschwörungstheoretiker handelt, kann ich jedoch nicht erkennen. Skepsis ist nicht ungerechtfertigt, es geht schließlich um das elementare Fundament (!), auf das unsere Gesellschaft gebaut wurde. Zumal selbst in politischen Reigen immer wieder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen laut werden - siehe etwa jüngst an der Analyse eines hohen Mitarbeiters des Innenministeriums.

Was mir aber in diesem Zusammenhang einfällt, ist das Buch *Die Welle*, welches wir (wenn ich es richtig im Gedächtnis habe) in der Schule gelesen haben. Die Mechanismen von autoritären Systemen werden wirklich toll (auch schon für Jugendliche) herausgestellt. Zentrales Motiv ist: *wir sind richtig, die anderen sind falsch* - anstellte der Akzeptanz von vielfältigen Haltungen zu einem Thema (à la *andere dürfen anders sein*) wie es für eine demokratisch pluralistische Gesellschaft selbstverständlich sein sollte:  sprich gelebte Meinungsfreiheit. Und das wiederum beobachte ich gerade in der öffentlichen Meinungsdebatte sehr: überall gegenseitiges Kopfschütteln - alles Idioten. Und wo Emotionen hochkochen, macht sich Sachlichkeit sowieso rar. Prima Gelegenheit zum xten Mal auf den zeitlosen Auftritt von Roger Willemsen zu verweisen: *Die Kunst des Streitens in der Mediengesellschaft*.

Außerdem finde ich, sind gerade wir als Deutsche ganz besonders verpflichtet unsere Obrigkeit streng zu beobachten und zu bewerten. Sonst hätten wir aus unserer Vergangenheit nichts gelernt.

Einer unserer ältesten Freunde (alt im Sinne seiner Lebensjahre - er ist 92) schickte uns vor kurzem Bilder der *Großen Depression*, an die er sich als Halb-Amerikaner-Halb Franzose noch gut erinnern kann - ein großes Ereignis mit ebenfalls weltweiten Auswirkungen. Er merkte dazu an, wie schnell die Dynamik derlei Geschehnisse von statten gehen können: ein Dominostein fällt und mit ihm alle anderen. Eines dieser Bilder beeindruckte mich nachhaltig: *Aus Angst, alles zu verlieren, fordern die Menschen von den Banken ihr letztes Guthaben zurück - wie hier 1931 vor dem Berliner Postscheckamt* - eine unüberschaubare Traube an Menschen, die die Zeichen der Zeit zu spät erkannt hatte. Das ist tragisch, oder? Aber ist es das nicht immer, wenn man enttäuscht wurde, wenn eine Täuschung auffliegt. Daher stellt sich mir die Frage: ist nicht jedes entgegengebrachte Vertrauen letztlich eine Glaubensangelegenheit?

Und weil dieser Freund mein Telefonjoker für Geschichte UND Kino ist, verlinkte er uns noch auf diesen charmanten Stummfilm *The Crazy Ray* - wenngleich von nicht umwerfender Bildqualität, so ähnle das durch *seltsame Strahlen* in einen Dornröschen-Schlaf versetzt Paris doch sehr dem Paris, das im confinement verharrt. Wie schön Paris ist! Was ein Cast der Eifelturm! Und wie ruhig und langsam früher Geschichten erzählt wurden... j'adore!


Bei uns werden bereits die Kirschen rot. Alle Spargelliebhaber kennen das Sprichwort: Kirsche rot - Spargel tot. Also stelle ich euch ein letztes Rezept mit Spargel für diesen Frühling vor. Pate stand mir der gleichnamigen Rezepte-Titel - aber umgesetzt habe ich es dann ganz anders. Die Kräuter für das Frühlingsrisotto könnt ihr eurem Geschmack anpassen - ich habe gerade eine ausgesprochene Estragonphase und es würzt mir daher dieses Risotto besonders köstlich!

Zutaten 2P:

500g Spargel (m: grün/ weiß)
1- 2 EL Estragon, feinst geschnitten
4-5 EL Semmelbrösel*
etwas Mehl
1 Ei
Salz, Pfeffer
Piment d'Espelette

1 kleine Zwiebel
2 Knoblauchzehen
170g Risotto-Reis (m: Halb-Vollkorn)
1 Lorbeer-Blatt
2 Blätter Liebstöckel
4-5 Blätter Melisse
2 TL Thymian
2 TL Estragon
Weißwein
(oder Noilly Prat)
Spargel-Fond*
3 EL Parmesan, frisch gerieben
1 EL Crème fraîche
Salz, Pfeffer
etwas Zitronensaft
Olivenöl

Zubereitung:

Spargel schälen, die Enden kappen und je nach Größe der Stangen dritteln. Das oberen zwei Drittel über Wasserdampf garen und zur Seite stellen. Das untere Ende in dünne Scheiben schneiden.

Die Zwiebel un den Knoblauch fein hacken und in Olivenöl andünsten. Den Reis zufügen und die klein geschnittenen Spargel-Enden und ebenfalls kurz mitbraten. Die fein gehackten Kräuter sowie das Lorbeer-Blatt zufügen und mit einem großzügigen Schuß Weißwein ( oder Noilly) ablöschen. Dann nach und  nach den Fond unter Rühren anschütten - so lange, bis das Risotto gar und schlonzig ist.

Parallel den Knusperspargel zubereiten. Dafür das mittlere Stück Spargel wie ein Schnitzel panieren. Ei verquirlen und mit Salz und Pfeffer würzen. Semmelbrösel mit dem fein gehackten Estragon mischen (m: auch 2 EL Parmesan dazugegeben). Außerdem ein Tellerchen mit Mehl richten. Die mittleren Stücke erst im Mehl wenden, dann durch das Ei ziehen und schließlich in den Semmelbrösel drehen. In einer Pfanne Olivenöl erhitzen und die panierten Stücke knusprig braten. Kurz vor Ende auch die Spitzen mit in der Pfanne warm ziehen lassen, diese dabei mit Salz, Pfeffer und einer Prise Zucker würzen.

Nun noch das Risotto final abschmecken. Lorbeerblatt entfernen. Salzen, pfeffern. Mit Zitronensaft abschmecken. Die Crème und den Parmesan unterziehen und nochmals darauf achten, dass die Konsistenz schön schlonzig ist. Zusammen mit dem Spargel servieren.

*Anmerkung m: die Semmelbrösel kann man sehr gut mischen mit Panko oder auch anteilig mit gemahlenen Nüssen oder mit geriebenem Parmesan
den Spargelfond koche ich mir stets aus Spargel-Schalen, einer Prise Zucker und etwas Apfelessig, hier zusätzlich angereichert mit Gemüsebrühe
Der Halb-Vollkorn-Reis braucht eine halbe Stunde um gar zu sein - daher habe ich die kleingeschnittenen Spargelenden erst nach der Hälfte der Garzeit zugefügt

der wilde Thymian färbt ganze Felder lila

3 Kommentare

  1. Liebe Micha,
    ich bin eine begeisterte Nachkocherin deiner gelingsicheren Rezepte und lese auch deine begleitenden, inspirierenden Texte sehr gerne. Wenn du schreibst, dass du bei den sog. Coronademos keine Verschwörungstheoretiker oder Extremos erkennen kannst, muss ich allerdings deutlich widersprechen:
    Von bekannten NPD-Mitgliedern über Holocaustleugner und rechte Publizisten bis hin zu AfD-Mitgliedern tummelt sich allerhand gruseliges Volk auf diesen Demos, an deren Rande bisher schon zwei Kamerateams (von ZDF und ARD) angegriffen wurden (siehe z. B. https://taz.de/Attacke-auf-ARD-Team-bei-Coronademo/!5683537&s=coronademo/ und https://taz.de/Koepfe-der-Corona-Relativierer/!5681132&s=hygienedemo/ ). Auch wenn man den Ausgangsbeschränkungen etc. kritisch gegenüber steht, sollte man darauf achten, mit wem man sich hier gemein macht.
    Natürlich kann ich nachvollziehen, dass diese Situation für viele (Künstler, Selbstständige, berufstätige Mütter etc.) eine große wirtschaftliche Belastung bedeutet, aber es gibt auch genug Leute, gerade auf diesen Demos, die weiterhin ihrer Arbeit nachgehen können und deren einzige Einschränkung ist, für ein paar Wochen ihre Freunde nicht treffen zu können oder ihren Sommerurlaub absagen zu müssen. Ich denke, dass dies aus Rücksicht auf unsere Mitmenschen mit Vorerkrankungen oder ältere Menschen eine Bürde ist, die man tragen kann. Auch ein Kind mit Asthma, eine Krebspatientin, die eine Chemo durchmacht oder eine 30-jährige, die mit einer Behinderung im Rollstuhl sitzt haben das Recht darauf, bald wieder ohne Ansteckungsangst das Haus verlassen zu dürfen.

    Abgesehen von der aktuellen Situation werden die sog. Grundrechte seit Jahren außer Kraft gesetzt, man betrachte nur die Situation in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln. Laut Genfer Flüchtlingskonvention und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte haben diese Menschen ein Recht auf einen Asylantrag in der EU, sowie auf eine menschenwürdige Unterbringung. Wo waren die o. g. Demonstranten, als es nicht um ihre eigenen "eingeschränkten Grundrechte" ging, sondern um die ihrer Mitmenschen aus Krisengebieten?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Schnee, du hast meinen Artikel offenbar nicht richtig gelesen. Als Pazifistin, Weltenbürgerin und Freigeist sind deine Vorwürfe mir gegenüber absurd.

      Löschen
  2. Ich muss immernoch lachen darüber, wie schnell ich als NPD-Mitglied-Holocaustleugner-rechte Publizistin-AfD-Mitglied-Verschwörungstheoretikerin-Radikale - alles in einem (bestimmt nichts vergessen?)- abgestempelt werde Und das ausgerechnet von jemand, die behauptet schon lange meinen Blog zu lesen. That's funny!

    AntwortenLöschen