Der Habib war gerade von der Terrasse nach drinne gegangen um etwas zu trinken für uns zu holen, da durchbohrte mich der Blick unserer Bekannten, eine Apothekerin, die zu Besuch war: *Jetzt komm', Micha, jetzt gib' es doch zu. Das kann dir doch nicht reichen. Dafür hast du doch nicht studiert. Bitte! Um jetzt hier ein bißchen Garten und ein bißchen Haushalt zu machen. Was soll das?* Ich lächelte amüsiert und blieb dann mit meiner Beobachtung an ihrem verkniffenen Mund hängen. *Doch*, sagte ich, *das reicht mir sogar üppig. Schau mal, was ich seither kann!* Und ich strich mit meinem Zeigefinger immer wieder über meine entspannte, weiche, nachgiebige Unterlippe und mache dazu *Bäbebäbebäbebäbe*. Ihr Gesichtsausdruck - unbezahlbar! Der Habib kam mit den Getränken und sie wechselte das Thema.
Selbst wenn ich mehr Worte verwendet hätte, um mich zu erklären, sie hätte mich nicht verstanden. Unterwegs auf Reisen seufzten junge Backpacker ehrfürchtig auf: *Wow, was? Ihr vermietet Ferienwohnungen! Ach, toll!* So unterschiedlich ist die Welt. Jetzt stand auf unserem Parkplatz der Porsche der Apothekerin und er machte das Symbol für die unterschiedlichen Werte, für die sie und ich brennen. *Ost ist Ost und West ist West, und niemals treffen sich die beiden* sagt Kipling. Ich brauche ihren Status nicht - da kann man doch direkt mal wieder ZAZ einspielen - und sie hat keine Ahnung davon, dass in einer bestimmten Form der Bescheidenheit die Zufriedenheit verborgen liegt. Brauchts auch nicht: dafür fährt sie Porsche.
Bestimmt glauben die meisten Porschefahrer, dass die Welt sie um ihren schnittigen Flitzer beneiden muss. Zumindest stelle ich mir dass so vor. Dass die Porschefahrerinnen sich hinterm Steuer wie eine der Kardashians fühlen. Und alleine diese Kopfkino hebt dann wieder ihre eigene Stimmung. Aber was schreibe ich da - ich habe keine Ahnung. Man sollte nicht fabulieren über Dinge, die nichts mit einem zu tun haben. Vielleicht versuchte sie mich herabzusetzen, weil sie selbst mal mit dem Habib anbandeln wollte. Und allen älteren Frauen, für die Äußerlichkeiten eine große Rolle spielen, ist ein Paar mit unserem Altersunterschied ein Dorn im Auge. Aber egal, ich weiß es nicht und ihr Diss hat mich nicht getroffen.
Zu Zufriedenheit fällt mir mehr ein. Zufrieden sein ist wie satt sein, habe ich vor kurzem geschrieben. Genug ist genug. Keine Kirsche auf dem Sahnehäubchen nötig. Kein Platz für mehr. Eigentlich sollte einem Porschefahrer das einleuchten - zumindest im Bezug auf seinen Kofferraum und das mitnehmbare Gepäck darin.
Ben, ihr versteht vielleicht, ich meine das übertragen auf die innere Einstellung zur eigenen Biosphäre. Meine Welt ist komplett, ausgefüllt, reich, schlicht, bunt, frei - voller Qualitäten, die ich gegen nichts eintauschen, voller Erfahrungen und Erlebnisse, die ich nicht mehr hergeben wollte. Mein kleines, intimes, sehr privates, höchstpersönliches Reich erhält seinen Wert einzig und allein über die Bedeutung, die ich ihm verleihe. Niemand sonst. Da kann weder Materie noch können andere mit. Moi j'veux crever la main sur le coeur. Und ich will eben bestimmt nicht in einem Porsche verrecken. Aber das kann ein Ostler einem Westler nicht erklären. Und umgekehrt.
Außerdem kann ich euch nicht erklären, wie Rosetta ihre Trofies macht. Offensichtlich anders als ich. Das wunderbare Buch *Pasta-Grannies*, das mir eine liebe Blogleserin UND Feriengästin als Goodie obendrauf zu *Die Mangelbaumgasse* von meiner Wunschliste packte (coucou Stephanie) macht mir riesig Freude! Heute habe ich das dritte Rezept daraus nachgekocht. Ein Ende ist nicht in Sicht. Mit Rosettas Trofies bin ich eingestiegen. Schaut hier auf Youtube mit welcher Lässigkeit Rosetta kleine Torpedos dreht: ein Mal nach vorne rollen, dann schräg nach hinten, wegwedeln, die nächste. Für mich war es eine Lektion in Demut, was die Herstellung von frischer Pasta angeht. Bis zum letzten Fitzelchen Stück Teig habe ich es nicht herausgefunden, wie sie es macht. Obwohl ich viele (wirklich viele) Trofies mehrfach gerollt habe. *Trofie* wurde bei mir irgendwann barmherzig alles genannt, was den Willen zur Schraube zeigte. Mehr war nicht rauszuholen. Nicht eine einzige Nudel gelang so perfekt wie Rosettas. Und jede ein Unikat - im Gegensatz zu Rosetta, bei der eine Trofie der anderen gleicht.
Egal. Ich bleib dran. Und alleine die Sauce ist es wert nachzuziehen!
Zubereitung 4P*:
400g Mehl (Type 00 oder 450)*
180ml kochendes Wasser (evt. plus)
2 EL Pinienkerne
2 Knofi
75ml Olivenöl
150g frische Basilikumblätter
4 EL Prescinsêua-Käse (ersatzweise griech. Joghurt)
80g Parmesan, gerieben
20g Pecorino Sardo, gerieben
1/2 TL Salz
Zubereitung:
Besser erklären als Rosetta es vormacht, kann ich es nicht: s. hier . Das Buch bescrheibt es so: ein erbsengroßes Stück Teig abknipsen und auf dem Brett mit der Handfläche spindelförmig ausrollen. Die Handfläche vorsichtig diagonal darüberziehen, aber mit der Außenkante der Hand fest auf die Nudel drücken.
Alle Zutaten für die Sauce in einen Mixer geben und fein pürieren.
Pasta in reichlich Salzwasser al dente kochen (dauert je nach Größe und ob frisch oder getrocknet länger oder kürzer - probieren). Parallel dazu die gegipfelten Bohnen ebenfalls garen, so dass beides - Bohnen und Nudeln - gleichzeitig fertig sind. Beids abschütten und mit der Sauce vermengen. Sofort servieren.
Ich habe mir alle angeschaut, total lecker!! Landfrauenrezepte à la Italien.
AntwortenLöschenTja, das ist halt die Zufriedenheit, zu der nicht jede/r Zugang findet. Es macht ziemlich glücklich, so wie die Polenta-Pizza :-)
Also diese *Pasta-Grannie*-Rezepte - Hausfrauenküche und Omarezpte at its best. Ich bin ganz begeistert.
LöschenUnd Zufriedenheit ist eine Kunst, ein Können und eine Gabe, die nicht allen gegeben ist. Hat auch gebraucht, bis ich das kapiert habe ;-)
Da fällt mir doch sofort Heinrich Bölls zeitlose Fabel über das Glück ein: In einem kleinen Hafen macht ein Fischer morgens seine Siesta. Ein Tourist weckt ihn durch das Klicken seines Fotoapparats und fragt, warum er nicht aufs Meer fahre. Der Fischer antwortet, er sei schon draußen gewesen. Warum er nicht noch einmal hinausfahre, fragt der Tourist. Mit der größeren Ausbeute könne er mehr Fische fangen, seinen Verdienst steigern, Mitarbeiter einstellen, Schiffe und eine Fischfabrik kaufen. Am Ende wäre er so reich, dass er nicht mehr arbeiten bräuchte und morgens in der Sonne sitzen könnte. Darauf der Fischer: "Aber das mache ich doch gerade“ 😊 LG Isabell
AntwortenLöschenDa schlie0t du nun aber eine lang gefühlte Bildungslücke, Isabell! Super - Danke! Von Heinrich Böll ist diese Fabel!!! Ich habe die sogar schon mal für einen Post verlinkt - allerdings nur inhaltsmäßig, ohne zu wissen dass Böll der Verfasser ist. Ich muss später mal nach dem ARtikel im Blog suchen.
LöschenTja, Ilse-Bilse - kein Glück dahinter. Aber den WEg der Erfahrung kann man den anderen nicht abnehmen... liebe Grüße zurück
Jedem Tierchen sein Plaisirchen eben....DAS einzig wahre Lebensmodell gibt es eben nicht. Ist ja auch besser so..
AntwortenLöschenViele Grüße ins geliebte Frankreich Brigitte
Von mir, Brigitte, bekommt der Porschefahrer den Porsche nicht weggenommen. Gottes großer Zoo. Und die Welt ist eine große Spielwiese. Jeder soll, wie er meint. Im Idealfall bringt Erfahrung dann ERkenntnis - oder aber man bleibt in einer chronischen Geschichte kleben. Das ist dann nicht wünschenswert. viele liebe Grüße zurück...
LöschenAch ja, die Porschewelt. Das geht nicht auf einander mit sich selbst genügen, das Schöne im Einfachen, Natürlichen sehen. Neulich fand ich dieses herrliche Stück "Bonheur". Das passt so gut.
AntwortenLöschenhttps://www.youtube.com/watch?v=m5qXr9lLdwA
Liebe Grüße! Sunni
Die große Gralssuche, die Suche nach dem Glück. Für uns, Sunni, ist es wohl schwer vorstellbar, dass manche tatsächlich glauben, dass das Glück in einem Porsche versteckt ist. Mir fällt dazu immer Hauffs *Das kalte Herz* ein. Und dein Lied passt gut dazu! ganz liebe Grüße zurück..
LöschenSuper, deine Reaktion auf die Frage der Bekannten...besser geht es nicht, für meinen Geschmack, Volltreffer;-) und klasse, das wir dich doppelt erfreuen konnten, das freut uns ebenso. Viel Spaß weiter damit, herzliche Grüße nochmals, Stephanie
AntwortenLöschen*Volltreffer*, liebe Stephanie ist genau das richtige Stichwort für dein *Pasta-Grannie* Buch. Vielen Dank - das macht mir großen Spaß, mir daraus Inspiration zu holen! herzlichst zurück...
LöschenAch Micha, wie gut ich dich wieder verstehe! Porsche-Fahrerinnen verstehen halt nicht, wie wunderbar es ist, sein Brot mit einem sensationellen Sauerteig zu backen und andere Köstlichkeiten zu zaubern. Sie sehen wahrscheinlich auch nicht die zauberhaften Kleinigkeiten am Wege, die das Leben ausmachen. Wie schön, daß du dich für diese Karriere hier entschieden hast :) Ich liebe deine Seite, deine Gerichte und deine klugen Worte. Liebe Grüße aus dem spätsommerlichen Franken! *Hanne*
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