Das letzte Jahr hat unser Dorf verändert. Man liest, Corona wäre auch eine Pandemie der Angst, die jeden mehr oder weniger überfällt gemäß seines Charakters, seiner Biographie, seiner allgemeinen Lebenseinstellung. Viele haben Angst vor anderen Menschen bekommen, nehmen andere hauptsächlich wahr als potentielle Gefährder der eigenen Gesundheit - mit der Konsequenz, dass man sich zurückzieht und Menschen meidet. In der Stadt muss das teilweise groteske und agressive Situationen hervorrufen - zumindest was man uns hier so im JWD (janz weit draußen) berichtet.
Auf dem Land aber ist uns in den vergangenen Monaten klarer geworden, dass wir einander brauchen. Ja, nachbarschaftliche Hilfe kann in Krisenzeiten sogar existentiell sein. Man kann es sich nicht leisten, dem anderen die Tür vor der Nase zuzuschlagen. So gut wie momentan war das Klima im Dorf noch gar nie - allgemein geht man VIEL zugewandter miteinander um, interessierter, ist offener geworden, besucht sich gegenseitig. Ja, es haben sich gar Dinge ereignet, die man vor kurzem noch für unmöglich gehalten hätte: Nachbarn, die seit Jahren aufgrund einer Grenzstreitigkeit (sehr beliebt auf dem Land) kein Wort mehr wechselten, sind über ihren Schatten gesprungen.
Das ist nicht nur wohltuend, das ist richtig superlativ! Und es zeigt sich auch: je besser man die Geschichten des anderen
kennt, umso mehr wächst damit das Verständnis füreinander. Kennt man die Sorgen seines Gegenübers, überbrückt das viele Differenzen. Wir *Gigorois* sind merklich zusammengerückt.
Wie formulierte es ein Nachbar so treffend: *Parfois il vaut mieux avoir une bonne relation avec son voisin que défendre ses idées* (manchmal ist es besser ein gutes Verhältnis zu seinem Nachbarn zu haben als seine Ideale hochzuhalten). Ist Frieden nicht das wichtigste Gut in einer Gemeinschaft? Eigentlich kann ich - nach allem, was ich nun in den 16 Jahren erlebt habe - behaupten, dass dieses *Leben und Leben lassen* eine französische Parade-Disziplin ist - so lange nicht von einzelnen Hyänen böse gehetzt wird oder die Politik übel krätscht...
Auf Anregung von eben jenen Nachbarn, mit denen ich seither weniger in Kontakt stand, haben wir Mädels Couronnes gebastelt um Gigors zu zieren, während nebenan im kleinen Gemeindesaal der Marie die Kinder des Orts Postkarten für den kommenden Altennachmittag im Januar malten (fast schon irgendwie kitschig, oder?) Das Gerüst unserer Kränze wirkten wir aus frisch geschnittenem Ginster (dann sind die Binsen schön biegsam) und dann verkleideten wir sie mit Zweigen von Tannen, Steineichen, Zedern, Efeu und anderem Immergrün. Weiter geschmückt wurde mit allem, was bei einem Streifzug durch die Landschaft ins Auge fällt. Ganz wie für typische Adventskränze - nur dass die hier keiner kennt. Für den Tisch mit vier Kerzen? Qu'est-ce que c'est ça? Wohl aber hat es Tradition auf dem Land mit solchen Kränzen die Häuser vor Weihnachten zu schmücken.
Wenn die Hände beschäftigt sind, dann hört es sich besonders gut zu. Das kenne ich noch von meinen Atelier-Zeiten. Die Gespräche werden angeregter, weil man sich mehr aufs Hören konzentriert. Dann will man den Geschichten, die einem erzählt werden, auch folgen können. Es wird öfters nachgehakt: *Verstehe ich das richtig, du meinst...?* Manches will man dann schon genau wissen! Übrigens kann ich dieses direkte, genauere Nachfragen nur empfehlen, wenn man um ein besseres Miteinander bemüht ist und Missverständnisse vermeiden will. Einfach sich mit einer Frage vergewissern, ob das Gesagte richtig bei einem angekommen ist. Probiert es aus! Unterhaltungen werden intensiver, verständiger, tiefgründiger!
Ganz eigen interpretiert wurde dagegen dieses Jahr der Weihnachtsbaum vor der Bürgermeisterei - keine kleine Kiefer mußte wie sonst dafür sterben, sondern ein bereits toter Baum wurde behangen mit selbst gebauten Vogelhäusern und Vogelkästen, bemalten Kiefernzapfen und Meisenknödeln. Durchquert man Gigors, dann ist unser kleines Dorf gerade bunter und zwitschernder denn je. Wie innen - so außen.
Man könnte sagen, dass für Gigors die Pandemie das Gleiche bedeutet, wie die chinesische Besatzung von Tibet, die als Begleiterscheinung starre, tote Strukturen aufbrach - so dass der Dalai Lama mit Abstand dieses Unglück als *einen verkappter Segen* bezeichnete. Es ist, als ob sich mein Zuhause vergrößert hätte, das Nestgefühl erweitert! Ach, Menschenskinder, so kompliziert ist es dann doch gar nicht! Im Sinne des Für-, Mit- und Beieinanders: einen schönen 4. Advent euch allen!
Dass mir dieser Post nicht zu zuckrig gerät (obwohl ich ja nur berichte), gibt es dazu heute ein schönes Winteressen: salzige Dampfnudeln und zwar ohne die im badischen typische süße Begleitung wie eingemachtes Obst. Ich habe mich nämlich noch gar nie gerne satt gegessen an Süßem. Ja, süße Hauptspeisen wie Mariellen-Knödel oder dergleichen sind nix für mich. Selbst mit dem badischen Klassiker Kartoffelsuppe mit Apfelpfannkuchen konnte man mich als Kind jagen. Aber die salzige Kruste von Dampfnudeln ist schon was Feines. Und in Begleitung eines kräftigen Gemüsegulasch war dieses Gericht ein echter Seelenwärmer. Allerdings habe ich die Dampfnudeln nach dem Foto-Shooting nochmals kurz zurück in die Pfanne gegeben: die Kruste muss schon dicker golden-knusprig-krachig sein! Ich sollte öfters Dampfnudeln machen!
**** Geschwister im Blog-Universum: gefüllte Dampfnudeln mit Pfifferlingen ***
Zutaten ca. 2P:
Dampfnudeln:220g Mehl (m: D 630, 40g davon Einkorn-VK)
140ml Milch
9g Hefe
1 TL Honig
1/2 TL Salz
2 TL Thymian, getrocknet
Öl, Butterschmalz und Salz
Pilz-Kürbis-Gulasch
200g Champignons
350g Kürbis (m: Butternut)
1 Zwiebel
2 Knoblauchzehen
15g getrocknete Shitake-Pilze
Gemüsebrühe
Tamari-Sauce
Pimenton de la verra
Paprika-Pulver
2 EL Petersilie, Blätter feinst gehackt
1 Zweig Salbei, Blätter feinst gehackt
1 Zweig Rosmarin, Blätter feinst gehackt
1 EL Crème fraîche
Salz, Pfeffer
1 EL Balsamico
Olivenöl
Zubereitung:
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