Madagaskar I

Donnerstag, 10. März 2016

Madagaskar - für seine endemische einzigartige Fauna und Flora bekannt, das Land des Pfeffers und der Vanille samt bitterarmer Menschen mit tropischer guter Sonnenschein-Laune. So ungefähr lauteten auch meine Stichwörter bevor wir uns wieder für den Winter in die Fremde aufmachten.

Leicht kann ich euch nun heute weitere Fotos zeigen, die dieses Bild untermauern - die Augen sind besonders einfach zu blenden. Für mich wurden die 3 Monate in Madagaskar von all unseren Reisen zu derjenigen, die am allerweitesten von *Urlaub* entfernt war und für die das Wort *Reise* im engsten Sinn des Wortes zutrifft. Wir wurden belogen, bestohlen, betrogen und erkrankten (die Narben der mouches à feu, der mokafohy, der Feuerfliege werden mir erhalten bleiben) und dennoch könnte man mir die Zeit dort nicht mit Gold aufwiegen. Mir hat Madagaskar den Helm verbogen, mir hat Madagaskar den Kopf zurecht gerückt.

Es ist, als hätte ich in einen Abgrund geschaut und der Abgrund stellte sich als Realität heraus. Keine vorherige Reise hat mein Bild von der Welt samt ihren Menschen so radikal verändert wie diese. Keine Reise hat mich so verändert nach Hause zurück gebracht, so erschöpft psychisch wie mental.

Und wie es so ist: Worte, Erzählungen, Bilder können Erfahrungen nicht ersetzen. Keine Erkenntnis ist übertragbar - das macht sie doppelt wertvoll. Aber ich wage zu behaupten: Reise nüchtern ohne Alk oder Drogen, mit Aufenthalt an den einzelnen Orten und ohne dich frei zu kaufen, bref, büchse nicht allen Unannehmlichkeiten mit Hilfe eines der gängigen Mittel aus, sondern schaue hin und ertrage und du wirst die Welt mit anderen Augen betrachten. DAS vermag Schwarzafrika.

Oder wie es Milan Kundera in *Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins* erklären würde: Afrika ist absolut frei von Kitsch und jedweder Form von Schöntuerei:  
*Kitsch ist die absolute Verneinung der Scheiße;  im wörtlichen wie im übertragenen Sinn: Kitsch schließt alles aus seinem Blickwinkel aus, was an der menschlichen Existenz im wesentlichen unannehmbar ist*. In Afrika fließt die Scheiße offen durch die Straßen und stinkt zum Himmel. Afrika klopft Europa den Gips von der Fassade, wischt die Schminke und Tünche runter und übrig bleibt das existentielle Skelett des Lebens.

15 Kommentare

  1. Ihr seid gut zurück, wie schön!
    danke für die geteilten Eindrücke, ich bin auf die Fortsetzung gespannt.
    Liebe Grüße und gutes Wiedereingewöhnen.

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  2. wie schön, dass ihr wieder zurück seid.

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  3. Ich freue mich, dass du - zumindest halbwegs - wohlbehalten wieder zurück bist aus Afrika. Du klingst gleichermaßen ernüchtert wie bereichert, ausgeweidet und gestärkt.
    Madagaskar, das Land wo der Peffer wächst, war immer ein sehr theoretischer Sehnsuchtsort für mich als Kind - geprägt von Fotos und Filmdokumentationen über üppige Vegetation, palmengesäumte weiße Sandstrände an kristallklarem Wasser, prallgefüllte Märkte und lächelnde Menschen. Klischee eben. Dass ich dort niemals hingereist bin liegt sicher daran, dass mir im Inneren durchaus immer klar war, dass die Realität eines bitterarmen afrikanischen Landes anders aussieht. Nach ein paar Wochen auf eigenen Faust durch Kuba und Tobago hatte ich zumindest einen klitzekleinen Vorgschmack darauf, wie das Leben in solchen tropischen Paradiesen wirklich aussieht und auch, was oft hinter dem Lächeln vorgeht. Das war oft schockierend und ernüchternd.
    Nichtsdestotrotz freue ich mich auf Einblicke, auf Hintergründe, auf Erlebnisse und Gedankenergebnisse, die du aus Madagaskar mitgebracht hast. Sehr.
    Herzlich, Katja

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  4. Chère Micha, ich hoffe ich darf dich so ansprechen. Seit längerer Zeit bin ich schon auf deinen Seiten unterwegs und sehr oft begeistert von deinen Rezepten. Nicht nur einmal wurde etwas nachgekocht. Heute war es nach deinem letzten Eintrag endlich höchste Zeit dich zu kontaktieren. Auch ich war auf dieser wunderschönen Insel allerdings schon vor 10 Jahren. Wie du geschrieben hast verändert es wirklich die Weltanschauung. Ich habe mir von dort sogar ein Souvenir mitgebracht - meinen Lebensgefährten Gerard (ein Franzose) und wir leben in Klagenfurt im schönen Kärnten. Seit ich im Ruhestand bin liebe ich es zu kochen. Ansonsten bin ich begeisterte Bergsteigerin und liebe neben dem Reisen auch die Musik. Ich habe gelesen, dass ihr auch Zimmer vermietet - wer weiss vielleicht sieht man sich einmal. Inzwischen sei herzlich gegrüsst von Marlies

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  5. Schön, dass du wieder da bist! Hoffentlich heilen die Folgen der Krankheit und die freigelegte Seele.

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  6. Beeindruckende Worte - Du hast wirklich eine Gabe etwas in Worte zu fassen, dass dann mehr im Herzen als im Kopf ankommt!
    Danke LG Axel

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  7. Liebe Micha. Wow. Dieser Reisebericht sitzt. Ich hätte größte Lust, nach Afrika aufzubrechen (schon lange ein Traum, ich war aber noch nie da) und dabei deinen Tipp zu befolgen. Du gräbst tolle Zitate von Milan Kundera aus, die sind mir beim ersten Lesen nie aufgefallen. Vielleicht sollte ich das Buch jetzt nochmal lesen (ist auch leichter umzusetzen als die Afrika-Reise). Grüsse, Sarah

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  8. Wunderbarer aufrüttelnder Post, liebe Micha!
    Deine Zeilen und Bilder sind wie immer brachial.
    HG
    Birgit

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  9. Ich glaube, ich kann dich sehr gut verstehen, obwohl ich noch nie in Afrika gewesen bin. Aber nach der Lektüre des Buchs "der Löwensucher" von Kenneth Bonert weiß ich auch nicht, ob es mich unbedingt dorthin zieht (und das Buch spielt in den 30er - 50er Jahren des letzten Jahrhunderts). Nach dem Lesen war ich ziemlich erschüttert. Das kommt nicht allzu häufig vor...

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  10. Schön, dass du wieder da bist, liebe Micha ... Und ah ... Madagaskar! Wie wunderschön, deine Bilder, ganz du. Ich freu mich auf mehr davon ...
    Liebe Grüße!

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  11. Danke für diesen interessanten Bericht, ich freue mich trotz deiner gemischten Gefühle auf mehr. Deine Worte stimmen nachdenklich, zumal man ja weiß, dass du schon einiges gesehen und erlebt hast.
    Ich wünsche gutes Verheilen der Wunden und freue mich,dass du wieder "da" bist <3

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  12. @Svea: Danke für deine Zeilen - ein paar Fotos habe ich natürlich noch, schwieriger ist es, die Eindrücke in Worte zu fassen..

    @Christine: Dabei dachte ich, dass ich den Blog ganz gut auf Sparflamme weiterlaufen ließ ;) - zu wenig?

    @Robert: Danke, Robert - du sagst es!

    @Katja: Das war das Hauptziel: gesund wieder heim zu kommen. Und tatsächlich gäbe es die ein oder andere Parallele zu Kuba - wir haben manchmal daran gedacht. Wenn es sich auch wiederum nicht wirklich vergleichen läßt... Danke für dein warmes Willkommen!

    @Marlies: Das ist wohl das beste Mitbringsel überhaupt: die Liebe fürs Leben :). Vermutlich hat sich Madagaskar innerhal von 10 Jahren verändert (im Moment verändern sich ja irgendwie alle Orte dieser Welt rasant). Ob wir ähnliche Eindrücke gewonnen haben? Und Bienvenue in Gigors - über nette Feriengäste freuen wir uns immer!

    @Susi: Noch sind die Eindrücke nicht verdaut - schon gar nicht in ihrer Konsequenz. Daran werde ich wohl noch eine Weile zu knabbern haben.

    @Axel: Dank' dir Axel - wobei ich nicht sicher bin, ob ich die Worte finde, um in etwa zu beschreiben, was mich/ uns so mitgenommen hat...

    @Sarah: Madagaskar ist nix für Anfänger, aber um den Kopf gewaschen zu bekommen das Optimale auf diesem Planeten... oder so. Und das kann man mit Geld nicht bezahlen!

    @Birgit: Ein gutes Wort für Afrika und meine Reiseeindrücke: brachial!

    @Eva: Das Buch kenne ich leider nicht. Wo in Afrika spielt es denn. Von der Zeit her wohl während des Kolonialismus...

    @Maria: Vielen lieben Dank, Maria

    @Britta: In der ersten Nacht zu hause hing ich erst einmal über der Kloschüssel - der Kopf ist einfach SO voll. Aber nun sind wir ja fast bald wieder eine Woche daheim. Danke für deine Zeilen, Britta!

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  13. Was für ein erstaunlicher, toller Bericht - und trotz allem wunderbare Bilder. Ich würde es garnicht wagen, nach Afrika oder Indien zu reisen - Angst vor genau dem, was dir passiert ist. Und Angst davor, mich in meiner kleinen Idylle nicht mehr wohl zu fühlen.

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  14. Das Buch spielt in Südafrika und es geht sowohl um das Schicksal jüdischer Einwanderer aus Litauen und natürlich um das der "Schwarz-Afrikaner". Wirklich sehr empfehlenswert!

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