abgefärbt: mediterrane Spätsommer-Ravioli

Sonntag, 30. September 2018


Bestimmt sind wir uns einig, dass die Umgebung auf uns abfärbt. Nach 13 Jahren hier in Südfrankreich merke ich, wie ich mich an das ein oder andere angepaßt habe.

Die Weite, die Stille, die Größe, die mit unserem Blick ins Tal einher geht, setzt vieles in andere Relationen. Mikrokosmos-Makrokosmos scheinen sich  bei uns in der Horizontlinie zu berühren. Das nivelliert doch einiges von ganz alleine - vorneweg  die Emotionen, mit denen die Medien versuchen, eine Nation zu füttern. Was hat das mit uns zu tun? Allermeistens rein gar nichts. Wenn, dann lasse ich es durch die Flimmerkiste in meine Nähe tragen und lasse zu, dass ich mitschwinge.

Unser Frieden tüncht alles in einen Heile-Welt-Modus. Das mag etwas abgekitscht klingen, ist aber genau so. Ausgewildert und ausgenüchtert schauen wir uns an, andere und in die Ferne. Doch, ich kanns nur bestätigen: in der Ruhe liegt die Kraft. Etwas feinfühliger wird man dabei wohl - das läßt sich nicht vermeiden. Sowas kommt von sowas.

Alles wird schnell intensiver: jeder Geruch, jedes Wort, jedes Lied, jede Miene. Wie bei einem ruhigen See. Da macht eben der kleinste Kieselstein sofort Wellen. Ganz à la *Beachte das Was, mehr beachte das Wie* (Goethe).  In die Ecke der Hochsensibelen wollen das manche gerne drücken. Aber dagegen wehre ich mich entschieden. Nein, nein. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. 

Ich vergleiche die Sinne gerne mit einem fein eingestellten Radio. Je weniger Rauschen umso deutlichere Signale, bzw. gut funktionierende, klare Sinne. Oder: Ohren, die hören können und Augen die sehen können. Im Gegensatz zu Hochsensiblen, die ja überfordert sind von der Sinneswahrnehmung und diese - für mein Dafürhalten - überdrehen, überbewerten oder falsch einsortieren.

Nun, das Kuriose ist allerdings, dass das leider nicht gleichzeitig bedeutet, dass wenn die Sender des Radios ein Mal gut auf Empfang gedreht sind, dass das dann so bleibt. Es gilt: je lauter und hektischer die Umgebung, umso mehr sind meine Sinne übertönt. Kann man sich ja leicht vorstellen am Beispiel Geruch: sind davon viele starke in einem Raum, überlagert einer den anderen und sie verschwimmen zu einem Grau wie die Wasserfarben im Glas für den Malpinsel.

Aber auch Südfrankreich wabbert in mich über. So bin ich schon um Welten besser geworden, im Fünfe gerade sein lassen. Das *tant pis* (was soll's) rutscht mir mittlerweile ganz lässig über die Lippen. *Pffffhhh* schnaube ich, nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das ist das Savoir-Vivre. Warum die Dinge so streng und eng nehmen. Manchmal hilft es - wie die Südfränzis - mehr die Schulter zu zucken und ein wenig Abstand einzunehmen.

Oder mein Knoblauchverzehr. Der hat sich exponential vermehrt in den letzten Jahren. Logisch, reden wir von dem schönen, lila Knoblauch, für den die Drôme Anbaugebiet ist und nicht von dem weißen mit den kleinen, fisseligen Zehen. Kein Gericht ohne einen ordentlichen Schwung an Knoblauch. Ja, hier glaubt man fast, Knoblauch könne Wunder wirken. Im Prinzip wird er als Heilmittel für alles außer Liebeskummer eingesetzt. Und noch nie, wirklich noch nie ist mir passiert, dass jemand nachhakte, ob Knoblauch im Essen ist - wegen einer Gefährdung des Atems oder anderer Bedenken.

Heute feiere ich nochmals den Spätsommer - möglicherweise mit der letzten Zucchini des Jahres. Zumindest in Keulengröße. Und ich feiere wieder die Tomatenbutter in einer neuen Variante. Was kommt die seit ihrer Entdeckung gut an. Bon, man könnte sich jetzt streiten, was zuerst war: das Angebot oder die Nachfrage. Aus einer Kreuzung der Tomatenbutter mit diesen Ravioli bastelte ich diese Füllung. Ein voller Erfolg also. Wie könnte es anders sein samt dem Blog-Buster-Zucchini-Rezept...


Zutaten 2P:

Pastateig
100g Dinkel 630
90g Hartweizenmehl
2 Eier
Salz
Öl

Füllung
100g Ziegenfrischkäse, cremeux
45g Tomaten, getrocknet
1 EL Crème fraîche
2 Knoblauchzehen
1/2 Zitrone, Abrieb davon
2 EL Basilikum, fein gehackt

1 Blech: Keulenzucchini
mit Olivenöl
und Oregano
(m: gelb/ grün)

200g Kirschtomaten
ein Stich Butter
Vanille-Zucker (m: selbst angesetzt)
Salz, Pfeffer
Thymian

Zubereitung:

Aus den Zutaten für den Pastateig sorgfältig einen homogenen Teig kneten, in Folie einwickeln und mindestens 1 Stunde kalt stellen.

Für die Füllung die getrockneten Tomaten in kochendem Wasser einweichen (Einweichwasser von getrockneten Tomaten nicht entsorgen - wird später gebraucht für Kirschtomaten in Pfanne). Dann alle Zutaten miteinander vermengen, fein pürieren und würzig abschmecken (dabei leicht überwürzen, denn die Intensität wird sich als Ravioli gegart etwas verlieren). In eine Spritztülle (oder einen kleinen Gefrierbeutel mit abgeschnittener Ecke) füllen.

Den Pastateig dünn auswellen (m: Marcato - Stufe 6 von 7), auf das Raviolibrett passend zuschneiden und dann nacheinander füllen. Vor dem Auflegen der zweiten Pastaplatte die Zwischenräume mit Hilfe eines Pinsels mit Wasser bestreichen. Das Raviolibrett mit Schwung wenden, gut festdrücken und in Ravioli schneiden. Auf ein mit Hartweizenmehl bestreutem Küchentuch auslegen und mit einem weiteren abdecken. So weitermachen bis Platten wie Füllung verbraucht sind.

Die Zucchini in dünne Scheiben hobeln. Ein Backblech mit Backpapier auslegen und dünn mit Olivenöl einpinseln. Die Zucchini-Scheiben dachziegelartig darauf setzen. Nochmals mit Olivenöl bestreichen. Dann salzen, pfeffern und mit getrocknetem Oregano bestreuen. Bei 220° für ca. 25-30min in den Ofen schieben, bis die Zucchini deutliche Bräunung aufweisen kann.

Parallel die Kirschtomaten halbieren und in Butter zusammen mit dem Vanillezucker und dem Thymian schwenken. Etwas von dem Einlegewasser der getrockneten Tomaten zufügen und salzen und pfeffern.

Gleichzeitig reichlich Salzwasser zum Kochen bringen und die Ravioli darin al dente kochen. Die Zucchiniplatte in Streifen schneiden. Diese als erste zum Anrichten auf den Teller setzen, die Ravioli darüber geben, dann die Kirschtomaten und mit etwas frisch gehobeltem Parmesan bestreuen.


4 Kommentare

  1. Dieses Gericht klingt göttlich, voller Sonner und Aromen! Der perfekte Sommerabschluss!
    Ach und nach deinen mehrfachen Keulen-Zuccini-Post bin ich überzeugt und der Plan für meine letzte Keulen-Zuccini steht. Ich bin sehr gespannt!

    UNd bis dahin werde ich mich felißig im "Fünfe mal gerade sein lassen" und "pfff" üben...Vielleicht muss ich als Schulung auch mal wieder einen Frankreich-Urlaub einlegen... ;-)

    Viele Grüße
    Alexandra

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    1. Also Alexandra, dieses Keulen-Rezept ist ABSOLUTE Pflicht. Zigfach verbloggt und noch viel öfters zubereitet. Das Beste, was einem als Zucchini passieren kann!

      Und wenns mit dem Durchschnauben nicht klappen sollte, dann nur hierhier mit dir ;-)... liebe Grüße...

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  2. So schön geschrieben und so spürbar beschrieben... diese Fotos dazu und dieser Teller voll Köstlichkeiten. Wenn alle Kisten ausgeräumt sind, will ich mich sehr gerne ans Raviolifüllen machen - das sieht sooo köstlich aus...
    Liebe Grüße von Hannah

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    1. Und wenn hier die Saison so richtig gelaufen ist, dann hole ich mein immer noch neues Gnocchi-Brett hervor ;)! Viel Spaß beim Kistenausräumen und heimelig machen...

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