Genüglichkeit: Lauch-Strudel mit Ebsen-Minz-Sauce

Donnerstag, 9. Januar 2020


Zum Jahresbeginn erhält man in der medialen Aussenwelt allerortens Ratschläge zum Abnehmen, für Detox-Kuren, für Ideen, wie man nach den üppigen Festtagen, den Gürtel wieder enger geschnallt bekommt, wie Ausnüchterung aussehen könnte - just nachdem die gleiche Presse gar nicht lange zuvor die Masse entschieden in die entgegengesetzte Richtung drängte. Die guten Neujahresvorsätze, die ein bißchen drücken, vermischt mit dem vagen Gefühl, dass man vielleicht ein neues Jahr nicht zwingend fortführen sollte, wie man ein altes beschlossen hat, rufen gerade nach momentanter Befriedigung.

Das Problem an einer vernünftig, gesunden und guten Lebensführung, ist, dass es nicht ausreicht, einmalig anständig zu essen. Einen One-Night-Stand-Apfel kann man sich dann auch schenken. *One apple A DAY keeps a doctor away.*

Oder um den altbekannten Goethe-Ausspruch hinzuzuziehen: *Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen*. Und in diesem kleinen Satz sind gleich drei Worte enthalten, die auf anhaltende Stetigkeit hinweisen (immer/ streben/ bemühen). Das Gute schleift sich (leider) nicht von alleine ein, da muss man konsequent hinterher sein - ein Phänomen, ich hatte es bereits darüber.

In der Mäßigung, in der freiwilligen Beschränkung sieht der Dalai Lama ein großes Potential für innere Zufriedenheit, dem Gral, dem wir doch eigentlich hinterher jagen sollten: *Die Ironie will es so, dass wir dann, wenn wir das Objekt unserer Wünsche erlangt haben, immer noch nicht zufrieden sind. Auf diese Weise nimmt die Begierde nie ein Ende und ist eine ständige Quelle der Schwierigkeiten. Das einzige Gegenmittel ist die Genügsamkeit.* Zur Beschränkung hatte ich es ebenfalls schon -  und bereits die Erwähnung klingt fast, als würde man sich von der Welt abwenden und freiwillig wie ein Mönch oder eine Nonne leben wollen. Aber Beschränkung klingt nur deshalb so biblisch, weil der Zeitgeist einer derartigen Haltung polar gegenübersteht:  bei allem pastoralen Geschwätz zur Klimarettung: 2019 verzeichnet der Einzelhandel einen neuen Umsatzrekord - das zehnte Jahr in Folge.

Ja, ich rege mich nicht schon wieder auf - andere dürfen anders sein... obs mir gefällt oder nicht. Wie hat es Gandhi so hübsch gesagt: *Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt*. Das ermöglicht mir das Weltengeschehen maximal zu ignorieren und mich komplett auszulasten. Und ganz ehrlich: dieses Dauergelaber, das sich mehr und mehr als Dauergelaber enttarnt, verdient wirklich keine weitere Aufmerksamkeit von mir. Die Überdosis ist erreicht.

Seine Lebensgewohnheiten umzustellen - rein aus Vernunftsgründen - ist kein einfacher Purzelbaum. Es braucht einen festen Entschluß, dessen Wille sich nur in der Tat zeigt: *Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.* (wieder Goethe). Könnt ihr euch noch an die Groteske erinnern, als vor ein paar Jahren von den Grünen ein Veggie-Tag in der Woche vorgeschlagen wurde. Mit großer Empörung wurde er abgeschmettert. Dabei glaube ich, dass sich damals nur eine mächtige Lobby durchgesetzt hatte, die Mehrzahl der Deutschen der Idee aber gar nicht ablehnend gegenüberstand.

Nun der Habib und ich beschlossen schon vor geraumer Zeit zwei Mal die Woche auf tierische Produkte zu verzichten und ich koche dann vegan. Nicht nur dem Tier- und Planetenwohl zuliebe, sondern genauso auch uns zuliebe. Man gewöhnt sich daran wie an unser Morgen-Porridge, so sehr sogar, dass man es irgendwann gar nicht weiter hinterfrägt. Das sind dann wie Entlastungstage, wie eine Art Schonkost (klingt mindestens so fürchterlich wie Verzicht, oder?).  Aber hey, Gemüse mit Gemüse - my daily junk. Ein Tag ist Eintopf-Tag (ein Spezial mit zusammengestellten Lieblingen steht schon bereit) und am anderen probiere ich gerne etwas Neues aus. Es tut uns gut, deshalb ist Dabeibleiben kein echter Salto. Zumal Käse und Butter ja eben an einem anderen Tag wieder zelebriert werden.


Und ja, allen Unken zum Trotz: es schmeckt mir einfach. Klaro könnte man diesen Strudel mit Crème fraîche und Käse pimpen und die Sauce mit einem Schuß Sahne bereichern. Spricht nix dagegen, aber wir haben uns - mit einem begleitenden Karotten-Salat - auch so die Finger geschleckt.

Gerne gebe ich meinen Rezepten ja obendrein einen Drill Richtung Vollkorn. Was Strudelteig angeht, ist das dann die Premium-Liga. Vermutlich muss man in Österreich geboren sein, um den Teig auch in dieser Version strudelteigdünn gezogen zu bekommen. Für alle anderen Honks wie mich empfehle ich auf die volle Durchsichtigkeit bzw. dem Ausziehen des Teiges zu verzichten und ihn stattdessen mit Geduld sehr dünn auszuwellen. Das verspricht gutes Gelingen - und das ist auch was wert, oder?

Zutaten 2P:

150g Weizen-Vollkorn (m: Purpur-Weizen)
75g lauwarmes Wasser
Salz
1 EL Apfelessig
2 EL Öl

450g Lauch
50g rote Linsen
1 TL Zitronen-Curry
1 EL Mandelmus
ca. 5 EL Gemüsebrühe
1-2 EL Apfelessig
Salz, Pfeffer
Olivenöl

Sonnenblumen-Öl zum Bestreichen des Strudels

100g Erbsen
70g Sellerie
ca. 100ml Gemüsebrühe
1 EL Mandelmus
1 TL Minze
Salz, Pfeffer
Apfelessig

Zubereitung:

Teig für den Strudel gründlich zu einem homogenen Teig kneten, mit Öl bepinseln, in Folie wickeln und 30min ruhen lassen.

Ofen auf 200° (O/U-Hitze) vorheizen.

Währenddessen die Füllung zubereiten. Die Linsen in etwas Salzwasser aufestzen und in ca. 10min weich garen. Abschütten und gut abtropfen lassen.  Den Lauch putzen und in feine Ringe schneiden. In Olivenöl etwa 3-5min anbraten ohne Farbe annehmen zu lassen. Kurz vor Ende das Curry mitrösten. Gemüsebrühe zufügen, mit Mandelmus und Apfelessig würzen, salzen und pfeffern. Die Konsistenz sollte schön cremig und nicht zu trocken sein. Da dieses Gemüse als Füllung verwendet wird, tendenziell leicht überwürzen.

Den Strudelteig entweder zwischen Frischhaltefolie oder auf einer leicht geölten Fläche rechteckig ungefähr auf 30-40cm wellen (wenn nicht zwischen Folie gewellt, dann zuletzt auf ein Backpapier setzen und dort final auswellen). Die Füllung der Länge nach auf das untere 3/4 des Teiges verteilen,  - dabei rechts und links einen Rand von etwa 3cm lassen, das obere Viertel mit Öl bepinseln. Die Ränder einklappen und mit Hilfe des Backpapier/ oder unteren Folie zu einem Strudel rollen.

Nochmals mit Öl bepinseln und auf der zweiten Schiene von unten ca. 35min backen. Zwischendrurch den Strudel nochmals mit Öl bepinseln.

Während der Strudel bäckt die Sauce zubereiten. Dafür den Sellerie putzen, schälen und in kleine Würfel schneiden. In der Gemüsebrühe gut weich kochen. Kurz vor Ende die Erbsen und die Minze zufügen, erhitzen und feinst pürieren. Mit Apfelessig und Mandelmus abschmecken. Salzen und pfeffern und die Sauce auf die gewünschte Konsistenz mit etwas Brühe mischen. Zusammen mit dem Strudel - und gerne einem schönen Rohkost-Salat - servieren.


11 Kommentare

  1. Oh Micha, sieht der köstlich aus! Den muss ich probieren, auch wenn mir Strudelteig bisher nie recht gelungen ist (mir fehlt das Gen dafür).Aus Gemüse lässt sich so unendlich abwechslungsreich und bunt kochen. Herzlich, Sunni

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    1. Oder Sunni?! Wer mit Gemüse nicht zurecht kommt, dem ist nicht zu helfen ;-) herzlich zurück...

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  2. hm sieht lecker aus, und wie immer hast du vollkommen recht, man muss damit auch anfangen und auch mal durchhalten, um irgendwas zu ändern. und wie ich deine Fotos liebe, ich weis, wo es ist und sehe es so zu einer Jahreszeit, die ich dort nicht kenne. Und ich sehe ordentliches Wintergemüse, keine Gurken und Tomaten, nur die Wassermelone wundert mich.....Liebe Grüße, Margot

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    1. Die Regelmäßigkeit machts, Margot. Das gilt wirklich für alles, ob man ein Instrument erlernen will, Sport machen, zeichnen...
      Und ja, die Wassermelonen sind gut gesehen von dir, die werden bei unseren Kleinbauern meist erst dann reif, wenn der Sommer längst rum ist. Dass sie allerdings SO lange haltbar sind, ist meiner Aufmerksamkeit entgangen. Meine Lust auf Melone geht gerade auf Minus Null... liebe Grüße zurück

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  3. Liebe Micha, herzlichen Dank für dieses "maßgeschneiderte" Strudelrezept: Vollkorn, auswellen, statt ausziehen, vegan, Gemüse mit Gemüse: Perfekt! Wird bald nachgestrudelt. Wir halten es übrigens ähnlich wie ihr und ich koche bewusst mehrfach in der Woche vegan. Und ist das Mittagessen vegetarisch, schaue ich, dass beim Abendessen was rein Pflanzliches auf den Tisch kommt. Es tut einfach gut so und ich schätze das eine wie das andere sehr. Liebe Grüße von Hannah

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    1. Da sind sich unsere Geschmäcker, Hannah, bekanntermaßen schon lange sehr ähnlich. Aber eigentlich will ich auch gar keine Überzeugungsarbeit leisten - gelingt selten bis nie - aber so ein bißchen Werbung machen für lecker Essen: das geht immer ;) liebe Grüße zurück...

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    2. Heute habe ich endlich nachgestrudelt und dieser Lauchstrudel schmeckt prima! Ihm fehlt gar nichts und kann sicher auch die größten Skeptiker Vollkorn?? Vegan??? überzeugen.
      Besonders lecker ist auch der Erbsen-Sellerie Dip - bei uns zwar gerade ohne frische Minze, aber auch ohne die zum Weglöffeln gut! Eine Mischung aus Auswellen und Ausziehen des Teiges hat bei mir prima geklappt - es gab nur einen Riss und das ist bei mir - ohne Strudelgen - ein Erfolgserlebnis! Mach ich jetzt immer so. Liebe Grüße von Hannah

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  4. Das Rezept probiere ich - allerdings mit Einkornmehl, weil wir gerade auf Weizen verzichten (meinen Purpurweizen habe ich gerade verbraucht). Und zum Thema "Genüglichkeit" mag ich am liebsten dieses Zitat von Gandhi:
    "Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier." Wir sind Flexitarier, was ein unscharfer Begriff ist. Wir verzichten nicht ganz auf Fleisch - das gibt es allerdings super selten, Wurst gar nicht. Wir haben einige vegane Tage pro Woche - ohne dies vor den Kindern so zu nennen - es ist also einfach "normal" bzw. sehr viele vegetarische Tage :-) Viele Grüße, Susanne


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    1. Einkorn, Susanne, ist ja eines meiner Lieblingsmehle - und bei mir wollte ein Rest Purpurmehl verbraucht werden. Das hat farblich zufällig gar nicht schlecht gepasst. Wir halten es übrigens wie ihr. Auf Reisen kann man nicht immer Vorgaben machen, wie man was gerne essen möchte. Selbst zubreiten tue ich Fleisch allerdings nicht mehr gerne. Aber selbst da mache ich - in großen Ausnahmefällen - mal eine Ausnahme ;).

      Wir halten es generell so: nie orthodox, aber immer wissend, welche Richtung anzupeilen ist! viele liebe Grüße zurück...

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  5. Du sprichst mir wieder mal aus der Seele. Wie ich diese jährliche Detox-Hysterie hasse. Und der Strudel, hm, der sieht lecker aus!

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    1. So geht wohl freie Marktwirtschaft, Katrin: wie man es verkauft bekommt, wird es von den Marktschreiern angeboten... Lassen wir die Hunde bellen, die Karavane zieht - Strudel essend - weiter!

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