Wild thing: Rotes Shakshuka à la Rührei

Freitag, 30. Oktober 2020

 

*Die Welt geiht ünner* mieme ich die Marret Feddersen aus Dörte Hansens *Mittagsstunde* nach. Wir grinsen dann: die  Zeugen Jehovas wußtens vorher. Zeichen finden sich überall! Man muß nur hingucken. Hast du den Hammer in der Hand, ist die Welt voller Nägel! Beweise einer das Gegenteil!

Ganz mit Erich Kästner *Humor ist der Regenschirm der Weisen* - irgendwohin muss man sich doch retten! Es konnten halt noch nie alle gleichzeitig über das Gleiche lachen! Aber dann würde es ja wohl auch ein büschen eng unterm Schirm...

Kinners, was bin ich froh, dass ich alt bin, was ich alt bin. Mein Credo ist ja schon immer: Kein Jahr zurück! Und mit all jenen, die ausgerechnet 2020 in ihrer Sturm und Drang-Periode zu stecken, wollte ich wirklich nicht tauschen. Da will man mit allen Pferdestärken, die einem zur Verfügung stehen, ins Leben stürmen, und überall blockiert die Handbremse. Wie in allen Elternhäusern, in denen nicht Vertrauen sondern Kontrolle und Druck herrschen, glich meine Abnabelung einem Kettenhund, der von der Leine gelassen wird. Ich habe ordentlich über die Strenge geschlagen. Und wo kann man in unserer durchorganisierten Welt noch richtig toben? Richtig! Nachts!

In der Nacht gelten andere Regeln. Nicht die der Vernunft, und keine, die die durchstrukturierte Welt tagsüber von uns einfordert, in der alle funktionieren müssen. Oh, was habe ich es geliebt, die Nacht zum Tag zu machen. Das schien mir das *echtere* Leben, das der Begegnungen, des Moments, in dem *alles passieren kann*, wenn der Alk die Fassade überall bröckeln ließ. Was haben wir wild gefeiert! Ich erinnere mich, wie meine Freundin und ich nachts auf dem Heimweg superstrulzki mit dem Fahrrad zusammenstießen, runterhagelten und uns kaputt lachten. Bis uns eine Taschenlampe ins Gesicht schien und eine väterliche Stimme meinte: *Aber der Reschd wird gschobe!* Ein Polizist! Aber einer von den Freunden und Helfern! Ach, Vorteil: Kleinstadt! Sie gesteht den Jugendsünden etwas Raum zu!

Plus all die Festivals, WG-Partys, die so voll waren, dass keiner mehr raus noch rein kam... Unbändige Neugier auf das Leben, unstillbare Lust am Ausprobieren, viel Scheitern, großer Katzenjammer. Nicht, dass man das SO nochmals bräuchte. Also ich nicht. Aber dass den Rackern gerade ein komplettes Zeitfenster ausgeixt wird - das ist schon hart. Manches kommt ja so nie wieder, wie etwa die Abi-Feier (und dafür, dass ich nicht gerne in die Schule ging, hatte ich mich bei der bombig amüsiert) oder die Erst-Semester-Fete oderoder...

Besonders das Tanzen brachte mir riesig Spaß. Das waren die besten Nächte: die, in denen ich durchtanzte. Ich gehöre ja der Generation an, als Raves zum neuen, heißen Scheiß erklärt wurden. Nicht zwingend meines: da gibts richtig miese Beats drunter. Gerade (!) in der Kleinstadt! Umso mehr musste gefeiert werden, wenn die Mucke passte! Gerne habe ich auch für mich alleine im WG-Zimmer getanzt. Mir das Leben schön getanzt, mich mir selbst schön getanzt! Das funktioniert auch toute seule. Ben, keine ganze Nacht. Aber was will man machen? Bleibt ja gerade nur die Bill Clinton-Trockenübung: nicht inhalieren - nur dran nuckeln.

Sehr vermutlich liest aber meine *I-feel-you-Zielgruppe* hier gar nicht mit. Man weiß es nicht. Meinerzeits galt noch für WG-Partys: Die Langeweiler stehen immer in der Küche! Alleine mit dem Jugendtrend zur veganen Ernährung sieht das bei der heutigen Jugend vielleicht anders aus. Außerdem waren noch zu keiner Zeit alle Jugendlichen die gleichen wilden Füllen. Manche brauchen diese Phase gar nicht. Der größte Unterschied macht jedoch bestimmt aus, dass es 2020 künstliche, virtuelle Räume gibt, um sich zu treffen. In meiner Begrifflichkeit funktionieren die jedoch bestenfalls wie eine Prothese und sind definitiv kein Ersatz für das echte Leben...

 


Klar, ist Partymachen ein Nonsense-Privileg - das wird einem vor allem im Nachhinein bewußt. Und logo kann man den Kopf schütteln und denken: Tssss, sonst keine Probleme?! Aber sind wir nicht gerade alle beschwerter als sonst - mit großen oder eben auch kleinen Sorgen.

Umso wichtiger finde ich es, momentan besonders freundlich mit sich selbst umzugehen. Mein Vorschlag zur jugendlichen Überbrückungshilfe lautet also, Musik einzuwerfen, die die Hüfte wackeln lässt. Tanz vor dem Spiegel, mache dir selbst schöne Augen, Hauptsache: Gute Laune, Hase! Und dabei gerne nach rechts und links schauen. Die anderen können gleichfalls etwas Zusatzflausch gebrauchen. Ein Lächeln, ein freundlicher Blick, oft reicht das schon aus: wie wohl solche Kleinigkeiten tun - ganz besonders in rauen Zeiten!!

Zum Kochen höre ich eigentlich nie Musik. Aber gerne manchmal zum Putzen. Da mache ich durchaus zwischendrin eine Tanzunterbrechung. Wenn Donna läuft beispielsweise, dann fange ich automatisch an zu zappeln. Danach fühle ich mich gleich besser. Genau wie nach einem guten Essen. Danach müßte sich doch jeder wohlfühlen.

Zu dem ganzen Chaos, in das unsere sog. Normalität gestürzt wurde, scheint das arabische Durcheinander in der Pfanne wie gemacht. Shakshuka-Rezepte kann man nicht genug haben, denn es schmeckt immer, ist schnell gemacht und benötigt wenig Geschirr. Das ist bereits meine dritte Version, die zweite von Ottolenghi und diese stammt aus seinem Buch *Palästina* (coucou Sandra :). Essentiell ist, dass die Stockzeit des Rühreis stimmt - und das tut sie. Mit den sonstigen Mengenangaben darf man ruhig spielerisch umgehen. Kann also gar nichts schief gehen.


Zutaten 2P:

45g Feta (m: etwas mehr)
1 EL Petersilie
1/2 TL Chiliflocken
75ml Olivenöl 
1 1/2 TL Koriander, leicht geröstet, grob gemörsert
1 Zwiebeln, in dünne Ringe geschnitten
1 rote Paprika, entkernt und in 1cm breite Streifen geschnitten
3 Knoblauchzehen, zerdrückt
1/2 TL Kreuzkümmel, leicht geröstet, grob gemörsert
1 TL Tomatenmark
1/4 TL Paprika-Pulver
5-6 Tomaten, grob gehackt (500g)
75g Kirschtomaten
2 TL Shatta*
4 Eier, leicht verqurilt
Salz, Pfeffer

Zubereitung:

Drei EL des Olivenöls mit zerbröckeltem Feta, der Petersilie, den Chiliflocken und einem 1/2 TL Koriander mischen - und zur Seite stellen.

In dem restlichen Olivenöl (= 2 EL) ein einer Pfanne, die man mit einem Deckel abdecken kann, die Zwiebel anschwitzen bis sie glasig ist und leicht Farbe angenommen hat. Dann Paprika zufügen, ca. 5min weitergaren, dann Knofi, Kreuzkümmel, Tomantenmark, Paprikapulver und den restlichen Koriander untermischen. Sobald die Gewürze ihr Aroma verströmen, Tomaten, Kirschtomaten, Shatta (oder Harissa) sowie 80ml Wasser beigeben. Salzen, pfeffern und bei mittlerer Hitze etwa eine viertel Stunde sanft köcheln lassen, bis die Sauce sämig eingedickt ist.

Die Eier ebenfalls salzen und pfeffern, gut verquirlen. Vorsichtig in die Tomatensauce gießen, die Pfanne mit Gefühl schwenken und auf diese Weise die Eier nur grob unterziehen. Die Hitze etwas reduzieren, den Deckel auflegen und alles in 4 Minuten stocken lassen. 

Zusammen mit dem gewürzten Feta servieren.

Quelle: Palästina

 

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3 Kommentare

  1. Paprika, Feta und Ei, dazu ein wunderbarer Text von Dir. Perfekt! Ich war heute bei der arabischen Nachbarin etwas flauschen. Den ganzen Monat über war keine Zeit. Um so mehr hat sie sich über die Frage nach dem verklemmten Warmwasser und paar Minuten Zeit plus die lila Ableger gefreut, die sie aus Ihrer Heimat Syrien kennt.
    sei lieb gegrüßt
    Peggy aus Berlin

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  2. He, ich war immer die, die in der Küche stand! Also meistens jedenfalls ;-)
    Große Ausnahme: Alice Cooper - POISON - da tanzte ich so wild wie kein anderer. Das juckt mich auch heute noch, wären das nicht diese mitleidig beschämten Blicke des Minimädels, das sich dann im Finale irgendwann die Hand an die Stirn klatscht und geht. Eltern können SO peinlich sein (müssen sie auch, sonst wärs ja fad - für uns Eltern ;-)))
    Alles Liebe zu dir Micha!

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  3. Mein jüngster Sohn wurde dieses Jahr 18, hat Abi und Führerschein gemacht und ist jetzt in die Hauptstadt zum studieren gegangen. Er gehört also zu denen, die, die wichtigsten Meilensteine der Volljährigkeit nicht feiern durften. Noch ist er in der WG seines Bruders untergeschlüpft, Zimmersuche ist in diesen Zeiten noch schwieriger als sonst. Gestern erreichte mich eine WhattsApp von ihm mit Fotos von seinen letzten selbstgebackenen Broten und vegetarischen Pizzen, mit dem Kommentar: "Alles sind hier von meinen Backkünsten schwer begeistert".
    viele Grüße Margot

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