Wissensdurst: Linsen mit gerösteten Kirschtomaten und Meerrettich

Montag, 5. Oktober 2020


Direkt hinter unserem Haus führt ein beliebter Wanderweg (unsere Aussicht!) entlang. Starte ich von unserer Haustür, dann bin ich nach 500 Metern oben angelangt an der Burgruine aus dem 11. Jahrhundert. Dem Weg weiter folgend kommt man durch einen herrlichen Mischwald: unten Pilze oben Kastanien. Für 135 Höhenmeter brauche ich gerade mal 15 Minuten.

Das kommt mir deshalb in den Sinn, weil ich mit dem Habib die faszinierende Arte-Doku *28 Tage unter dem Mittelmeer* über das Tiefseestauchen anschaute. Vier Aquanauten wurden für eben diese Dauer in eine 5 Quadratmeter große Kapsel gepackt, in der sie - um den Wasserdruck ausgleichen zu können - in einem Helium-Sauerstoff-Gemisch lebten. Mit dieser Druckkammer wurden sie dann in die Tiefe gelassen, um erstmals frei und ungebunden die Hundertmeterzone des Mittelmeeres zu erkunden. Das abenteuerliche Unterfangen gilt als Meilenstein, weil viele der komplexen, wissenschaftlichen Untersuchungen für eine Maschine unmöglich gewesen wäre. Einer der Aquanauten meinte: *Abenteuer ist das poetische Wort für Plagerei* - ein Satz, der den Habib sehr amüsierte!

Die Doku ging mir noch eine Weile nach. 100 Meter Tiefe! Wie lächerlich ist das bitte! Wie formulierte der Habib mal so wunderbar: *Emotionen sind der Schaum auf den Wellen im Gegensatz zu Gefühlen, die die Tiefe des Ozeans sind!* (man könnte heute Seminare füllen alleine mit Begriffserklärungen - aber das ist ein anderes Thema). Du meine Güte, wie wenig wissen wir Menschen noch, das war mein wesentlicher Gedanke. Ja, gut, man kann mittlerweile in weitaus größere Tiefen Roboter entlassen. Aber dennoch. 100 Meter - das ist doch Pippi! Die bin ich in weniger als 15 Minuten runtergelaufen.

Wie groß ist des Menschen Hochmut - in Anbetracht unseres begrenzten heutigen Wissensschatzes. Was wissen wir über das Erdinnere? Das Klima? Was wissen wir über das Entstehen von Leben? Selbst wenn wir schon auf dem Mond gewesen sein sollten (ob die Amis tatsächlich dort waren, also da lege ich mich erst fest, wenn zum zweiten Mal Astronauten den Mond betreten), was wissen wir von unserem Sonnensystem? Und wieviel ist das, wenn man nachts in den Sternenhimmel in die Weiten des Universums blickt? Glaubt irgendjemand allen Ernstes, dass Aliens uns für eine höher entwickelte Spezies halten würden, nur weil wir seit dem 18. Jahrhundert ein paar Maschinen erfunden haben? Wie konstatierte Albert Schweitzer: *Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht sicher.*

Versteht mich nicht falsch: die Wissenschaft ist ein wunderbares Instrument, um sich für seine Umwelt zu interessieren, zu forschen, zu untersuchen, zu sezieren, Fragen zu stellen, Theorien auszustellen, Erkenntnisse zu gewinnen, auf Fortschritt zu hoffen uswusf. So geht Wissensdurst! Aber so lange der Mensch forscht, so lange entwickelt sich die Wissenschaft mit ihm weiter, manches erneut sich, überholt oder erweitert sich: ein organisches System! Darauf will ich hinaus.

Was folgerichtig bedeutet, dass man Veränderungen dessen, was als gesichertes wissenschaftliches Wissen gilt, akzeptieren muss, weil eine solche Vorläufigkeit wissenschaftlichen Wissens normal ist. Und das bedeutet weiter, dass für all die vielen, unterschiedlichen, wissenschaftlichen Sparten unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Perspektiven forschen - nicht immer mit den gleichen Ergebnissen. Wodurch die Wissenschaft auf diese Weise sinnbildlich die Diversität spiegelt inklusive aller Widersprüchlichkeiten, die den Bürgern einer Demokratie zu eigen sein sollte. Und desweiteren bedeutet das, dass Konflikt und Konsens zum Alltag der Wissenschaft gehört, weil die Suche nach Wahrheit ein Ringen ist (ein absolut empfehlenswerter Artikel von Prof. Dr. Rainer Bromme, für den der Stellenwert der Wissenschaft in der Gesellschaft genährt und gestützt werden sollte durch eine so offene und öffentliche Wissenschaftskommunikation wie möglich inklusive aller Zweifel und Kontroversen) - was ganz im Gegensatz steht zu dem Mainstream-Konformismus, in den die Wissenschaft so gerne gedrückt wird sowohl von Medien wie Politik aus deren ganz eigenen Interessen. 

All das sollte uns, die wir so viel Vertrauen in die Wissenschaft setzen, bewußt sein! Stattdessen gebärden sich Wissenschaftsgläubige besonders gerne rechthaberisch, als hätten sie die Wahrheit für sich gepachtet, während dem Großteil der Anhänger von Religion zumindest klar ist, dass sie glauben. Mich erinnert das daran, wie unterschiedlich mit Nikotin und Alkohol umgegangen wird: Raucher wissen, dass sie Raucher sind.

 

 

So und zuguterletzt, wie schön, Kinners, ist das Wort *Aquanaut*!!?! Ich habe mich direkt verknallt! Dem nächsten, der mich fragt, was ich beruflich mache, werde ich erklären, dass ich *Cuisinautin* bin: ich lote die Untiefen meiner Küche samt Garten in Südfrankreich aus. 

Dieses Rezept ist einem Lieblingskochbuch einer Feriengästin (coucou Annette) entlehnt, die sehr gut wußte, wie leicht sie mir mit dem Durchblättern eben desselben (und noch mehr dieser Schätze) die heißen Mittagsstunden vertreiben konnte. Ich habe mich also für diesen Teller grob ortientiert an *The modern way to cook*. Und wiederum von der gleichen Gästin ist vom Jahr davor das Rezept der superleckeren Saaten-Cracker - ein sehr fruchtbares Miteinander also unter uns beiden! Oder so leicht geht Inspiration, wenn man einen ähnlichen Geschmack hat! Nicht zu vergessen: auch einige Tomaten sind Mitbringsel von ihr - in Echtgröße und als aufgegangener Samen auf den Fotos auszumachen. Die herzförmige schwarz-rot gemusterte heißen bei uns nun *Annettes Schönlinge*.


Zutaten 2-3P:

200g Linsen*
2 Knoblauchzehen
1 Tomate
einige Zweige Thymian
1 Lorbeerblatt
1 Stück Kombu-Alge
ca, 750ml Gemüsebrühe
Balsamico-Reduktion*
 
400g Kirschtomaten
1 Knoblauchzehe
2 TL Thymian, getrocknet
Salz, Pfeffer
eine Prise Zucker
Olivenöl 
2 EL Semmelbrösel
(optional: einige, frische Feigen)

100g Ziegenfrischkäse*
Abrieb einer 1/2 Zitrone
2 TL Meerrettich-Crème

Zubereitung:

Den Backofen auf 220°C vorheizen.

Die Linsen zusammen mit dem ungeschälten Knoblauch, der ganzen Tomate, dem Thymian, Lorbeerblatt, Kombu-Alge und der Gemüsebrühe aufstellen und ca. 25min köcheln lassen bis die Linsen gar sind - gegebenenfalls noch etwas Wasser zufügen. Lorbeerblatt und Alge entfernen. Mit Balsamico-Reduktion würzen.

Währenddessen die Kirschtomaten halbieren in eine Gratinform setzen, mit Thymian, Salz, Pfeffer und einer Prise Zucker würzen und mit Oliven beträufeln. Für ca. 15min in den Ofen schieben (für die letzten 5min die halbierten, kleinen Feigen zufügen).

In einer Pfanne Semmelbrösel in etwas Olivenöl zusammen mit dem fein gewürfelten Knofi rösten. In einer Schüssel Ziegenfrischkäse, Zitronenabrieb und Meerrettich mischen.

Zum Servieren die Linsen zuerst in einen tiefen Teller geben, darauf Meerrettich-Käse, Tomaten und Brösel anrichten.

Anmerkung m: die Linsen sind besser verdaulich, wenn man sie über Nacht in Wasser einweicht/ Balsamico-Reduktion und Meerrettich gehen mir nie aus - beides hält sich gut, auf beides möchte ich jeder Zeit zurückgreifen können/ anstelle von Ziegenfrischkäse wurde im Original körniger Frischkäse verwendet/ Veganer ersetzen durch vegane Produkte Ziegenkäse und Meerrettich-Crème


4 Kommentare

  1. Wie du die Themen miteinander zu verknüpfen verstehst, erstaunt mich immer wieder, Micha! Ich schließe mich dir an, dass man nicht oft genug betonen kann, wie wichtig die Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit in einer Gesellschaft ist. Das ist bereichernd wie anstrengend, aber wer will schon "one size fits all"?! Das sollte man sich selbst in Krisenzeiten wieder und wieder bewußt machen!

    viele liebe Grüße von Johanna (die selten kommentiert, aber alles liest ;-))

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    1. Danke für deine Wortmeldung, Johanna, und deine Unterstützung - ich fühle mich sehr gut verstanden von dir. Bioversität macht die Natur besonders vielfältig und Diversität bei den Menschen. Manchmal hat man den Eindruck *darüber* redet es sich leichter als miteinander - wenn die Meinungen auseinander gehen. Dabei sollte man das in einer Demokratie gewohnt sein - und dementsprechend geübt darin! Leben und leben lassen!!!! In diesem Sinne, schönes WE :)

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  2. Schöner Text und tolles Rezept! Für mich gilt bezüglich Unterschiedlichkeit, dass sie daran zu messen ist, ob man anderen mit seiner eigenen Freizügigkeit Schaden zufügt durch Leichtsinn, nicht-Hinterfragen oder Rücksichtslosigkeit als der Kernpunkt alles Denkens. Das gilt für Wissenschaft wie für das "normale", tägliche Leben. Allerdings lebt es sich nach dieser Maxime weitaus weniger leicht als nach der anderen, so habe ich oft den Eindruck. Bon weekend! Sunni

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    1. Eine Mischung, Sunni, mit der Miteinander wie geschmiert laufen dürfte: eigene Werte, denen man sich freiwillig unterstellt plus gesunder Menschenverstand! Euch auch ein schönes Herbst-Wochendende!

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