*Digital Detox* ist eines dieser Worte, bei denen ich meine Augenbrauen gar nicht soweit gen Haaransatz gezogen bekomme, wie ich gerne könnte. *Leute! Gehts noch melodramatischer?!* Nee, also echt, dann kommt man halt mal ohne Internet zurecht, legt das Handy aus den Händen und lässt den Läpi zu. Ging doch vorher auch! Aber weder braucht es dafür ein hochtrabendes Wort noch heroisches Gedöns. Tssss, ehrlich jetzt....
Bums. Prompt brach hier Telefon samt Wlan zusammen! Stichwort *selbsterfüllende Prophezeihung* - manchmal sollte man manche Gedanken nicht weiterspinnen... Stromausfall gehört in Südfrankreich in unregelmäßiger Regelmäßigkeit dazu - worüber ich anhaltend staune. Schließlich sprießen in Frankreich die Atommeiler wie Pilze aus dem Boden. Daher sollte man meinen, dass es an Elektrizität in Frankeich nie mangeln kann. Und im Vergleich erinnere ich mich an keinen einzigen miterlebten Stromausfall in Deutschland - obwohl ich bereits vor mehr als 15 Jahren Deutschland verlassen habe.
Also warten der Habib und ich den ersten Tag ab, ob bis zum Abend der Internet-Schalter wieder umgelegt wird. Nein, am nächsten Morgen blinkt unsere Router weiterhin rot. Keine Verbindung. Wir beschließen auf die Post ins Nachbarort zu pilgern, denn dort stehen für die allgemeine Nutzung zwei Computer im Nebenräumchen. Ein Mal am Tag zumindest im Postkasten nachzuschauen ist doch erste Staatsbürgerpflicht, oder? Doch die Post ist zu. An der Eingangstür klebt ein handgeschriebenes Schild: *Die Post bleibt vom 16. Februar bis einschließlich 23. Februar geschlossen, bis die Reparaturen aufgrund eines Brands abgeschlossen sind.*
Der Habib und ich schauen uns an: *Krass, eine ganze Woche!* und fahren noch eine Ortschaft weiter. Dort stellt sich raus, dass wir da schon seit Ewigkeiten nicht mehr auf der Post waren: die Filiale wurde trotz Widerstand der Bevölkerung bereits vor einem halben Jahr geschlossen.
So, wohin nun? Alle Cafés und Bars mit Wlan-Möglichkeit sind nach wie vor zu. Wir kaufen erst einmal im Bioladen in der nächsten Kleinstadt ein paar fehlende Kleinigkeiten ein. Üblicher Smalltalk an der Kasse. Dort stellt sich raus, dass Crest ebenfalls ohne funktionierender Telefonleitung ist - so wie die ganze nähere Umgebung. *Heute morgen haben sie im Radio gesagt, dass sie die Leitung wieder bis zum 3. oder 4. März hergestellt haben wollen*. *3. oder 4. März!?* wiederhole ich wie eine Gehirnamputierte und zwei Oktaven höher als in meiner üblichen Stimmlage! *Das wären ja noch über zwei Wochen*, fasse ich zusammen - brilliant für meinen angeschlagenen Gesamtzustand. Ich bin anständig schockiert!
Um es abzukürzen: ein Technikraum (eigentlich zwei) von Orange wurde durch Brandstiftung schwer beschädigt. Es kam weniger hart als erwartet: insgesamt ging vier Tage das Internet nicht, am vierten Tag fehlte zusätzlich die Elektrizität. Gestern war die Normalität wieder zurückgekehrt - was mir Samstag morgens richtig gute Laune machte! Denn Hand aufs Herz: ich habe mein liebstes Spielzeug sehr vermisst. Kein schnelles Nachschlagen um mein Brotrezept herauszusuchen, kein Vorturner für mein alltägliches Yoga, keine kleineren Surfereien zwischendurch, keinerlei sonstigen Online-Zwitschereien... Und das, obwohl ich keine ernsthaften Schwierigkeiten habe, mich bei frühlingshaften Temperaturen im Garten zu beschäftigen: zwischen den ersten Schneeglöckchen, Hundsveillchen, Gänseblümchen und Krokussen die ersten Erbsen, Radieschen und Frühlingszwiebeln aussäen, Wein zurückschneiden, Unkraut rupfen... Schön wars. Ebenso die tiefere Stille im Tal, den von außen wird ja doch (leider) eher Unruhe hereingetragen als Frieden. Und trotzdem.
Wenn wir etwa in Madagaskar rumturnen, dann stellen wir uns darauf ein, dass Internet ein kostbares Gut ist. Aber hier wie gewöhnlich keinen Zugang zum Netz zu haben, fühlte sich völlig inkazeptabel an. Ich glaube, uns ist gar nicht bewußt, WIE sehr wir alle in der Zwischenzeit im Netz kleben. Also mir ist das gerade sehr vor Augen geführt worden (da geht ja nix mehr - es blieben ja währenddessen nicht nur die Postfilialen geschlossen). Ja, ich behaupte, kappe in Großstädten sämtlichen Mobilfunk und zwei Tage später steht der Mopp auf der Strasse, dann hat er die Faxen dicke - und zwar egal welche! Ohne den Ruhigsteller, ohne die Droge Nummer Eins wirds brenzelig! Wirklich ein empfindliches Ziel so ein Telekommunikationstechnikraum! Oder hättet ihr euch die letzten Wochen Lockdown ohne Internet vorstellen können?
Linsen kann es gar nicht oft genug bei uns geben - sie schmecken mir egal wie zubereitet. Den wilden Thymian sammle ich auf den uns umgebenden Wiesen selbst und dieser schmeckt besonders intensiv. Thymian riecht einfach fast so gut wie frisches Heu!
Die Würstchen kennt ihr schon - das Rezept habe ich um meine erweiterten Erfahrungen präzisiert. Sie passen in ihrer Schärfe und Wrüzigkeit prima zu den Lauchlinsen. Allerdings ist diese Zubereitung in der Zwischenzeit schon auf Platz zwei der Pflanzerl in Rollenform gerutscht. Die neueste Goldmedaille im veganen Würstchenverein dieses Foodblogs präsentiere ich euch in Kürze...
Zutaten 2P:
100g Linsen (m: grüne)1 Lorbeer-Blatt
2-3 Stangen Lauch (ca. 300g Lauch)
1 Schalotte
2 Knoblauchzehen
1/2 Bund Thymian (m: ca. 2 TL wilder, getrockneter)
1 EL Mandelmus*
100ml Mandelmilch*
Noilly Prat
etwas Gemüsebrühe
Salz, Pfeffer
6 Tempeh-Würstchen
Olivenöl
Zubereitung:
Die Linsen mit dem Lorbeerblatt mit kaltem Wasser bedecken und in ca. 20min garen. Lorbeerblatt entfernen.
Parallel den Lauch zubereiten. Dafür den Lauch putzen, der Länge nach vierteln und dann in feine Streifchen schneiden. Schalotte wie Knoblauch fein hacken. In einer Pfanne etwas Olivenöl erhitzen und die Schalotte zusammen mit dem Knoblauch glasig dünsten. Den Lauch kurz mitdünsten. Mit Noilly Prat ablöschen.
Die gegarten Linsen sowie die Thymianblättchen zufügen, Mandelmich und etwas Gemüsebrühe anschütten, salzen und pfeffern und bei sanfter Hitze zugedeckt ca. 10 - 15min köcheln lassen. Zuletzt das Mandelmus untermischen und nochmals würzig abschmecken.
Gleichzeitig die Würstchen in heißem Olivenöl rundherum anbraten. Zusammen mit den Lauchlinsen servieren.
*Anmerkung m: wers nicht vegan mag, nimmt Sahne anstelle von Mandelmilch und -mus.
*der* Vorhut - jetzt stehen die Schneeglöckchen bereits in Grüppchen |
Linsen und Lauch miteinander kombiniert stelle ich mir köööstlich vor und werde es natürlich ausprobieren.
AntwortenLöschenWeichst du die Linsen nie vor dem Kochen ein?
Größere Linsen, Sabine, würde ich auch am Abend zuvor einweichen - bei kleineren (wie die Beluga oder grünen Linsen) ist das nicht zwingend notwendig. Manchmal (meist) koche ich Linsen auch mit einem Stück Kombu-Alge, was deren Verträglichkeit fördert. Wichtig für die Kochzeit ist aber, kein Salz zuzufügen!
Löschendanke für den Tip mit der Kombu-Alge - werde ich mir besorgen
AntwortenLöschenLiebes Salzkorn,
AntwortenLöschenmeine Frau Barbara ist ein Fan von dir und es ist sehr gut so. Jeden Tag brauche ich nicht lange zu überlegen, was am Mittag oder Abend auf den Tisch kommt. Sie hat immer ein tolles Rezept von dir zur Hand, das ich natürlich mit unendlich viel Vergnügen dann für uns vorbereite.
Die Erzählung über deine melodramatischen Tage mit dem Internet und dann die Elektrizität fanden wir sehr spannend. Aber als Franzose kann ich das nicht auf mir sitzen lassen, die leider bald privatisierte Elektrizitätsgesellschaft EDF so unsanft zu behandeln ... Und als Deutscher erlaube ich mir dir den folgenden Link zu schicken: https://www.wa-stromerzeuger.de/stromausfaelle-in-deutschland/
À chaque jour suffit sa peine.
Wir mögen – genau wie unser Département Aveyron - die Drôme sehr. Meine Nichte wohnt in Poyols mit ihrem kleinen Sohn und wir reisen gerne dahin, da wir sicher sind ein paar ruhige Tage ohne Internet verbringen zu können. Und wenn noch dazu der Strom ausfällt, sind wir unendlich glücklich. Es gehört einfach zu dieser wunderschönen Gegend und den dazu passenden Bewohnern. Genieß es, sonst hättest du nicht so viele kulinarische Inspirationen.
Gruß auch unbekannterweise an deinen „bien aimé“.
Jean-Marie
Lieber Jean-Marie, ich danke dir für deinen charmanten, eine Brücke schlagenden Kommentar - SOOO unterschiedlich ist dann das Leben halt doch nicht, hüben wie drüben! Das wissen wir deutsche Franzosen - französische Deutsche ja :))
LöschenHinter die Aussage von dir: *die leider bald privatisierte Elektrizitätsgesellschaft EDF*, setze ich hinter das *leider* ein Ausrufezeichen!
Und ansonsten muss ich mir wohl zumindest um euren Medien-Konsum keine Sorgen machen - sonst würdet ihr euch auf den *Digitalen Detox* nicht bereits vorfreuen. Aber veilleicht hat die Vorfreude auch mehr mit Frankreich als mit dem nicht vorhandenen Internet zu tun...
So hoffe ich, dass ich Dich und Barbara noch öfters kulinarisch inspirieren kann... aus der wunderschönen Drôme, von wo ich mich nicht mehr verpflanzen lasse! herzliche Grüße zurück...
Auch in Deutschland kann mal Internet und Festnetz ausfallen, so geschehen in unserem "Tal der Tränen" , eine Woche lang bis die Telekom eingesehen hatte dass es doch an ihren Aussenleitungen lag... War etwas doof eine Woche vor Weihnachten mit unserem Internetshop.
AntwortenLöschenLiebe Grüsse nach Frankreich,
Britta
So, die Lauchlinsen haben mich nicht nur sehr angelacht, sondern sie passten auch gut zu meiner Vorratslage. Ich habe sie Dir nachgemacht und sie waren köstlich. Vielen Dank für die Inspiration.
AntwortenLöschen