Man hat ja von einigem genug gerade. Da bin ich nicht allein, ich weiß... Auf die lange Liste all der Dinge, derer ich gerade mehr als überdrüssig bin - kurz mit *Überdosis* übertitelt - zählt zweifellos der Gebrauch des Konjunktivs II (würde, hätte, könnte...)! Informationsfluss ohne gedachte, angenommene, mögliche, realistische oder unrealistische Sachverhalte ist seit Monaten völlig undenkbar! Denn mehr denn je ist jederzeit ALLES denkbar - besonders im Hinblick auf Leben und Tod.
Hantieren
Künstler im Gespräch mit dem Konjunktiv II (gerne, wenn es um
geplante, zukünftige Projekte geht) weiß man, dass diese Luftschlösser
von diesem Phantasten NIE in die Realität umgesetzt werden. Aber schön,
dass man mal darüber gesprochen hat. Hingegen für Politiker ist
Konjunktiv II die normale Amtssprache. Da ist man als Zuhörer daran
gewohnt, dass sprachlich alles an seidenen Fäden in der Luft baumelt,
dass man keinen von ihnen beim Wort nehmen darf - schon gar nicht auf
Langstrecke.
Momentan
landet jedes Gespräch zwangsläufig eher früher als später bei dem
allesbeherrschenden C-Wort und direkt im Anschluß bei Politik im
allgemeinen und besonderen. Ebenfalls etwas, auf das ich gut und gerne
verzichten könnte. Nicht von ungefähr zählt zum französischen Benimm,
politische Themen zu Tisch zu meiden. Hier scheint man noch zu wissen,
was mit der wertenden Aussage über einen Menschen *der macht doch
Politik* gemeint ist. Denn wie gebärdet sich denn eine solche Person?
Wahrheitsgemäß? Aufrichtig? Anständig? Welche Stimmung wird dabei
verbreitet? Und wozu? Na? Mal drüber nachgedacht?
Vermutlich
erhielt Politik zuletzt um den 2. Weltkrieg oder kurz um den 9/11 so
viel Aufmerksamkeit. Jedes Katzenvideo hatte mehr Klicks bei Youtube als
die Neujahresansprache der Kanzlerin, spöttelte einst Roger Willemensen
über das Interesse an politischen Verlautbarungen. Eine kürzliche
Umfrage des Allensbach Instituts wollte wissen *Wie sehr vertrauen Sie
eigentlich noch den agierenden Parteien?* Das bedenkliche Ergebnis: über
80 Prozent der deutschen Bevölkerung gab an, den Politikern nur noch wenig bis
gar nicht mehr zu vertrauen (via Sahra Wagenknecht
- empfehlenswerter Link zu dieser Ausgabe ihrer Wochenschau). Nich
soooo super für eine Demokratie. Wie wählen, wenn man jenen misstraut,
denen man seine Stimme übergeben soll?
Ach, mir wäre wohler, wenn ich in Zeiten wie diesen einen Beobachter wie den Roger in den Besuchertribünen der Parlamente dieser Welt sitzen wüßte! Sehr leider Konditional II! Sehr leider ist Roger Willemsen 2016 gestorben. Ein ganzes Jahr, von Januar bis Dezember 2013, nahm Roger Willemsen an den Debatten im Deutschen Bundestag teil, passiv als leidenschaftlicher Zeitgenosse und »mündiger Bürger« mit offenem Blick . So entstand sein Buch *Das Hohe Haus*. Man könne, begründete Roger seine Arbeit, einen so wichtigen Ort wie das Parlament - das dafür da ist, um die Regierung zu regulieren - nicht alleine den Journalisten überlassen, die ebenso wie die Politiker ganz mit dem tagesaktuellen Geschäften beschäftigt seien.
Ich habe Roger Willemsen immer besonders gerne zugehört (lieber als gelesen) - etwa wie hier in diesem Interview *Lesenswert* zu seinem Buch *Das Hohe Haus* oder in den Sternstunden des SZ, in denen er die Neugier als Leitmotiv seines Lebens hochhält. Oder hier im SWRUniTalk.... Ich höre ihm immer noch gerne zu (im Gespräch mit Karl Lagerfeld oderoder).
Ich
mag seine verschwurbelten Sätze, die von seinem galoppierenden Intellekt
geprägt sind, seine Schnelldenkerei mit riesigem, abrufbaren Fundus an
Sach- und Lachbeispielen, wenn er Solidarität den Schwächeren
gegenüber zeigte, ein Halbstarker (wie er sich gerne selbst nannte), in
allem Hochtrabenden ebenso zuhause wie im Trash. Roger wollte Menschen sehen, die wie er für etwas einstehen, brennen,
durchs Feuer gehen! Mich hat das sehr für ihn eingenommen.
So
ist nicht verwunderlich, dass eine seiner größten Kritiken nach einem
Jahr Hospitanz im Plenum dem mehr und mehr verpflichtenden
Fraktionszwang galt: *wenig Überzeugungstäter sondern zunehmend
Yuppies, die das Vermissen lassen, was man am ehesten unterstellen würde
für eine parlamentarische Karriere: Haltung! Dem eigenen Gewissen
verpflichtet sein.* Nachschwätzer, Wendehälse und Fähnchen im Wind,
die nur die Lieder derer pfeifen, die ihnen die Karriereleiter halten,
waren ihm ein Greuel!
Und - als Brückenschlag zu heute - beklagte Roger bereits 2013, dass seinen Beobachtungen nach das Interesse an echten Auseinandersetzungen verloren gegangen sei: drinnen im Reichstag wie draußen auf der Strasse. Man habe, meinte Roger, im Parlament dauernd das Gefühl, alles steht bereits fest, die Reden sind geschrieben, niemand läßt sich noch bewegen. Diskussionen mit dem Ergebnis *Sie haben mich überzeugt, ich muss meine Meinung überdenken, das Argument war gut, ich sollte meinen Standpunkt ändern*, Momente wie diese fanden nie statt. Man stelle sich seinem Gegenüber (anderen Parteien) nicht, zeige nicht nur maximales Desinteresse sondern ließe es im Umgang an grundsätzlichen Höflichkeiten fehlen.
Für alle, die Roger ebenfalls missen, denen empfehle ich außerdem das Feature zu Roger Willemsen im Deutschlandfunk (coucou Katharina). Einer meiner Lieblingssätze über ihn: Er war kein Urlauber, er war ein Reisender!
Es wird Zeit, dass wir uns wieder lebendig fühlen: Reisen und Erlebnisse, das hilft, sich nicht mit grauer Theorie rumzuärgern, sondern sich auf das eigene Leben zu besinnen! Mit den angekommenen Feriengästen (Wiedersehen macht Freude!) blüht die Hoffnung auf, dass wir alle wieder ein wenig mehr zu Atem kommen und dass das Leben wieder mehr aus süßen, lebenswerten Momenten besteht! In wenigen Tagen (Mittwoch!!) eröffnen die Restos und Cafés in Frankreich ihre Terrassen! YEAH! Mal wieder einen richtigen Café in einem richtigen Café - so gehen heute echte Events!
Zutaten - längliche Tarteform:
Tarteboden:
100g Mehl
50g gemahlene, geschälte Mandeln
40g Rohrzucker (m: zu Puderzucker gemahlen)
1 Pr Salz
70g Butter, nicht zu kalt
1 Eigelb
1 TL Crème fraîche
1/2 Tonkabohne, Abrieb davon
Hülsenfrüchte zum Blindbacken
350g Rharbarber
50g Himbeeren*
50g Rohrzucker
60g Holumderblütensirup (alternativ Saft einer Orange)
1 TL Orangenblutenwasser
4 TLSpeisestärke
300g griech. Joghurt
100g Mascarpone
2 Blatt Gelatine
30g Zucker
2 TL Verveine-Blätter, feinst gehackt
Deko: gehackte Pistazien
Zubereitung:
Apfelbäume sind wie die Quitten - Deko der Tarte - schon längst verblüht |
Liebe Micha, wie gut beobachtet! Und tja, ich hätte gedacht, dass die Rhabarberkuchenära für dieses Jahr mit dem vierten in Folge abgeschlossen wäre, aber siehe da: Konjunktiv II ;-) dieser lacht mich so an, dass er in absehbarer Zeit bei uns auf dem Tisch stehen wird - Futur I = nächstes Wochenende! Maigrüne Grüße von Hannah
AntwortenLöschenUnd, liebe Hannah, kannst du schon sagen, welcher Rhabarber-Kuchen bei euch die Nase vorn hatte! Dein Rhabarber macht ja vorbildlich - vielleicht hat auch ein anderes Rezept den Favoriten-Platz?
LöschenDeine Tarte gefällt mir auch besser als die deutschen Kuchen - aber zum Glück gibt's ja genügend Rhabarber. Da können wir die Überdosis mal so, mal so verarbeiten.
AntwortenLöschenJa, Roger Willemsen fehlt. Nicht nur er.
Also ich mag ja beides, Barbara: deutsche Kuchen und französisches Gebäck. Dabei finde ich auch, dass beids seine Berechtigung hat. Die französische Pâtisserie kommt halt sehr filigran daher, weil meist nur als kleine Stückchen gebacken. Aber will man eine größere Runde mit Süßkram glücklich backen, dann hat definitiv der deutsche Kuchen oft seine Nase vorn. Für Zuckerbäckerei will ich einfach nicht lange in der Küche stehen ;)
LöschenUnd ja, es würden uns bestimmt noch mehr einfallen, die zu früh gestorben sind...