ein guter Mensch - vegane Ofen-Bällchen

Dienstag, 7. Mai 2024


Habt ihr 6 Minuten? Dauert deutlich länger als ein Reel von maximal 90 Sekunden. Wobei die durchschnittliche menschliche Aufmerksamkeitsspanne bei der Mediennutzung angeblich bei gerade mal 8 Sekunden liegt. Dank App-Entwickler aber mit längerer Häftung. Viel längerer. Anna Barling hat sich in ihrem Poetry Slam über  die Menschen, die sich in den Reels (Stories ectpp...) selbst darstellen und zwar bevorzugt als guter Mensch, Gedanken gemacht (s.u.) . Und ich mir dann auch.

Ich finde, Anna macht das nämlich gut, wie sie diesen medialen Vorzeigemensch immer schneller um sich selbst drehen läßt und ihn dabei in seiner ganzen scheinbaren Mustergültigkeit präsentiert. Mit der Wirkung, dass er in seiner hübsch beleuchteten Vorbildlichkeit erschlägt und allen anderen nur zu klar vor Augen hält, dass sie sich gar nicht erst auf den Weg machen müssen - sie können dabei nur grandios scheitern. Man braucht gar nicht erst versuchen, sich von seinem Sofa aufzuraffen, denn all das ist nicht zu leisten.

Mehr noch veranschaulicht Anna aber, dass das Sezieren über Maß und Zahl den Tod bringt. Man meint, eine immer feinere Analyse müsse zwangsläufig mit mehr an Erkenntnis einher gehen. Stattdessen fehlt den tausend Schnipsel jeder Zusammenhang, stattdessen führt die Überdosis an Information nur zur Verwirrung bishin zum Herzstillstand. Das Gefühl erdrosselt und erschlagen von all den verknoteten Spaghettis im Kopf. Das Auseinandernehmen, die Analyse der Welt über die mentale Ebene führt grundsätzlich ins Leere und nie zu einer Lösung, denn - das kann man sich gar nicht bewußt genug machen - im Raum kann man die Dinge endlos hin und her verdrehen: es läßt sich stets auf ein Argument ein Gegenargument zu finden. Hey, und wozu sich bei dem Thema *guter Mensch* auch das Gehirn verrenken? Wir wissen ( par coeur - auswendig, vom Herz wie der Fränzi so hübsch sagt), was anständig und unanständig ist. Und wenn man gezwungen ist, das erklären zu müssen, ist eh rum.

Mir fällt dazu als allererstes eines meiner spirituellen Vorbilder ein: der Leibarzt des Dalai Lama. Sieben Jahre war er in einem chinesischen Konzentrationslager inhaftiert und wurde auf alle erdenklichen Arten gequält. Er hielt dagegen mit ehernem Aushalten und eisernem Festhalten an die unsichtbare Welt durch Gebet. Nie ließ er sich von all den grauenhaften Misshandlungen hinreißen in Wut, Zorn oder Aggression zu geraten. Stattdessen nahm er die Situation an als Teil seines Lebensplans, erklärte sich seine Lage damit, dass er oder seine Familie in der Vergangenheit wohl schlechtes Karma angehäuft haben und er nun die Gelegenheit erhält, davon abzubauen. Wie übermenschlich!

Definitiv Next Level von *Doch ich sage euch: Leistet keine Gegenwehr, wenn man euch Böses antut! Wenn jemand dir eine Ohrfeige gibt, dann halte die andere Wange auch noch hin! (Matthäus 5,39). Es ist, wie unbeirrbar der Leibarzt des Dalai Lama an seiner inneren Wahrheit festhielt, während er so leiden mußte, was mich tief beeindruckt. Und was eine Größe der Selbstbeherrschung und Entsagung! Allerdings ging die Zeit nicht spurlos an ihm vorbei. Als er nach seiner Freilassung wieder seinen Beruf als Arzt aufnahm, musste er zugeben, dass sein Glaube an die Spezies Mensch Schaden genommen hatte: was Menschen Menschen antun können...Das Böse im Mensch.

Das tönt so anders wie diese verblendete medial propagierte Fit-For-Fun-Mentalität. Als wäre Erde nur zur Bespaßung erdacht. Ja, zugegeben, ich hätte es ebenfalls gerne lustiger, leichter, heiterer. Aber um die Mischung kommt wohl keiner, kein Rosinenbrötchen ohne Brötchen... oder so...Komm, eine kleine Reel-Break für alle Yogis: Happy Baby mit Baby (Zucker!)

Von einer Freundin bekam ich das Buch *Goehte - der heilkundige Dichter* geschenkt, gespickt mit viel Anregung und Ermutigung für mich, als ich es brauchen konnte. Wie sehr Goethes Biographie gekennzeichnet war von Krankheit und Trauer, war mir nicht geläufig. So finden sich Zitate wie *Der Mensch, der nicht geschunden wird, wird nicht erzogen.* Oder:

*Unglück bildet den Menschen und zwingt ihn sich selber zu erkennen
Leiden gibt dem Gemüt doppeltes Streben und Kraft
uns lehr, eigener Schmerz, der anderen Schmerzen zu teilen
eigener Fehler erhält Demut und billigen Sinn*

Als großen Möglichkeit zur Heilung setzt Goethe neben der Natur u.a. die Tätigkeit. Und zwar niemand, der fleißig ist, um einen bestimmt Zweck damit zu erreichen, um zu beeindrucken, Erfolg zu haben, befördert zu werden, der Anerkennung und des Ruhmes wegen, für Geld, Klicks oder Medaillen, der alles tut, um wahrgenommen zu werden, dabei sich selbst ausbeutet und seine Würde vergißt, weil er geliebt werden mit gelobt werden verwechselt,... Nein, Menschen, die aus sich heraus tätig sind - Intrinsische Motivation genannt.- aus Neugier, aus Spaß am Machen, aus Lust am Ausprobieren und am Aufbauen, weil tätig sein lebendig sein bedeutet und darin Werden und Entwicklung enthalten ist.

Als Teil des Heilens empfiehlt Goethe weiter, sich selbst eine Stimme zu geben, das, was im Inneren in Bewegung ist, nach außen zu setzen, um es sich bewußt zu machen - sei es durch Gespräche oder Kunst. Die Kraft des Rückzugs, Begleitung von liebevolle Herzen, der Natur... das Buch kam wirklich genau richtig.

Tsss, jetzt schreibt die Alte nur so selten und dann muss es direkt wieder so schwer und gesellschaftskritisch sein, denkt ihr vielleicht. Stattgegeben. Aber das Schöne daran ist, dass ich mir aus der sog. Gesellschaft - rein gar nichts mache. An ihr spiegelt sich lediglich der Zeitgeist prima wieder. Mit Gesellschaft als solcher halte ich es ganz mit Byul-Chun Han: im Neoliberalismus ist im Sinne von Miteinander oder Schicksalsgemeinschaft nichts mehr übrig. Was bleibt ist eine uniforme Masse, die in der Sicherheit der Mehrheit unterschlupft und Konsens braucht. Ein Individuum aber ist nur an anderen Individuen interessiert und sucht mit denen Begegnung und Austausch.

 


Auf diese Weise oder so ähnlich sind wir im Mai gelandet - einer der schönsten Monate im Jahr. Einer der schönsten Monate in der Drôme. Ich sammle Kräuter und Gewürze, gehe Blumensträuße pflücken, tüttle Tomatenbabys und freue mich auf die Wildorchideen-Wanderung diese Woche. Nebenher wird gekocht. Immernoch täglich. Heute stelle ich euch wieder einen Liebling vor, Gemüse-Bällchen aus dem Ofen. Gut gefallen an dem Rezept hat mir, gleichzeitig die Süßkartoffeln in den Ofen zu schieben. Und durch die Backofen-Zubereitung kann man das Rezept leichterdings auf viele Mitesser ausweiten. Obendrein benötigen sie wenig Fett - kurzum: werden wohl in einer lang angekündigten Zusammenfassung wieder auftauchen...

 

Zutaten 2-3P/ 18 Bällchen:

2 Süßkartoffeln 
1 EL Öl 
1 TL Knoblauchflocken 
1 TL gemahlener Kreuzkümmel 
1 TL Paprika 
Salz nach Geschmack
 ...
für Kichererbsenbällchen: 
1 Zwiebel 
2 Knoblauchzehe 
1 Karotte
ca. 220g Pilz
1 Dose Kichererbsen (von 400g)
40g Hafermehl 
je 1 TL gemahlener Kreuzkümmel/ Paprika/gemahlener Koriander 
Kräuter-Salz 
1/2 TL Pimenton de la vera
Harissa
25g frischer Dill, fein gewogen
 

Zubereitung:

Die Süßkartoffeln schälen, in Scheiben schneiden zwischen einem halben und einem Zentimeter. Aus den anderen Zutaten eine Marinade mischen und die Süßkartoffel-Scheiben darin marinieren.

Für die Bällchen die Zwiebel fein würfeln, ebenso den Knofi. Die Pilze fein/ mittelfein hacken. Die Karotte fein reiben.

In Olivenöl die Zwiebel glasig braten, Knofi zugeben, Karotte und Pilze und einige Minuten dünsten. Zuletzt die Gewürze untermischen.

Die Kichererbsen gut abtropfen lassen, dann mit einer Gabel gut zerdrücken/ zerstoßen. Nun alle Zutaten in einer Schüssel - inklusive Dill und Hafermehl - vermischen. Mit eingeölten Händen 18 Bällchen formen und in eine ofenfeste Form setzen.

Je nach verfügbarer Form Süßkartoffeln und Bällchen zusammensetzen (ich habe 2 Stück genommen), mit Alufolie abdecken und bei 180° etwa 35min in den heißen Ofen schieben. Die Bällchen habe ich die letzten 5 min die Alufolie weggenommen.

Anmerkung m: bei uns gabs etwas Kräuter-Couscous dazu und eine Joghurt-Sauce, außerdem fermentierten Rettich - sehr lecker!

 Quelle: we cook vegan (youtube)

 

1 Kommentar

  1. Guten Morgen, Goethemädchen, wie froh bin ich wieder ein Essay von Dir lesen zu können. Du hast gefehlt. Ganz elementar. Dank Dir für diese Zeilen. Ich bin genauso der Meinung, daß eben alles Schwere, alles heiter Leichte in unserem Lebensplane liegt. Natürlich ist es weit, weit bewundernswerter, was der Leibarzt vom Dalai Lama aushalten musste als irgendjemand anderer. Und dennoch: wir alle dürften im Grunde nicht klagen über unser (selbstgewähltes) Schicksal. Wir sind halt eben auch nur Menschen.....Die Überwindung des Ganzen , das ist die Konsequenz. Micha, herzlich dank ich Dir. Die Küchlein werden bald auf unsrem Tische landen. Herzgrüssle Evi

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