Adventskalender♥️22

Montag, 15. Dezember 2025

 

Gerade lese ich das Buch *Geboren mit Sand in den Augen* von Mano Dayak, welches von dem nomadischen Leben der Tuareg in der algerischen Wüste erzählt. Ich mag es sehr. Die Schilderungen stecken voller Weisheit. Den *größten aller verbotenen Gärten* nennt Mano Dayak seine Heimat, ein Ort, an dem das Leben ständig bedroht und *der Tod dem Augenlid näher als das Auge* ist. *Verlasse ja nie die Wüste, denn die Wüste reinigt die Seele... Fern von ihr bist du taub und blind*, schärfen die Tuareg-Mütter ihren Kindern ein. Der Habib kennt die beschriebenen Landschaften gut - vielfach kreuzte er alleine durch die endlosen Weiten der sich über gigantische 6000km erstreckende Wüste. Mit leuchtenden Augen schwärmt er bis heute von den nicht verblassenden Eindrücken.

Mano Dayak wird sich weit von seinem Geburtsort entfernen. Er lebt in New York, Paris, in der Hoffnung durch mehr Bildung irgendwann seinem vertriebenen und gedemütigten Volk helfen zu können. Dort, in den Großstädten, beobachtet er die Begegnungsunfähigkeit der Menschen. *Sie zeigen nur Geringschätzung und Gleichgültigkeit. Sie wissen nicht, dass das wahre Glück darin liegt, einem anderen Menschen zu begegnen und in seine Arme zu nehmen. Ihre Wüste macht mir Angst. Man muß sagen, daß sie keinen Orientierungspunkt haben. Die Sterne leuchten so selten am Himmel von Paris. Das macht die Menschen taub und blind.*

Wie poetisch und pathetisch formuliert. Es braucht den Ausblick in die Weite des Universums und seine Sterne, um sich orientieren zu können. Wer keinen Boden unter den Füßen hat, der hat auch keinen Himmel über sich , habe ich es genannt! Oder: Man muss immer wissen, wo man ist und wo man hin will, sonst geht man tot* lautet die Habib-Erkenntnis aus seinen Wüsten-Durchquerungen - etwas, das sich generell aufs Leben übertragen läßt.

Denn nur so ist man gerüstet, für ein weiteres, mystisches Paradox. Zuerst hat man sich selbst zu lieben, bevor man jemand anderen lieben kann. Man muß erst jemand sein, um überhaupt in Beziehung treten zu keinen. Es muß einen geben, es braucht einen Stand, eine Haltung, eine innere Feste, eine klare Ausrichtung -  dann erst kann man wirklich Kontakt zu einem anderen knüpfen. Man hat sich hinzuentwickeln zu einer einsamen Nomade im Weltraum, einem Einzelwesen, einem erstarkten Menschen mit Ichkraft, einem Freigeist ohne Ego, einem Menschen mit Ehrfurcht vor sich selbst aber ohne Dünkel und Selbstanmaßung (wie es Goethe formuliert), einem wahrhaftigen Individuum, dann, ja dann kann man hoffen auf echte, fruchtbare Verbindung. 

Auf dem Weg dahin lernt man neue Gefühle kennen, wie das von universeller Einsamkeit - aber auch von universeller Verbundenheit. Ich brauche nur den Blick in den Nachthimmel und sein Sternenzelt zu erheben, in die unermessliche Weite: alles hat seinen Platz, alles folgt einer Ordnung, alles steht in Zusammenhang untereinander. Und dann stellt sich bei mir tiefe Sehnsucht ein, meinen Platz und meine Verbindung in dieses große Ganze ebenfalls einnehmen zu dürfen. Dabei sing Marlene Dietrich, die mit einem meinen Literaten-Helden zusammen war, Erich Maria Remarque, für Türchen 22 meines Liebeslieder-Adventskalenders von ihrem Bezug zu sich selbst.


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