Von all den Möglichkeiten und Freiheiten, die ich mal als selbstverständlich annahm, vermisse ich u.a. besonders, mit dem Habib in einem Café zu sitzen und Menschen zu beobachten: eine echte, gemeinsame Passion, das Intersesse am Menschen, die Lust an der Phänomenologie, die Verfeinerung unserer homöopathischen Studien - das war immer SO inspirierend und wurde und wurde nicht fad. Das fehlt mir sehr!
Regelrecht unerträglich finde ich, dass durch die Maskentragerei die Gesichter hinter einem Stück Stoff verschwinden. All die nonverbale Kommunikation, die so en passant geschieht und die ganz leicht wildfremde Menschen für ein paar Augenblicke verbindet, fällt völlig weg. Kann man sich als soziales Wesen mehr behindert fühlen, als wenn man kein Lächeln mehr austauschen kann?
*Pantomimik ist ein Esperanto der Gebärden und damit die am weitesten verbreitete Weltsprache überhaupt*, sagt Marcel Marceau.
Vermutlich ist mir Frankreichs großer Pantomime Marcel Marceau durch meine Sehnsucht wieder in den Sinn gekommen. Ich hatte das große Glück Marcel Marceau noch live auf seiner letzten Tour zu sehen - ungeachtet seines Alters füllte er in großer Lässigkeit die Bühne. 2007 verstarb er und liegt nun begraben auf dem schönen Pariser Park-Friedhof Père Lachaise. Mich fasziniert an Marcel Marceau, wie er es schafft, nur mit Mimik und Gebärde emotionale Geschichten zu erzählen ohne dass auch nur ein Wort seine Lippen verlässt.
Dabei habe ich eigentlich Clown-Sperre. Doch als eben solcher, als der tragischkomische Clown *Bip* feierte er besondere Erfolge: im Ringelhemd, einem weiß geschminkten Gesicht, einem zerbeulten Seidenhut und einer roten Blume wurde er einem weltweiten Publikum bekannt.
Früh schon, habe ich nun gelesen, war er angezogen vom Schauspiel. Aber in seiner Jugend war daran nicht zu denken: als in Straßburg lebender Jude hatte er im 2. Weltkrieg ganz andere Probleme. Zusammen mit seinem Bruder schloß er sich der Widerstandsbewegung an, fälsche Pässe (u.a. auch einen eigenen - den Namen sollte er später als Künstler behalten). Drei Mal half er dabei, jüdische Kinder über die Grenze in die Schweiz zu schmuggeln: Arte machte zu diesem Thema einen kleinen Kurzfilm.
Einer
seiner großen Idole war der Stummfilm-Star Charlie Chaplin (dem er nur
ein Mal und auch noch zufällig auf dem Flughafen begegnen sollte) - und
so machte er die *Kunst der Stille* zu seinem Beruf. Erstaunlicherweise schaffte er ausgerechnet in Deutschland seinen großen Durchbruch. 1951 blieb er für zwei Monate in Berlin; zu seinen Aufführungen kamen auch Bertolt Brecht und der Kritiker Friedrich Luft, der schrieb: *Marceau macht eine Kunst, das muss man gesehen haben*. Oder wie sagt Marcel Marceau selbst in einem Interview, das er auf deutsch führte (hier in der BR-Mediathek):
*Pantomie ist die Kunst der Bewegung, der Gebärde, die Menschen zeigt in Handlungen, die komisch-tragisch sind und die die tiefsten Bestrebungen des Menschen zeigen [...] Wir Pantomimen machen das Unsichtbare sichtbar und das Sichtbare unsichtbar.*
Allein
an seiner poetischen Art sich auszudrücken, zeigt sich die
künstlerische Seele von Marceau, der sehr sprachbegabt war, gut deutsch
und englisch sprach aber auch zeichnete und malte. 1978 gründete der die Schauspielschule École Internationale de Mimodrame
de Paris, in der Pantomime, Tanz, Fechten und Schauspiel gelehrt wurden. Ich
behaupte, Marceau ist nicht wegzudenken aus der reichen, lebendigen
(und hoffentlich Pandemie-überlebenden) französischen
Straßentheaterszene.
Schon zu Lebzeiten zweifelte Marcel Marceau manchmal, ob für seine *Kunst der Stille* die Welt mittlerweile nicht zu laut geworden wäre: *Finden uns nicht die bewegensten Momente im Leben ohne Worte?*
Jede Form der Kommunikation kann man nicht hoch genug halten - ganz mit Humboldt: *Sprache ist der Schlüssel zur Welt* - aber ganz besonders das, was zwischen den Zeilen steht und was im echten Leben und Austausch die nonverbale Kommunikation (Mimik und Gestik) ausmacht, trägt die eigentliche Botschaft: ein Zucken der Mundwinkel, eine fahrige Handbewegung, das Hochgehen der Augenbrauen... Das Grimmsche Wörterbuch schreibt einleitend: *Die Gebärde, *ein lange wichtiges Wort mit viel weiterem Lebens- und Begriffskreis als jetzt, gleich seinem Zeitworte [gebaren]*
Und nun bleiben alle zarten, vagen Signale des Gesichts wie kleine Insekten in einem Fliegengitter hängen. Entbehrt ihr diese Form des menschlichen Miteinanders auch so sehr?
Ganz gewiß dauert es noch etwas, bis man von Winterküche auf Frühling umschwenken kann. Geduld - das große Zauberwort! Bis die ersten Frühbeete Früchte tragen, kann man sich zumindest aber schon mal an den ersten Kräutern laben. Und da gehts mir wie einem Wildtierchen: ich weiß gar nicht, wo ich zuerst reinbeißen soll: es leuchtet und winkt alles so einladend frisch und grün!
Geschwister im Blog-Universum: gebratene Bärlauch-Polenta
Zutaten 2P:
400ml Gemüsebrühe
1 Ei
1/2 Bund Bärlauch*
60g Bergkäse
Salz, Pfeffer
Piment d'Espelette
100g Schalotten (m: auch einige sehr kleine Zwiebelchen)
100ml Rotwein
100ml Portwein
1 Zweig Rosmarin
2 Zweige Thymian
1 Zweig Lavendel
2 Nelken
1 TL Zucker
60ml Rotwein
70ml Portwein
70ml Veggie-Jus
60ml Gemüsebrühe
2 EL Tamari
2 EL Balsamico-Reduktion
1/4 TL Thymian
1 Knoblauch
1 Stück Butter
Salz, Pfeffer
Roux*
Zubereitung:
Für die Rotwein-Schalotten alle Zutaten in einen kleinen Topf geben. Die Flüssigkeit nahezu vollständig einköcheln lassen (m: bis auf 1 EL) und die Schalotten beiseite stellen.
Für die Sauce die Knofi fein würfeln und in der Butter kurz anrösten lassen. Dann ablöschen mit
Rotwein und Portwein ablöschen. Brühe und Veggie-Jus zufügen - außerdem den Thymian. Etwas einköcheln lassen, abschmecken mit Balsamico-Reduktion, und Tamari. Salzen und pfeffern. Binden mit einer kleinen Roux. Die Rotwein-Schalotten zufügen.Warm stellen.
Dann Bärlauch, Ei und Käse unter die Polenta mischen. Mit Salz, Pfeffer und Piment abschmecken und mit feuchten Händen flache Laibchen daraus formen.In einer Pfanne Öl erhitzen, die Laibchen darin beidseitig langsam (m: auf heißer Flamme) goldbraun braten.
Dieses Stück gehörte zur Aufführung auch damals in Baden-Baden - es blieb mir bis heute im Gedächntis: der Maskenbauer:
Genau das vermisse ich auch - an einem belebten Platz in einem Café sitzen und Menschen beobachten. Ich liebe das!
AntwortenLöschenDeine Laibchen gefallen mir gut. Der Bärlauch spitzt hier auch schon ein wenig aus der Erde.
Oder, Barbara?! Man könnte es als Hobby bezeichnen: im Café sitzen und Menschen angucken! Irgendwann... daran halte ich mich gerade!
LöschenUnd ran an den Bärlauch - lange geht die Saison ja nicht!
Dieser Friedhof ist ein Fundort aller, die in unserem Gedächtnis leben.Ich habe dort 2 Tage verbracht, und es hätten gut mehr sein können.
AntwortenLöschenIch finde, man kann auch mit den Augen viel sagen. Das bleibt. Und das ist doch auch etwas sehr Schönes und Tröstliches.
Bis zum Bärlauch ist hier noch ein Stücklein hin, aber hervorschauen tut er schon, winzig und zart. Liebe grüße, Sunni
Liebe, treue Sunni, ja der Père Lachaise ist ein besonderer Friedhof, da hast du recht. Mit 17 Jahren war ich zum ersten Mal dort - mit Freundinnen am Grab von Jim Morrison - warum, kann ich gar nicht mehr sagen ;))
LöschenMir fällt erst durch das Masketragen auf, wie wenig mir die Augen als Mimik ausreichen - es tröstet mich leider nicht, sondern ich hoffe, dass die Verschleierung irgendwann wieder wegfällt! viele liebe Grüße zurück...
Mein Mann und ich sind auch leidenschaftliche Cafégänger. Nach einem halben Jahr völliger Abstinenz holen wir uns seit neuestem bei einem kleinen Café an einer Kirche (in Dresden) einen "Kaffee zum Mitschleppen". Wir bleiben an dem Stehtisch davor, auch bei diesen Temperaturen, oder schlendern durch die Gegend. Das hat unser Leben sehr bereichert, vor allem das Rauskommen und Menschen zu sehen tut gut. Viele Grüße von einer sonst sehr stillen Leserin. Julia
AntwortenLöschenDarüber freue ich mich ja stets sehr, wenn sich *eine sonst sehr stillen Leserin*, aus der Deckung traut, Julia :)!
LöschenIch finde, das macht ihr goldrichtig! Auf Stehtische auszuweichen ist bei uns gar nicht so einfach. Das hängt vor allem mit der französischen Café-Kultur zusammen: man kauft sich ein Croissant/ Baguette... in der Bäckerei und trinkt dann seinen Café im Café. Selbst *Café to got* ist hier eine äußerst rare Erscheinung - und wird von manchen Cafés nun in Pandemie-Zeiten manchmal angeboten... aber ohne Stehtische... Einen allerdings haben wir entdeckt (wenngleich vorm Supermakrt jetzt nicht das ist, was man sich so vorstellt - aber man wird ja wenig wählerisch ;) und erfreuen uns an diesen kleinen Momenten! Merci für deinen Kommmentar!