Um Toussaint (Allerheiligen) wird ein Aspekt der Geschichte meiner neuen Heimat der Drôme stets gut sichtbar: die einst kleinteilige Spaltung von Katholiken und Prorestanten sowohl in der Gegend wie bereits in einem einzigen Dorf. Da letztere als *Ungläubige* nicht auf geheiligter Erde begraben werden durften, haben die Hugenotten ihre Angehörigen auf ihrem Privatgrundstück bestattet. Dort sind dann oft mehrere Gräber zusammen - erhalten bis heute - wie mitten auf dem Acker, oft gekennzeichnet durch eine (mittlerweile) stattliche Zypresse. Für Toussaint werden die Gräber geschmückt mit großen Töpfen von bunten Chrysanthemen - so will es die hiesige, christiliche Tradition. Sowohl auf den Friedhöfen wie auf den Hugenottengräbern. In der Blumenwahl zu Allerheiligen demonstriert man Einigkeit.
Freunde im Habib-Alter, die hier geboren sind, lassen die Vergangenheit mit ihren Geschichten wieder aufleben. So erzählte einer, wie es in seiner Jugend in Crest (die nächste Kleinstadt) noch zwei weiterführende Schulen gab: eine für die Katholiken, eine für die Protestanten. Und nicht nur das: es gab auch zwei Apotheken. Eine für die Katholiken und eine für die Protestanten. Ich schüttelte nur mit dem Kopf: *Kann man das glauben?!
Doch der Habib bestätigte ebenfalls, dass noch für seine Elterngeneration eine Heirat zwischen Personen aus den unterschiedlichen Religionen völlig undenkbar war. Als katholisch erzogenes Kind schlich sich der Habib mal in einen evangelischen Gottesdienst (große Mutprobe: was, wenn er dabei erwischt würde?): Doch seine Neugier war zu groß: Was genau für Ungeheuerlichkeiten dort wohl geschehen?
Im Französischen wird dabei selbst in der Sprache sauber getrennt: eine
protestantische Kirche ist keine église, das ist ein *temple*. Und die
feiern dort auch keine Messe sondern einen *culte*. Ob verbale Spitzfindigkeiten helfen etwa für einen Hindi oder Moslem die eklatanten Unterschiede der zwei Strömungen des Christentums zu verdeutlichen? Tsss, Menschen!
Unvorstellbarerweise ist dieser Graben, der sich deshalb durch die Gesellschaft zog, erst einen Wimpernschlag her. Anhand von welch lächerlichen Kriterien bilden sich Menschen anscheindend ein Urteil über andere, oder? Wer gibt das vor? Was verschattet derart das Herz? Was macht denn einen guten Menschen aus? Einen guten Freund? Einen guten Nachbarn? Eine gute Schwester, Kollegen...?
Tja, Kinners, it's all about perspective! Wie leicht ändert sich eine Betrachtung, wenn man Dinge alleine im Raum dreht. Nehmen wir das neue Imperium-Zeichen von Facebook, das nun in Meta umgewandelt wurde. Erst sieht das Logo aus wie eine liegene Acht, doch in 3D ergibt sich aber ein ganz anderes Symbol.
Oder man nehme den Zeitfaktor dazu, mit dem sich grundlegende Maßstäbe ändern können. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist die Biographie des russischen Schriftstellers Fjodor Dostojewski (der mir lebensbegleitende Gedanken zur Freiheit und zum Christentum schrieb): er wäre heute am 11. November 200 Jahre alt geworden.
Als junger Mann begeisterte er sich in einem Lesezirkel für revoulitonäre (u.a. sozialistische) Ideen. Wegen dieser 'staatsfeindlichen' Aktion wurde er zum Tode verurteilt. Es kam zu einer Scheinhinrichtung bei der er im letzten Moment auf dem Schafott zu 4 Jahren Zwangsarbeit in Sibirien begnadigt wurde. In dem sibierischen Zuchthaus unter sog. Schwerverbrechern schrieb er:
*'Wer weiß? Diese Menschen sind vielleicht überhaupt nicht in dem Maße schlechter als jene Übrigen, die dort, jenseits der Gefängnismauern, geblieben sind.’ Ich musste selbst den Kopf schütteln über diesen Gedanken, dabei – mein Gott! hätte ich damals nur gewusst, wie wahr er ist!*
Aus diesem Grund, quasi für einen besseren Überblick, verlinke ich heute hier den offenen Brief des ARD-Redakteurs Ole Skambraks, der sich mit der Berichterstattung zu Corona seines (jetzt ehemaligen) Senders nicht wohl fühlt - und er erklärt warum. Immer schön die Gegenseite auch zu Wort kommen lassen... Parameter zur Beurteilung können sich sehr schnell verändern... in Raum und Zeit... das wird uns doch gerade sehr veranschaulicht. Denn - nochmals mit Dostojewski:
*Auf eigene Weiche falsch zu liegen ist besser als auf fremde Weise richtig zu gehen.*
Garniert wird heute mit tiroler Hausmannskost. Mit Kartoffelgerichten kann ich an Tisch bei uns meistens punkten. Ganz so leicht wie ich es mir vorstellte, ließen sich die Nidei nicht formen, denn der Teig ist sehr weich. Möglicherweise werde ich das Rezept auch mal nur mit einem Ei ausprobieren. Nur mit großzügigem Einsatz von Hartweizengrieß ließen sich (unförmige) Rollen formen, wie es die Zubereitungsweise vorschreibt. Geschmeckt haben die buttrigen Kartoffelstückchen zu dem süß-bitter begleitenden Gemüse natürlich ganz unabhängig von dem Weg dorthin. Definitiv etwas für Hausmannskostliebhaber wie mich!
Zutaten 4 P:
2 Eier
2 1/2 EL doppelgriffiges Mehl (m: feiner Hartweizengrieß)
etwas Muskatnuss
Butterschmalz
eine große Zwiebel (ca. 400g)
1-2 Radicchio (ca. 200g)
1 Knoblauchzehe
1 Birne
eine Prise Rohrzucker
Balsamico-Reduktion
1/2 TL Fenchelsaat, geschrotet
1 TL Thymian, getrocknet
Salz, Pfeffer
Olivenöl
Zubereitung:
Mit Eiern, Mehl, Salz und Muskatnuss rasch verkneten und zu fingerdicken Rollen formen. Zwei bis drei Zentimeter große Stücke abstechen, mit dem Daumen leicht flach drücken und die Nidei in Butterschmalz beidseitig goldbraun braten. Die Nidei warm stellen.
Inzwischen den Radicchio in Streifen schneiden. Die Birne schälen, entkernen und in feinere Streifen schneiden. Beides zum Radicchio-Gemüse geben und fünf Minuten andünsten.
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