Fürchte dich nicht: Kartoffel-Pilze

Dienstag, 7. Februar 2023


*Fürchtet euch nicht* - als mir dieser Satz gleich zwei Mal außerhalb des entsprechenden Kontext (Kirche) begegnete, staunte ich auf. Christliches Abendland hin oder her, aber christliche Inhalte sind doch aus dem Alltagsleben verschwunden, oder? *Fürchtet euch nicht!* habe ich schon ewig nicht mehr gehört. Aus der Kirche ausgetreten bin ich vor vielen Jahren; der Verwaltungsapperat des Klerus samt Institution Religion interssiert mich nicht. Und Religion hat mit Spiritualität ebenso wenig zu tun wie mit Esoterik - das habe ich erst vor kurzem klar voneinander getrennt. Trotzdem ist mein Aufwachsen klar christlich geprägt.

Ich frage mich, wie viele heute noch mit diesen drei Worten wie ich sofort an die entsprechende, kleine Bibel-Geschichte denken. Dabei zählt dieser berühmte Bibel-Text bestimmt zu den Top Ten der bekanntesten Episoden aus einem der ältesten Buch der Welt, in dem eben diese drei Worte fallen: die Jünger befinden sich in einem Boot auf dem stürmischen See Genezareth und stehen ganze vier Tage lang Todesängste aus. Da sehen sie, wie Jesus auf sie zukommt - über das Wasser laufend! Sie erschrecken ganz fürchterlich vor dem vermeintlichen Gespenst. Um die Jünger zu beruhigen sagt Jesus die bekannten Worte: *Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht!*

Jetzt könnte man sich überlegen, ob es sich bei dieser Anekdote vielleicht um ein Übersetzungsfehler handelt. Vielleicht ist Jesus auch geschwommen - eine Fähigkeit, die damals vermutlich niemand beherrschte. Was egal wäre, denn ob Schwimmen oder Laufen hätte seinerzeits den gleichen Eindruck gemacht: beides gleich ungeheuerlich, beides gleich unmöglich - ein Wunder. Das Wasser trägt den Menschen nicht, niemand kann auf Wasser laufen.

Gerade in ihrer schlichten Bildhaftigkeit bleibt einem die Geschichte besonders tief im Gedächtnis. Und eben wegen diesen eindrücklichen Worten *Fürchtet euch nicht!* Wer mag, kann sich viel aus dieser Parabel ziehen. *Wer auf dem Wasser gehen will, muss aus dem Boot aussteigen*, las ich in dem Zusammenhang. Das hat mich direkt angesprochen. Man hat sich dem Leben zu stellen.Vertrauen beweist sich erst, wenn man den (vermeintlich) sicheren Hafen verläßt. Darin kann viel Heilung verborgen liegen, auch vor schweren Erkrankungen schützen. Nicht von ungefähr strotzen Weltumsegler nur so vor Gesundheit. Mut ist für das lebensgefährliche Leben doch eine alternativlose Tugend.

Wessen Absichten getragen sind von einem reinen Herz, der darf darauf hoffen *von guten Mächten wunderbar geborgen* zu sein. Warum sollte Bösartigkeit beflügelt werden von höheren Kräften? Glaube, Liebe, Hoffnung - ich kann mir nichts vorstellen, was mehr durch die Stromschnellen einer jeden Biographie hilft als dieses Drei-Gestirn. Wer dazu auf keinerlei eigene Erfahrungen zurückgreifen kann, dem kann ich aushelfen mit einem Beispiel. Ein junges Paar macht sichtbar, dass Liebe Berge zu versetzen mag - egal wie hart das Schicksal zuschlägt: nach einem schweren Unfall kämpft sich Matze zurück ins Leben. Mit unerschütterlicher Gewissheit steht ihm dabei seine Freundin Tamara zur Seite: *Wir rocken das!* Dem Herz können Flügel wachsen, da kommt der Kopf nie hin - inklusive sämtlicher Motivationstrainer.

*Fürchte dich nicht* ist ein Satz, den  man sich öfters vorsagen kann, finde ich. Ihr wißt ja, ich gehöre *Team Rerun an: schnell nervös, leicht bedroht. Rückenwind von ganz oben tut mir gut als Vorstellung. Darum bitte ich täglich. Gerade im Hinblick immer bedrohlicheren Szenarien wie etwa wenn man UN-Generalsekretär António Guterres genau zuhört: "Ich befürchte, die Welt schlafwandelt nicht in einen größeren Krieg hinein - ich befürchte, sie tut dies mit weit geöffneten Augen". Aber welchen Einfluß haben wir, hatten die Menschen früher auf derlei Ereignisse? Sicher ist: Sturm bläst verläßlich immer wieder... und da muß man halt so tapfer wie möglich durch. 



Auf einem Herbst-Buffet würden diese Kartoffel-Pilze neben diesen kleinen Kastanien-Brötchen stehen. Beides nette Essensspielereien. Wobei die Konsistenz von diesen Kartoffel-Pilzen schon irgendwie befremdlich sind - ähnlich vielleicht wie von Bubble-Tea (nie getrunken) oder Fertig-Kartoffel-Klößen (kommt in meiner Küche nicht vor).

Sie erinnerten mich an das Buch *Kitchen* von Banana Yoshimoto. Als ich das Buch einst auf Koh Phangan eintauschte, freute ich mich, denn ich war mir gewiss, dass das ein Buch für mich ist. Stattdessen klappte ich es in der Mitte genervt zu. Als “Kitchen” 1988 in Japan erschien, wurde es zum Kultbuch, es wurde millionenfach verkauft und gewann die wichtigsten Preise des Landes. Man sprach sogar von “Bananamania”. Mir erschließt sich in keiner Weise, warum das Buch derart gefeiert wurde. Vorallem der Zugang zu den beschriebenen Gefühle (deren Banalität, deren Unklarheit, die Distanziertheit) der Hauptprotagonistinnen blieb mir komplett verwehrt - ich habs null verstanden. Und deshalb nicht zu Ende gelesen.

Vielleicht verstehe ich auch dieses Gericht nicht ganz. Eigentlich ist es als *Snack* gedacht. Ich habe uns daraus ein Mittagessen gebastelt und zwar zusammen mit diesem Gemüse.


Zutaten 2-3P/ 18 Stück:

250 g Kartoffeln (geschält)
125 g (Kartoffel-)Stärke (m: Kartoffelstärke)
1/2 TL Salz 
10ml Sojasauce
5g Zucker
1 Knochblauch (geschält und fein gewürfelt, ohne grünen Trieb)
Cayennepfeffer
2 Lauchzwiebeln
Eiswasser zum Abschrecken
100 ml Pflanzenöl
für die Ganitur
1 Lauchzwiebel
1 TL Sesam (hell)

 

Zubereitung:

Kartoffeln weich kochen, abgießen, in den Topf zurückgeben und gut ausdampfen lassen. Durch eine Kartoffelpresse in eine Schüssel drücken. Ausgekühlte Masse mit Stärke, 75ml Wasser und Salz zu einem festen Teig verkneten.

Sojasauce, Zucker, Knoblauch, Cayennepfeffer und in dünne Ringe geschnittene Lauchzwiebel in Schälchen bereitstellen.

Vom Kartoffelteig mit den Händen Kugeln von je ca. 25g formen und auf ein Blech setzen. Nun jede Kugel in die flache Hand legen und die Öffnung einer kleinen Flasche (m: kleine Kronenbourg-Bierflasche mit Flaschenhals von ca. Ø 2 cm verwendet) hineindrücken: So entsteht die Form eines Champignons. Flaschenöffnung ab und zu in Öl oder Wasser tauchen, da der Teig klebt. Kartoffelpilze in einen großen Topf mit kochendem Salzwasser geben. Wenn sie an die Oberfläche gestiegen sind, noch zwei Minuten ziehen lassen (zur Kontrolle ruhig mal einen aufschneiden, er sollte durchgegart sein). Pilze mit dem Schaumlöffel in eine Schüssel mit Eiswasser geben und kurz abschrecken, sie ziehen sich dabei zusammen. Mit dem Schaumlöffel herausholen und auf einem Küchentuch abtropfen lassen, dann in einen ausreichend großen Topf schütten. Die vorbereiteten Zutaten darüber verteilen.

In einem kleinen Stieltopf das Öl auf 150 Grad erhitzen, es muss deutlich heißer als 100 Grad sein. Öl über die Pilze gießen, nun steigen die diversen Aromen auf. ­Umrühren. Pilze in Bowls verteilen, mit feinen Lauchzwiebelringen und hellem Sesam garnieren.

Anmerkung m:  der Teig läßt sich leicht formen und verhält sich auch während der Zubereitung formstabil/ die Pilze sind größer als ich dachte: kein Haps sondern muß man zum Essen schon halbieren/ die Öl-Marinade habe ich deutlich reduziert, da ich sie Pilze ja mit Gemüse serviert habe

Quelle: SZ-Kochquartett 

 

Laß dich nicht länger von der Angst sondern von der Liebe führen in eine bessere Welt

9 Kommentare

  1. Wie recht du hast, liebe Micha: da müssen wir halt so tapfer wie möglich durch.
    Und da gibts von unserem Christian Morgenstern wieder ein Gedicht, welches mich in den tiefsten Untiefen meines Lebens begleitet, getragen und getröstet hat.
    Ähnlich wie das von Dir zitierte " Von guten Mächten wunderbar geborgen.."
    Also hier der trostreiche, feine Morgenstern.

    Es gibt auch eine Freude, die nie lacht,
    die nie ein Zeichen gibt aus ihrer - Nacht.
    Die so tief liegt,
    daß sie kein Aug ermisst,
    und die in allem Schmerz doch Freude ist.

    Ein tragender Text.
    Ganz liebe Grüssle in die Drome zu Dir.
    Evi

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    1. Ein Morgenstern-Gedicht, welches mir auch direkt zusagt, liebe Evi! Vielen Dank fürs Weiterreichen dieser schönen Poesie. Mich erinnert es sehr an den Rumi-Drei-Zeiler:
      *Dunkelheit sei deine Kerze
      was dich verletzt, segnet dich
      Deine Grenzen sind deine Suche*
      der wiederum mir in Stromschnellen hilft. All das Leid auf Erden - unermesslich welcher individuelle Plan hinter all dem steckt. Und manchmal ist dieses Unverständnis ebenfalls nicht einfach auszuhalten...
      ganz viele liebe Grüße zurück...

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  2. Ich habe überhaupt nicht den Eindruck, dass christlichen Werte aus dem Alltagsleben verschwunden wären. Viele grundlegende Regeln des gemeinsamen Zusammenlebens decken sich mit christlichen Werten. Man bringt seinen Kindern bei, dass sie ehrlich sein sollen, die meisten Menschen stehlen und morden nicht.

    Die Kartoffelpilze haben mich echt gekriegt! Ich dachte wirklich, das seien Pilze! Sie sehen aus wie komplette Pilze aus der Dose.

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    1. Dann leben wir in unterschiedlichen Welten, Mme/M Anonym. Nicht zu morden und brandschatzen ist für meine Begriffe noch kein Zeichen von Werten - sondern lediglich, dass der Krieg noch nicht bis zu uns vorgedrungen ist. Und Ehrlichkeit ist wie Bescheidenheit ein rares Gut, wobei der Social Media-Rummel nicht gerade glänzt durch Wahrhaftigkeit. Aber zwei Stühle - zwei Meinungen. So geht die Welt ;)

      Die Pilze haben mich aus gleichem Grund angesprochen - eine wirklich nette Essenspielerei plus ein unbekanntes Konsistenz-Erlebnis im Mund. Das kann man schon mal machen...

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  3. Wie witzig sind diese Kartoffel-Pilze, Micha! Bin direkt verknallt ... Deine Konsistenzbeschreibung hält mich minimal zurück - kann sein, dass ich die Pilze dann alleine essen muss ;-)))
    Alles Liebe! Maria

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    1. Ich glaube ja das Gegenteil: dass gerade Kinder die Pilzchen lieben werden - alleine schon wegen der Optik. Und im Zweifelsfall mit Ketchup ;) Außerdem läßt sich der Teig auch gut von Kinderhänden zu Kugeln rollen... Aber du kennst deine Kinder besser :)) alles Liebe zurück

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  4. Liebe Micha, lustig (und typisch): Auch ich hatte mir dieses "Pilz Rezept" aus dem Magazin der Süddeutschen Zeitung (das ich "second hand" lese) rausgetrennt. Irgendwie spannend und was für (meine) Kinder dachte ich mir... Mal sehen, ob ich sie jetzt wirklich mache, wenn du schreibst: "kann man mal machen", wandert es eher ganz unten in den Stapel und ich freu mich nur am netten Bildchen und natürlich an dem Link zu Mara und Matze. Viele Grüße von Hannah

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  5. Sorry, habe gerade als "Anonym" kommentiert, weil ich vergaß den Reiter oben zu ändern... Ich war's....

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    1. Schön, Hannah, dass du außerdem Freude an dem Link zu der Liebesgeschichte hast ;) Wundert mich natürlich nicht, dass wir zwei auf ein gleiches Rezept aufmerksam werden. Vielleicht finde ja nur ich die Konsistenz gewöhnungsbedürftig und Kinder gerade deshalb die Pilzchen besonders aufregend. Aber ich bin keine Mutter, ich kanns nicht ausprobieren ;) Schönes Wochenende, euch!

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