beurteilen: Gemüselaibchen

Samstag, 23. September 2023


Wäre ich später geboren, dann könnte ich mich heute bestimmt unter die zunehmende Zahl von Kindern und Jugendlichen (Nation unabhängig) reihen, die an Depressionen leiden. In der Pupertät ist man dünnhäutiger und registriert leichter, wenn im Außen etwas nicht stimmt. Und der Zustand der Erde muss traurig und hoffnungslos machen. Das Deprimierendste dabei ist, finde ich, dass die Probleme menschengemacht sind. Wie ist die Sehnsucht nach *heil* zu stillen?

Andererseits: soooo gemütvoll kommt mir die Mehrheit der Jugend gar nicht vor.

Einleuchtender scheint mir folgende Erklärung, nämlich dass die Gründe für die psychischen Schwierigkeiten zusätzlich physische Ursachen haben können. Richtig gelesen: körperliche Ursachen. In den letzten knapp 30 Jahren wurde in Japan bemerkt, dass die durch psychische Erkrankungen bedingte Verhaltensstörungen bei Kindern deutlich zugenommen hat. Geforscht wurde nun, ob Wasser und Umwelt einen schädlichen Einfluß auf die Menschen nehmen könnten. Denn zeitgleich mit den Auffälligkeiten kamen dort zum ersten Mal eine neue Klasse Insektizide zum Einsatz, die von Japan aus dann ihren Siegeszug über alle Kontinente antraten. Mit der unmittelbaren Folge dass bereits im Jahr darauf das Ökosystem von einem der größten, japanischen Seen zusammenbrach. Neonicotinoide stehen unter Verdacht, Krebserkrankungen auszulösen, aber vor allem Auswirkungen auf die Entwicklung unseres Nervensystems zu nehmen. Heute weist eine japanische Studie schon in dem ersten Harnstrahl der meisten, japanischen Neugeborenen Neonicotinoide nach.

Aber von vorne. Ich habe die Arte-Doku *Insektenkiller - wie Chemie-Riesen unser Ökosystem zerstören* angeguckt. Sogar 2x hintereinander. Zu gerne wüßte ich, was diese Doku in euch auslöst?! Es ist ja so ungeheuerlich, was man in dieser Doku präsentiert bekommt! Nun ist mein Blog keiner mit nennenswerter Reichweite und ich bin sehr fern davon, Influencer zu sein. Aber als Lehrerin wäre das astreines Unterrichtsmaterial. Er dient nämlich hervorragend als *pars pro toto* - anhand dieses Beispiels (= die Agro-Chemie), läßt sich leicht auf eine Meta-Ebene hochschwingen und ebenso auf andere Bereiche schließen. Man erkennt Prinzipien. Ist etwas wahr, dann ist es nämlich übertragbar richtig. Tatsächlich halte ich diese anderthalb Stunden Film für eine Bildungsmaßnahme im besten Sinn - insbesondere um sich die Kernkapazität *Urteilsfähigkeit* zurückzuerobern.

Meistens hat Mensch ja kaum Möglichkeiten, sich ob der Masse an Informationen, der Flut unterschiedlichster, wissenschaftlicher Studien, eine Meinung zu bilden. Zu komplex alles, im Zweifelsfall *multikausal*. In dieser Doku erhält man einen Überblick über die letzten 30 Jahre Insektizide, mit dem Schwerpunkt auf Neonicotinoide samt ihren Nebenwirkungen, dem *schlimmsten Massensterben der Geschichte -  seit 1990 sind 75% der wirbellosen Tiere ausgestorben mit einem Domino-Effekt in der Nahrungskette wodurch Fische aus den Gewässern verschwinden und Vögel vom Himmel. Ein apokalyptisches Massaker. 

Dafür muss man kein Entomologe sein, dafür braucht man kein Mikroskop, kein Studium, noch nicht einmal einen Schulabschluß, nur Augen im Kopf. Menschen in meinem Alter können aus eigener Erfahrung noch vergleichen. Es ist still geworden auf den Wiesen und im Wald. Ein einziges Wespennest im Treibhaus diesen Sommer. Eins.

Mehrfach habe ich meinen kleinen Artikel nun schon umgeschrieben. Ich habe zusammengefasst, erklärt, mich dafür tiefer mit Neonicotinoide beschäftigt, manche Stellen des Films mehrfach angeschaut. Aber wofür. Ihr seid keine Schulklasse und mich belastet es nur.

Wer sich für unser Biotop interessiert, wird die Doku gucken. Dann bleibt nur eine Erkenntnis. Oder haltet ihr die  Doku für zusammengesponnenen Blödsinn von einzelnen Querschlägern? Jeder Zweifel dürfte doch behoben sein: man hört nicht auf die Wissenschaft, man hört auf das Geld. Und die Gewissheit stellt sich ein, dass sich das nie ändern wird. Wie heißt es zu Beginn: *Die Agro-Chemie setzt mit ihrer Lobbyarbeit die wissenschaftlichen und demokratischen Kontrollsysteme außer Kraft. Im Namen des Profits maßen sich in paar wenige Chemiker und Geschäftsleute an, über Leben und Tod zu bestimmen*. Das unfassliche Artensterben, das Vergiften unseres Lebensraums verantworten einige, wenige Akteure, die mit ihre Finanzkraft Einfluß nehmen auf  Regierungen, Medien und Wissenschaft. Und Beweis ist nicht eine kleine Arte-Doku, Beweis ist leider der Zustand der Erde. Und ab da fädeln sich die Perlen von alleine auf - um im Thema zu bleiben: EU plant Verängerung für Glyphosat-Zulassung um weitere 10 Jahre.

Ich glaube, die größte denkerische Schwierigkeit, um das Prinzip dahinter zu begreifen, besteht in diesem Sprung, den man machen muss: die Leute, die Unrecht tun, wissen dass sie Unrecht tun - sie tun es trotzdem. Aber wenn man sich das mal klar gemacht hat, dann gewinnt man eine innere Festigkeit, die in Zeiten voller Lug und Betrug nicht kostbarer sein könnte. Obgleich man die Dimension und die Tragweite dieser Skrupelosigkeit und dieser Perfidität nie wirklich verstehen wird. Ich kann mich da nicht hindenken. Dennoch festigt sich der Stand, die eigene Haltung, man läßt sich viel weniger verwirren und beirren, läßt sich nicht mehr auf sinnlose und unfruchtbare Diskussionen ein mit Unbelehrbaren, die dem Herdentrieb kopflos und seelenlos folgen.

Hey, und ich habe keine Kinder! Ich muss lediglich aufpassen, dass ich mich in diese Scheiße emotional nicht zu sehr verstricke, muss versuchen Abstand zu halten, meine Jahre noch runterzureißen, die mir gegeben werden und zwischendurch erlaube ich mir kurz wütend und traurig zu sein wegen all der für immer verschwundenen Geschöpfe.



Zwei Zucchini-Pflanzen liefern ab, so dass hier Zucchini weiterhin auf der Speisekarte stehen. Ich könnte wohl eine eigene Ruprik mit Zucchini-Puffer aufmachen. Ein weiteres Rezept wartet auf Veröffentlichung.

Diese hier mit zusätzlicher Karotte und Kartoffeln haben mir gut gefallen. Immer schön, wenn geschmolzener Käse mit ins Spiel kommt, so wie hier im Inneren der Laibchen. Die Fritte stand noch draußen und ich habe dann ausprobiert, ob die Puffer auf diese Weise zubereitet besser werden. Aber nein, die Pfanne hatte sogar die Nase vorn, denn viel Fett benötigen sie nicht.

Ansonsten gilt, was für alle Puffer gilt: die Gewürze verleihen den Geschmack - gut abschmecken ist alles. Und ich mag halt gerne was Frisches wie Salat dazu. Dieser Karottensalat ist einer meiner Klassiker.


 Zutaten 2-3P /10 Stück:

250g Kartoffeln (Salzkartoffeln)
1 Karotte
1 mittlere Zucchini (ca. 500g)
1 Ei
20g Mehl (D1050)
15g Kartoffelstärke
1/2 Bund Petersilie, fein gehackt
1 TL Paprika
1 TL Cumin
1 TL Thymian
Salz, Pfeffer
1 Mozzarella
Sonnenblumenöl

Zubereitung:

Kartoffeln schälen, in Stücke schneiden und in kaltem Salzwasser aufsetzen und gar kochen. Abschütten und ausdämpfen lassen. Mit dem Kartoffelstampfer zerdrücken.

Zucchini groß raspeln, salzen, etwa 5 min ziehen lassen, dann ausdrücken und in die Schüssel zu den Kartoffeln geben. Karotte ebenfalls grob reiben. Alle Zutaten - außer dem Käse - miteinander vermengen (geht am besten von Hand) und gut würzig abschmecken.

Mozzarella in etwa 10 gleich große Scheiben schneiden.

Die Masse grob (für sich) durch 10 teilen. Dann einen guten Eßlöffel auf die geölte Handfläche geben, etwas glatt und breit formen, das Mozzarella-Stück darauf setzen und mit der Gemüsemasse ummanteln. So fortfahren, bis 10 Laibchen geformt sind.

In heißem Sonnenblumenöl von beiden Seiten golden braten.

Inspiration: Asenas Kitchen (YT)

 

7 Kommentare

  1. Guten Herbstanfang-,Sonntagmorgen, liebe Micha,
    die altersbedingte Schlaflosigkeit trieb mich schon früh ausm Bett unter die Dusche und nun zu dir...
    Zu deinem politischen Beitrag schweig ich - auch altersbedingt. Ich teile Wut und Trauer mit dir. Und ich hab sogar Enkelkinder. Da wird einem, wenn man nicht Frieden meditiert und LEBT, schwarz vor Augen und Angst und bang. Jetzt doch ausm Fenster gelehnt....
    Aber ich dank dir für jedes! Zucchinirezept, denn unser Biogärtner hat mehr davon, als mir lieb ist. Und es gibt wenig Intressantes zu diesem Gemüse zu finden. Ja, bei
    swiss-milk. Da halt viel mit Fleisch.
    Herbstanfang: hab gute Zeiten und bleib wütend. Was wär die Welt ohne deine wundervollen Beiträge!
    Herzgruss Evi

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  2. Wir tun so, als seien wir wie Gott und sind doch in Wirklichkeit strohdumm, hochnäsig und eingebildet. Wir verdrehen die alten Gesetze und Werte, und müssen alle Folgen tragen. Der Kapitalismus ist bei der weißen Rasse Standard geworden, denn wir sind ja nicht doof, müssen auch von was leben und wir sind doch keine Kommunisten – hat man uns gelehrt.
    Aber das Gegenteil von diesem Radikal- Kapitalismus ist nicht Kommunismus, sondern Menschlichkeit, Herzenswärme, gesunder Menschenverstand, das Verständnis von „Geist“ mit dem dazugehörigen Handeln und mehr.
    Werden aber die spirituellen Gesetze, des „Geistes“ missbraucht und verdreht für unsere niedersten und primitivsten Zwecke, so müssen wir die Folgen tragen als gesamte Menschheit.
    Der brutale und seelenlose Kapitalismus hat die Endzeit eingeleitet, die Apokalypse hat begonnen. Erst wird das Menschliche ausgerottet (wie wir erleben), dann die Tiere (wie wir erleben), dann die Pflanzen (wie wir erleben) –dann die ganze Erde. Die EU mit anderen wirkt dabei mit und will Glyphosat schon wieder für ZEHN Jahre erlauben. NICHT ZU GLAUBEN! Wer glaubt eigentlich noch diesen ganzen Experten und Expertisen, diesen kapitalistischen Mechanismen? Jetzt entscheidet nur die „MARCHE“ der Profit.

    Frieder

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  3. Gestern abend habe ich die Doku bei Arte angeschaut. Die Gier einzelner ist einfach noch viel schlimmer, als man sich das in seinen schlimmsten Träumen ausmalen kann. Man möchte wie ein Vogelstrauß seinen Kopf in den Sand stecken. Meiner Ansicht nach ist das der Grund, warum eine Mehrheit einfach wegschaut. Es ist zu unerträglich. Der Satz eines Afrikaners aus einer andere Arte-Ausstrahlung ist mir im Gedächtnis geblieben: "Kapitalismus ist geistige Besetzung".

    Danke für deine Gedankenanregungen,
    auch für die unbequemen,
    herzlich Anne

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  4. Liebe Micha ... es ist leider so: Geld regiert die Welt. Nach vorn schauen ist nicht immer leicht, gerade weil wir alle Zuseher sind mit so begrenzter Einflussmöglichkeit. Die Welt wird von einigen wenigen gemacht und ich kann es auch nicht begreifen, warum Profit über allem steht. Warum die Wirtschaft das Wichtigste ist. Muss doch jedem klar sein, dass irgendwann Schluss ist und es kein Wachstum mehr geben kann. Eigentlich ...
    Trotzdem: Alles Liebe zu dir, ich fühls genau wie du ...

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  5. Guten Abend,
    Schon haarsträubend, diese Doku, und doch muss ich sagen, leider bin ich nicht erstaunt. Wir wissen doch eigentlich in so vielen Bereichen, dass etwas grundlegend schief läuft und so nicht funktionieren kann... Oder dass der Staat, auch eine Demokratie, es nicht für uns regeln wird. So oft wird eine "einfache" Scheinlösung für ein Symptom angepriesen, ohne dass man das zugrunde liegende Problem anschaut. Unabhängig von Daten und Zahlen kann man sich doch das Grundkonzept (z.B. Bekämpfung von sogenannten Schädlingen) zu Gemüte führen und merken, dass schon daran etwas schief ist, und anfangen das zu hinterfragen. Wenn es Pestizide erst sogenannt "braucht", weil da eine anfällige Monokultur ist, und die wiederum ja erst da sein kann mit Kunstdünger (denn wären da Tiere um den Mist als Dünger zu haben, würde das bedeuten, auch Grasland im Ausgleich zu den Ackerkulturen haben zu müssen, damit diese Tiere leben können - also schon mal keine Monokultur mehr). Warum macht man da mit? Wegen dem Geld? Oder weil schon unsere gängigen Schulkonzepte so sind, dass man sie nicht ermutigt zu einem selbständigen und kreativen Denken verlässt? Da sehe ich es ein bisschen wie beim Krieg: Stell dir vor, es wäre Krieg und keiner geht hin. Gilt das nicht ebenso auch für diese Agrochemieunternehmen? Wenn niemand diese Produkte herstellen bzw. kaufen /verwenden wollen würde, gäbe es sie einfach nicht.
    Angesichts der Macht und der Krisensituation kann man natürlich resignieren und depressiv werden. Man kann sich aber auch gerade deswegen aufraffen, sich engagieren, das Seine zu einer besseren Welt beizutragen. Das liegt an uns. Das kann auch ganz klein anfangen, das sehe ich als Kehrseite der Komplexität: Einfache Lösungen gibt es nicht, aber ein kleiner Beitrag - da wo man gerade ist - kann durchaus eine Auswirkung auf das Ganze haben, gerade weil so vieles zusammenhängt. Und dann ist es ein fortwährendes Streben, unseren Einsichten im Handeln, im Alltag, im Beruf auch gerecht zu werden. Man kann ja auch so vieles tun! In welcher Qualität kaufe ich ein, was für Kleider trage ich, was für eine Landwirtschaft unterstütze ich damit - eine Wahl treffen. Was macht mein Geld, bzw. was macht meine Bank oder Pensionskasse mit dem Geld? Legt sie es an der Börse für Profitmaximierung an? Oder unterstütze ich damit direkt ein Projekt, das Gutes schafft?
    Es trifft mich, wenn ich andere junge Leute sehen, die keine Hoffnung haben, resignieren oder einfach mitlaufen. Ja, es gibt unzählige Baustellen, aber das heisst doch auch: Es gibt so vieles zu tun! Und wenn man selber keine Ideen hat, es gibt doch so viele Organisationen und Unternehmen, die sich für eine wirkliche Lösung einsetzen, wo man mitarbeiten könnte.
    Kleines Plädoyer für das Engagement und die Hoffnung...
    Herzliche Grüsse,
    Al.

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  6. Liebe Micha, guten Morgen, wiedermal hast Du den Finger in die Wunde gelegt und den Kern getroffen. Das zeigen die Kommentare.
    Ich fordere Dich herzlich dazu auf: mach weiter so. Aber ich denk, Du kannst eh nicht anders....
    Liebe Grüssle Evi

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  7. Danke an alle,
    die mitdenken, die sich anregen lassen, denen die Lebewesen der Erde am Herzen liegen!

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