Omas Maultaschen mit Kartoffelsalat... fast

Donnerstag, 7. Februar 2019


Eigentlich bin ich eine mäßige Esserin. Eigentlich ist ein grandioses Füllwort. Jeder, der das Wort *eigentlich* verwendet, weiß eigentlich genau, dass er den gleichen Satz geradeso auch andersherum formulieren könnte: eigentlich bin ich keine mäßige Esserin. Ich bin überwiegend eine mäßige Esserin, aber es kommt halt drauf an.

Wenn mir etwas wirklich gut schmeckt etwa, kann ich reinhauen wie ein Scheunendrescher. Oder wenn ich richtig hungrig bin - nachdem ich umgegraben, Holz geschichtet, den Hang gemäht habe... - dann auch. Oder - ganz verhängnisvoll fatal - wenn ich vor einem Buffet stehe. Buffet tut mir nicht gut. Da brechen sich ganz alte *Ich-könnte-etwas-verpassen-Ängste* bahn und ich muß fast alles probieren. Oder - eine besonders erstaunliche Erfahrung für mich - als ich bei der Bekannten eines Freundes zum Abendessen eingeladen war, aß ich unaufhörlich, schon anstößig, ja peinliche Unmengen. Ich konnte mir selbst nicht erklären, was da los war, aber ich wurde einfach nicht satt. Als hätte das Essen meiner Gastgeberin - Typ frierendes Dörrobst ohne Brust und Hintern mit einem gekrümmten Strich als Mund bei nagender Unzufriedenheit immer das Gefühl verbreitend, sie käme zu kurz - keinerlei Nährwert. Wo nix ist, ist nix zu holen. Ist das kurios?!

Überhaupt streift das ja eh eines der unergründlichsten Phänomene beim Essen, nämlich dass man den Koch irgendwie mitißt. Kennt ihr doch auch, oder? Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Läßt sich nirgendwo besser überprüfen als beim Essen. Ein und dasselbe Rezept von zwei Köchen gekocht, schmeckt trotzdem unterschiedlich. Geheimzutat Koch/ Spucke/ Kochlöffelumdrehung. Irgend soetwas. 

Aber bei den Maultaschen war das nicht der Grund, wieso sich niemand wagte, Omas Maultaschen-Rezept nachzukochen. Maultaschen gab es einfach nur bei Oma, weil Oma die unangefochtene Familienmaultaschenmeisterin war. Undenkbar an diesem Olymp auch nur ansatzweise zu kratzen.

Für ihre Spezialität wallte sie den Nudelteig so dünn aus, dass man das Holzbrett durchsah - strudelteigdünn eben. Besonders an ihren Maultaschen war, dass sie ihnen beim Füllen einen Nudellatz ließ, so dass man gleichzeitig eine gefüllte Nudel und eine pure Nudel - beides üppigst abgeschmelzt - auf einen Schlag serviert bekam. Dafür schnitt sie eigentümliche abstrakt-unsymmetrische Nudelteigecken. Wohl auch, um die teuere Fleischfüllung zu sparen - alte Gewohnheit noch von mageren Zeiten. Jeder, der Omas Maultaschen sah, wußte sofort: auf dem Land von Hand gemacht. Omas rustikale Maultaschen waren ein Highlight im kulinarischen Kalender!

Hach, *rustikal* -  ein tragendes Säulenwort in meinem Universum: ohne Briefwaage, ohne Ziselieren, ohne langes Kalkulieren, großzügig, au pif, round about, aus der Lameng, nach Gutdünken. Das bringt beim Kochen den gleichen Spaß wie im Leben.

Natürlich sind es nicht ganz Omas Maultaschen geworden. Es fehlt - logo - zum einen die Geheimzutat. Und zum anderen das Fleisch. Das habe ich ersetzt mit meiner l-e-g-e-n-d-ä-r-e-n Käse-Spinat-Füllung. Die ist ja derart großartig, dass sie euch in Bälde hier wieder begegnen wird.

Da wärt ihr wohl auf den ersten Blick nicht drauf gekommen, dass in diesen Maultaschen soviel Geschichten stecken. Es sind schließlich nicht irgendwelche Maultaschen - diese Füllung ist eingewickelt in viele Erinnerungen. Aber genau deshalb erzähle ich euch das ja...



Zutaten 3-4P (ergibt etwa 22 Maultaschen)

Pastateig
200g Mehl (m: D630)
2 Eigelb
2 EL Öl
Salz
etwas kaltes Wasser

500g Spinat
1 Brötchen vom Vortag
(ca.70-80g)
1 Eigelb
2 EL Semmelbrösel
1 Schalotte
2 Knoblauchzehen
150g Saint Félicien
Salz, Pfeffer
Muskatnussabrieb
Piment

Butter 
Semmelbrösel

(ohne Ei und Käse)
Zubereitung:

Für den Pastateig die Zutaten zu einem homogenen, weichen, nicht mehr klebenden, glatten Teig sorgfältig verkneten, in Folie einwickeln und wenigstens 1 Stunde kalt stellen.

Für die Füllung das Brötchen vom Vortag in kaltem Wasser einweichen. Den Spinat von seinen Stielen befreien und waschen. In kochendem Wasser den Spinat zusammenfallen lassen, abschütten und in kaltem Wasser abschrecken. Sehr gut ausdrücken und klein hacken. Schalotte und Knoblauchzehen fein würfeln und in etwas Butter glasig dünsten. Käse kleiner schneiden. Brötchen sehr gut ausdrücken. Alle Zutaten der Füllung nun in einer Schüssel vermengen (geht am besten, wenn man die Mischung von Hand verknetet). Gut würzig abschmecken. 

Den Pastateig hauchdünn auswellen (Strudelteig-dünn: man muß die Maserung des Holzes durch den Teig sehen können). Am besten den Teig dafür teilen und nacheinander dünn auswellen (m: mein Holzbrett wäre für 1x auswellen zu klein). Dann unregelmäßige Rauten schneiden, in eine Ecke einen guten, gehäuften Teelöffel Füllung in eine Ecke setzen, die Füllung mit etwas übrig gebliebenem Eiweiß umpinseln und recht eng den Teig von einer Seite einschlagen. So verfahren, bis Nudelteig und Füllung aufgebraucht sind.

Reichlich Salzwasser zum Sieden bringen. Die Maultaschen darin ca. 2min gar ziehen lassen (nicht zu lange: sonst wird der dünne Pastateig an den Enden der Maultaschen zu weich, aber lange genug, damit die Füllung gar ziehen kann), abschöpfen und gut abtropfen lassen.

Großzügig Butter mit etwas Semmelbrösel aufschäumen und die Maultaschen vor dem Servieren damit abschmelzen.

Geschwister im Blog: Schwäbische MaultaschenLinsen-Maultaschen, Demi-Lunes farcies


20 Kommentare

  1. Liebe Micha, ich werde es einmal wagen. Ich werde diese u n v e r s c h ä m t toll aussehenden Maultaschen nachkochen! Die MÜSSEN gut sein 😊

    Und Dein Gschichtle wieder dazu.......schön ☺️ Lieben Gruß

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    1. Liebe Hanne, man braucht ein bißchen Zeit und die richtigen, bereitwillig genießenden Miteinander, dann bastelt man sich auf diese Weise einen kulinarischen Feiertag :)
      liebe Grüße zurück...

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  2. Dem schließe ich mich vollumfänglich an! Wie gut, das bald Wochenende ist!
    Dank schon jetzt: Charlotte

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    1. Ja dann, liebe Charlotti, viel Spaß und gutes Gelingen beim Nachbasteln!

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  3. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Oma Maultaschen gemacht hätte - dafür waren ihre Bubespitzle l e g e n d ä r. Unsere Maultaschen kamen immer vom gleichen Metzger (auch nach 40 Jahren noch), nur den Kartoffelsalat von Oma Kopf kriegt die Nachfolgegeneration nicht hin.

    Vielleicht sollte ich mal das Rezept meiner Tante ausgraben und mich an Maultaschen machen.

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    1. Bubenspitzle, Cornelia, da sagste was - mit denen bin ich ja quasi großgezogen worden. Hach, die esse ich immernoch so gerne wie als Kind. Nur ran an die Maultaschen - es gibt keinerlei Gründe, warum sie nicht gelingen sollten!

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    2. Oh mei. Diesen kulinarischen Feiertag möchte ich auch erleben.. wie raffiniert das scheinbar einfache Essen sein kann.!

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    3. Es sollte schon ein schön gefüllter Tisch sein, wenn man diesen Festtagsschaums zubereitet, Ilse - dann schmeckts auch gleich besser. Und Nudeln kannst du ja, wie ich weiß. Groß was anderes ist das auch nich...

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    4. Ich hab heute endlich mal maultaschen gemacht, sehr lecker aber leider nicht wirklich fotogen. Du bist echt genial.

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  4. Micha, ich habe mich soeben schlapp gelacht - danke!! "Typ frierendes Dörrobst ohne Brust und Hintern mit einem gekrümmten Strich als Mund bei nagender Unzufriedenheit immer das Gefühl verbreitend, sie käme zu kurz"

    Apropos: deine Maultaschen sehen köstlich aus! Ich liebe die ja auch so, Heimat eben, bin aber meist zu faul sie zu machen. ;-)

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    1. Du kennst diesen Typ Mensch also auch, Eva. Kein Milcheinschuß auszulösen... oder so :)

      Und ja, ein wenig Zeit zum Zubereiten brauchen Maultaschen wohl - es ist und bleibt ein Sonntagsessen und nix für jeden Tag.

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  5. oh, wie ich das kenne - viel zu lange habe ich selber an einem Tisch gesessen, an dem man einfach nicht satt werden konnte. Zum Glück Vergangenheit. Und dann gibt es auch diese Essen auswärts, bei denen sich ausgewachsene Frauen stets eine "halbe Portion bitte" bestellen - vorzugsweise einen mageren Fisch, diesen sorgfältig zerlegen und häuten (Vorsicht Fett!) und die halbe Beilage (Vorsicht Kohlehydrate!) liegen lassen. Da kann ich gar nicht anders als meinen Teller ratzeputz und voll Verachtung leer zu essen und dazu noch Brot und Butter... Am Essen an sich liegt es sicher nicht, dass mir solche Restaurantbesuche doch nicht so gut bekommen... Zum Glück sehr selten.
    Deine Maultaschen sehen zum Reinsetzen aus! Du kennst sicher auch die Geschichte, dass die Maulbronner Zisterziensermönche Maultaschen als "Verpackung" für Fleisch in der Fastenzeit nutzten, drum auch der Name "Herrgottsbscheißerle“? Deine sind ja vegetarisch und so müssen wir den Herrgott gar nicht besch... umso besser. Viele Grüße von Hannah

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    1. DÖrrobst-Frauen, alternativ-sportlich gekleidet samt Jack Wolfskin-Jacke gibts im Freiburgerraum ja besonders häufig. Aber Essen wegwerfen, liebe Hannah, halte ich für einen Frevel - da lasse ich die Krankheit Eitelkeit nicht gelten.

      Und logo, Hergottsbscheißerle kennen die Süddeutschen wohl als Begriff, Geschichte, Scheinheiligkeit... aber die Nordlichter vielleicht nicht?!

      ganz liebe Grüße...

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    2. ..ojaa, sehr viele! Und absolut bei dir: Essen wegwerfen IST Frevel und in dem geschilderten Falle erlebe ich es als besondere Provokation...
      Da es bei Dörrobstfrauen und Co. auch keine Maultaschen gibt, habe ich den Begriff "Herrgottsbscheißerle" tatsächlich erst bei einer Führung im Kloster Maulbronn zum ersten Mal gehört... Liebe Grüße zurück!

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  6. oh, sehen die lecker aus! Muss ich probieren, Strudelteig kann ich, sollte doch dann auch mit Maultaschen klappen? Nur wie ersetze ich den Saint felicien????
    Liebe Grüße
    Margot

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    1. Oh, liebe Margot, ohne Saint félicien fehlt eine elementare Zutat. Der Sait félicien ist cremig, läßt sich wunderbar mit den anderen Zutaten vermengen, ist charaktervoll aber nicht aufdringlich - ob du den nicht vielleicht irgendwo in München aufgetrieben bekommst. Die Füllung ist ja das allerleichteste beim Zubereiten der (nein dieser) Maultaschen ;)

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  7. Tolles Rezept! ...und interessante Sicht auf das Wort "eigentlich"! 😀 Das erklärt warum ich beim Lesen oder Hören dieses Wortes manchmal ein wenig misstrauisch werde.😉 LG Heidi

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    1. Bei *eigentlich* kann man durchaus aufhorchen, Heidi :)
      Der Habib sagt immer: *Wer eigentlich sagt, hat schon verloren* - dazu darf man (als Beispiel) visualisieren, wie Frau den Klamottenladen betritt und sagt: *Eigentlich brauche ich ja keinen Pullover mehr.* ;-)

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  8. Hach, die sehen gut aus. Gefallen mir sehr gut! Maultaschen hab ich bisher nie selbst gemacht :) Aber "eigentlich" könnte ich das auch mal angehen...
    Liebe Grüße,
    Ela

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  9. Liebe Micha,
    die Maultaschen klingen fantastisch und sehen noch besser aus!
    Kommt auf die Nachkoch-Liste und dann fehlt nur noch der nächste verregnete Sonntag.
    Viele Grüße aus dem sonnigen Süden Deutschlands

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