Sich selbst gegenüber ist man geschlagen von einer veritablen Betriebsblindheit. Aber mir ist gerade etwas über mich klar geworden: ich stand schon immer am Rand.
Drängte mich meine
Familie unfreiwillig in die Außenseiterrolle, so wählte ich diese
Position später mit Absicht. Die Zeit im Handwerk, dann die Jahre, in denen
ich am Theater als Bühnenplastikerin gearbeitet habe und später mein
Studium der Bildhauerei an der Kunstakademie, machten mir bewußt, dass
ich unter jenen meinen Platz gefunden hatte. So habe ich die direkte
Sprache der Handwerker schätzen gelernt, bei denen ohne jeden Knoten
Scheiße *Scheiße* heißt, ebenso wie ich mich im
chaotisch-bunten-unangepassten Kosmos der Künstler wohl fühlte - denn er
schenkt mir Raum für Selbstbestimmung. Für diese gewonnene Freiheit
verzichte ich gerne auf das mollige Gefühl, in der Masse untertauchen
zu können. Ich habe kapiert, dass es die kleine Gruppe gibt, denen
Freiheit alles bedeutet, und die andere, größere, die nichts mehr
scheut als Selbstverantwortung und deshalb sehnlichst nach Vorgaben
aller Art ruft (s. dazu Dostojewskis *Der Großinsquisitor*).
Ja,
tatsächlich war das einer der Gründe, wieso ich mich so jung habe
tätowieren lassen: wenn mich wegen ein bißchen Farbe euer bürgerliche Maßstab der
Äußerlichkeiten verurteilt, dann sortiert ihr euch von alleine aus -
dann brauche ich euch nicht! (In der Jugend besteht die
Welt ja voller Sätze mit Ausrufezeichen, die Fragezeichen kommen erst
mit dem Alter hinzu). Hey, und damals galt ein Tattoo noch als richtiges
Statment, man mischte sich unter Matrosen, Knaxis und die Outlaws -
nicht wie heute, wo jeder Assi und Fußballspieler zugetackert ist. Dass
sich die Geschichte mal so drehen würde, wer hätte das damals für
möglich gehalten?!
Naja, und gegen die hochgehaltene Fassade meines Sparkassen-Vaters konnte ich nebenbei auch hervorragend rebellieren, die ganz den deutschen Konformismus repräsentierte, das unausgelöschte, still weiterlebende Erbe des dritten Reichs. Vielleicht hat es der Mainstream in Deutschland deshalb so leicht. Vielleicht weil man es ja bereits von der Schule kennt: Musterschüler spült es leichter nach oben. Als Jugendliche habe ich darüber gekotzt, dass in Deutschland Frauen ab einem gewissen Alter alle im gleichen Einheitslook unterwegs waren mit Nylonstrümpfen und der Standart-Oma-Dauerwelle auf dem Kopf!
Nun
lebe ich - wie vor vielen Jahren so lustig ein Paketzusteller meinte -
am Ende der Welt in einem kleinen, französischen Dorf (wieder an dessen
Rand) in Beziehung mit einem Mann, der deutlich älter ist, und wir
pfeifen dabei auf die für andere so wichtigen Konventionen. Wer sich
nicht einfühlen kann, dem empfehle ich einen konsequenten Alkohol-Verzicht für wenigstens 1-2 Jahre: auf diese Weise wird von ganz allein gelehrt, wie
leicht einem ohne jedes Verschulden der Platz als Gast am Zaun zugeteilt
wird...
*Ermangelung ist Weisheit* erklärt der Masai-Stammesälteste in *Down to earth* (einen Film, den ich nicht oft genug empfehlen kann). Wie recht er hat! So wurde mir erst mit dem vergangengen Jahr bewußt, WIE sehr ich mich der Guilde der Künstler zugehörig fühle (und gärtnern, kochen, fotographieren und schreiben ist nur ein kleines Ventil - irgendwann, das weiß ich, werde ich in der Bildhauerei wieder Zuflucht nehmen). Wir Künstler kommen damit zurecht, dass andere anders sind. Wir leben ganz selbstverständlich in einer heterogenen Gesellschaft (das inspiriert!), aber versuchen mit unserer Tätigkeit unseren friedlichen Teil zum Ganzen, zum Miteinander beizutragen: die Nahrung fürs Gemüt (#Pazifismus, #Non, je ne suis pas Charlie, #für Kunst, die dem Schönen, Wahren, Guten verpflichtet ist)!
Dafür
braucht es einen gewissen Abstand zu dem Großteil der Bevölkerung, denn
nur aus der Distanz läßt sich gut beobachten. Ich
staune gerade selbst über mich, wie sehr mich die Flashmobs berühren - es gibt sie noch, die anderen, meine kleine Zunft.
*Danser encore* flattert weiter und weiter: in den Gare de l'Est von
Paris (vorangesellt der Satz: *la peur de la mort n'empêche pas de mourir mais elle empêche de vivre!*), nach La Chapelle en Vercors (ein Steinwurf von uns entfernt, und
wißt ihr, wen ich dort entdeckt habe? Den Vater von meinem Birk!), nach
Zürich, Brüssel, Berlin, Freiburg, Bologne, Barcelona... Das Herz geht mir auf,
wenn ich die Menschen singen und tanzen sehe! *Man weicht der Welt nicht sicherer aus als durch die Kunst, und man verknüpft sich nicht sicherer mit ihr als durch die Kunst!* (Goethe)
Lahmacun wird klassisch mit Hack gemacht - ich habe bereits hier mal eine vegane Version vorgestellt. Nun biete ich euch eine weitere, vegetarische Variante an.
Zutaten 2-4P:
Vorteig:
75g Einkorn-Vollkorn
75g Wasser
1g Hefe
Hauptteig:
175g Mehl (m:T65)
90-100ml Wasser (m: davon ein Schuß Milch)
1/2 TL Salz
7g Hefe
1 EL Öl
400g Blumenkohl
Thymian
1 Schalotte
2 Knoblauchzehen
1 Stange Lauch
3 Pilze
100ml Ofentomaten
2 EL Tomatenmark
1 TL Harissa
2 EL Tamari
1 Zweig Rosmarin, fein gehackt
2 TL Oregano
Belag:
Feta
Paprika, gewürfelt
grüner Salat
Zwiebelringe
Joghurtsauce:
Minze, fein gehackt
Knoblauchzehen, fein gehackt
Salz, Pfeffer
Piment d'Espelette
Zubereitung:
Vorteig am Abend zuvor ansetzen: Zutaten vermengen, Teig bei Raumtemperatur etwa eine halbe Stunde anspringen lassen, dann abgedeckt in den Kühlschrank stellen.
Dann alle Zutaten für den Hauptteig vermengen, ins warme Stellen, abdecken und aufgehen lasen, bis er sich sein Volumen verdoppelt hat (dauert etwa 1 Stunde).
Parallel den Belag zubereiten. Ofen auf 220° vorheizen - direkt mit Pizzastein. Blumenkohl im Hexler kleiner schreddern (nicht zu muß, soll stückig sein), in eine ofenfeste Form geben, mit 1-2EL Olivenöl und Thymian vermengen und im Ofen rösten, bis er Röstaromen angenommen hat (dauert etwa 15min - zwischendrin wenden).
Für die Sauce Gemüse putzen und klein würfeln. Zuerst die Schalotte in Olivenöl andünsten, dann Knofi zugeben und Lauch und Pilze und weitere 5min mitbraten. Ofentomaten, Tomatenmark, Gewürze und den Ofen-Blumenkohl unterrühren und bei kleiner Hitze ca. 5min köcheln lassen. Salzen, pfeffern, würzig abschmecken mit Harissa und Tamari.
Den Teig vierteln und daraus vier dünne Fladen ausrollen. Die Sauce auf die vier Fladen verteilen und je zwei hintereinander auf dem heißen Pizzastein backen.
Währenddessen die Joghurt-Sauce zusammenrühren und den Belag richten
Zum Servieren mit zerkrümmelten Feta, in Streifen geschnittenen Salat, Zwiebelringe und Paprika-Würfel belegen.
*Anmerkung m: als Variante kann man die Fladen noch dünner als Flammkuchen wellen und backen, so dass man sie zum essen Wickeln kann wie ein Yufka.
Wer so kreativ kocht und so appetitliche wie stimmungsvolle Fotos macht wie du, liebe Micha, kann seine Künstlerseele nicht verheimlichen :-)
AntwortenLöschenganz herzlich, Sonja
Du bist meine Sonnenschein-Kommentatorin, liebe Sonja :)
LöschenEin Post, bei dem einem endlich mal wieder das Herz aufgeht. Endlich kein manipulierter, verlogene Politik-Terror. Und ich bin kein Afd-ler, kein radikaler Linker und Covid habe ich auch hinter mir, mir reicht dieser Scheiß jetzt.
AntwortenLöschenClaudia
*Die macht halt Politik* sagt man beispielsweise über Frauen, die genau was treiben...? Damit beschreibt man bereits viel wenn nicht alles über das alltägliche, politische Berufsgebaren! Genug haben wir vermutlich alle, nur über das WIE WEITER mit dem Virus leben, darf man anscheinend keine individuelle Meinung haben. Claudia, weiter wacker halten - was bleibt?!
LöschenMicha, tu l'as dit! J'te souhaite un bon week-end avec beaucoup de soleil & d'inspiration indépendante!
AntwortenLöschenBisous, Charlotte – profondément francofolle :D
viele bises, Charlotte, auf all jene, die die Freiheit wie die Luft zum Atmen brauchen :)
LöschenWir hatten hier heute aufm Land eine Demo gegen Corona (Einsamkeit, usw. )
AntwortenLöschenErstaunlicherweise war der chefe der hiesigen Polizeiwache mit dabei, ein sympathischer Mensch.
Deine Rezepte klingen immer köstlich :-)
Liebste Grüsse nach Frankreich und halt' die Ohren steif,
Britta
*Die Diskussion, wie viel Lockdown verhältnismäßig ist und wie viel wir kaputt machen in unserer Gesellschaft - das kann man doch nicht der AfD überlassen. Und den Prozess dann stigmatisieren und jedem, der protestiert, sagen: "Du vertrittst jetzt hier AfD-Positionen." Das ist doch totalitär. Damit ist das ganze Thema im Keim erstickt.*
Löschen... dechiffriert der Regisseur Dietrich Brüggemann von #allesdichtmachen die mechanische Abwehr aller Kritk in einem super Interview bei ntv:
https://www.n-tv.de/leute/Regisseur-von-allesdichtmachen-Dietrich-Brueggemann-Wir-unterwerfen-uns-absurden-Regeln-article22512402.html
... bevor man uns zwei in diese Ecke drücken will, Britta :)
Schönen Sonntag un herzliche Grüße zurück!
Ihr sprecht mir aus der Seele! Mir haben Leute, mit denen ich gemeinsam auf Gegendemos zu den Hogesa-Demos in Köln war, vorgeworfen, mich mit Nazis zu solidarisieren, als ich es gewagt habe, Kritik zu äußern. Ich konnte vor Fassungslosigkeit kaum noch antworten. Es grüßt, Lara
Löschen"Sie dürfen verzweifeln aber nicht zweifeln"
AntwortenLöschenNachdem diese deutsche Künstleraktion medial derart in der Luft zerissen wurde, traut man sich kaum mehr auch nur die leisesten Bedenken laut zu machen. Das macht Sorge!
Vielleicht hilft es für das Miteinander (für das ich werbe) sich bewußt zu machen, dass Sachlichkeit und Argumente in einer politischen Diskussion nichts bewirken - außer, dass sich jeder in seiner politischen Haltung versteift. Die Neurowissenschaft kann erklären, warum das so ist:
Löschenhttps://www.geo.de/wissen/22378-vdo-hirnforschung-warum-argumente-politischen-diskussionen-so-wenig-bewirken
Liebe Micha, das sieht köstlich aus und ich werde das Rezept am Wochenende ausprobieren :-) Danke für deine tiefsinnigen Gedanken - das Meinungsklima verengt sich von allen Seiten - echt schwierig auszuhalten. Ich empfehle das wunderbare "Browser Ballett" zu diesem Thema: "Ganz Deutschland hasst diese Meinung". Christina Schlag (!) hat eine differnzierte Meinung.Das trifft sehr meinen Humor und ist bestimmt noch bei Interesse im Netz zu finden. Herzliche Grüße an dich und voller Verständnis für ein selbst gewähltes "Aussenseiterdasein", Susanne
LöschenLiebe Susanne, die von dir empfohlene Folge vom Browser-Ballett habe ich mir direkt angeschaut! Passt zu meinen Gedanken wirklich wie die Faust aufs Auge :) Vielen Dank für diesen Link! En echter Treffer! Das Browser-Ballett habe ich ja kürzlich auch schon verlinkt: *Politiker-Nothilfe* - ebenfalls super witzig! Überhaupt merci für deinen bereichernden Kommentar!
LöschenAch, ob wir wollen oder nicht sind wir doch alle eine Schicksalsgemeinschaft! *Respekt* ist ein mal mehr das große Zauberwort! Und gegenseitig Verständnis füreinander haben: die einen für die, die Angst haben, an einer Scheiß-Krankheit zu verrecken - und die anderen für jene, die Angst davor haben, ihre Freiheit zu verlieren!
ganz viele herzliche Grüße zurück!