Eine der wunderbarsten Fähigkeiten von Büchern ist, dass sie verbinden können. Diesen Frühling habe ich *Marie de Brebis*, das ich von jemandem vom Tribe (coucou Monique) geschenkt bekommen hatte, jemandem vom Tribe (coucou Petra) während ihrer Zeit bei uns zum Lesen gegeben. Was uns dann noch näher zusammengebrachte, weil wir ganz ähnlich auf dieses Buch reagiert haben.
Ich erinnere mich, dass ich Vergleichbares mit *Krabat* erlebt hatte. Auf meiner ersten Reise alleine nahm ich *Krabat* mit, liebte die Geschichte wie beim ersten Mal lesen und nach mir verschlang es meine Mitbewohnerin (coucou Katharina), mit der ich mir auf Koh Tao den Bungalow teilte, um Geld zu sparen. Auch uns beide ließ das geteilte Leseempfinden enger zusammen rutschen. *Marie de Brebis* wie *Krabat* kommen entschieden auf die *Bücher meines Lebens - Edition 2*.
Wobei ich alle Bücher von Otfried Preußler toll finde- doch Krabat ganz besonders. Über diese abgrundtief hundsmiserable Verfilmung war ich damals so aufgebracht, dass ich Preußler einen Brandbrief der Entrüstung schreiben wollte. Er war aber kurz vor dem Kinostart gestorben.
Krabat wurde mir gerade wieder lebendig, weil ich eine Doku über Otfried Preußler angeguckt habe (ja, schon wieder Arte, für die Interessierten unten eingestellt). Mit dem ersten Blick auf Otfried Preußler denkt man, was ein freundlicher, gutmütiger, anständiger Mann - manchen Menschen ist es einfach ins Gesicht geschrieben. Wie erstaunt war ich, dass Preußler über 10 Jahre an Krabat geschrieben hatte - sein Lebensbuch. Ein Buch, dass er sich beim Spazierengehen im Wald wieder und wieder ins Diktiergerät erzählte, daran änderte und feilte... bis sein Meisterwerk fertig war.
Wieviel von seiner eigenen Biographie darin steckt, auch darauf wäre ich nicht gekommen: er verarbeitet darin seine eigenen traumatischen Erfahrungen im Krieg und 5 Jahre Gefangenschaft in einem russischen Lager. Wieder entlassen mit 25 Jahren, zurück in Deutschland bei seiner großen Liebe Annelies quält ihn die Frage: wie konnte er, wie konnte eine ganze Generation sich derart verführen lassen und in den Bann böser Mächte geraten - seine Theaterstücke blieben völlig erfolglos, die Thematik interssierte in den 50igern niemanden. Nach dem Krieg beschäftigt mit Wiederaufbau und Verdrängung zieht man heile Welt samt Schlagermusik und Heimatfilmen jeder Art von Aufarbeitung vor.
Erst Mitte der 1990er zeigt die sog. *Wehrmachtsausstellung* Verbrechen einfacher, deutscher Soldaten und löste ein gewaltiges und auch breitgefächertes Echo aus: von Protesten (à la *Diffamierung stoppen!*) bishin zu Zuspruch - ein Land erinnert sich, fragt nach Verantwortung der Väter bzw- Großväter-Generation und: der Einzelverantwortung. Preußler fragt sich auch, wieso ausgerechnet er überlebte.
Die Geschichte von *Krabat* dreht sich um die Frage, was fasziniert an bösen Mächten und wie kann ich ihnen zu widerstehen. Eigentlich ist es eine märchenhafte Fassung der biblischen Geschichte vom verlorenen Sohn. Preußler macht sich die alte sorbische Sage (die als Vorlage diente) von dem Waisenkind aus dem 17 Jhdt ganz zur Auseinandersetzung mit seinem eigenen Leben: der Schwarzmagier/ der Diktator, der seine Knechte im Lager hält. Doch mit schwerer Rückkopplung: die Überlegungen setzen Preußler derart zu, dass er in eine schwere, psychische Krise gerät und die Arbeit an diesem Buch zwischendrin aufgeben muss.
Die Sage spielt in einer Mühle. Wie oft hat der Habib mir dieses Bild vor Augen gesetzt: die Mühlarbeiter, die auf engen, steilen Stegen Doppelzenter-Säcke hochtragen müssen, Getreide-Säcke von 100kg. Heute eine unvorstellbare Viecherei. Der Habib schleppte noch 50kg Zementsäcke den Berg hoch, um dem Hang das Haus abzutrotzen. Heute wiegen die Zementsäcke lediglich 25kg.
Der Gedanke ist schon verführerisch, es im Leben durch magische Kräfte leichter zu haben, anderen voraus zu sein, größer, stärker, mächtiger. Als Jugendlicher hegt man gerne solche Wünsche und Sehnsüchte. Doch die Entscheidung, die Krabat am Ende fällt ist: ich will kein Zauberer mehr sein, ich will, dass das endet, selbst wenn ich dafür sterbe. Krabat entscheidet sich somit bewußt gegen alle Erleichterung, gegen alle Vorteile und für alle Mühen, Plagen, alles Leid und Elend, das unweigerlich dazugehört, wenn man sich dem Leben stellt. Er entscheidet sich in aller Bescheidenheit und Demut lieber hundsgewöhnlich zu sein, 08-15, einer von vielen, nichts Besonderes. Das rettet ihn, sowie die Liebe eines Mädchens, das fest im Glauben verankert ist.
Aber - und das ist das Wesentliche: er entscheidet sich damit gleichzeitig für die Freiheit. Und somit für das Gute. Denn das gilt es sich bewußt zu machen: nur das Gute läßt frei. Das Böse aber raubt dir deine Entscheidungsfähigkeit und Urteilsfähigkeit samt deinem freien Willen - so lautet Preußlers Erkenntnis aus seinen Erlebnissen. Rest seines Lebens bleibt er entschiedener Pazifist. Er hatte sich geschworen, berichtet seine Tochter in der Doku, sich nie wieder instrumentalisieren zu lassen, er hat sich geschworen, nie wieder ein Gewehr in die Hand zu nehmen
*Es gibt eine Art von Zauberei, die man mühsam erlernen muss, das ist die, wie sie im Koraktor steht, Zeichen für Zeichen und Formel für Formel. Und dann gibt es eine, die wächst einem aus der Tiefe des Herzens zu, aus Sorge um jemanden, den man lieb hat*, schreibt Preußler in Krabat.
Im tiefen Mitgefühl liegt die eigentliche Magie.
Und einen Sonntag kann man leichterdings magischer machen, wenn man dazu Kuchen serviert. Ich stelle euch ein weiteres Apfelkuchen-Rezept vor. Denn Apfelkuchen-Rezepte, derer kann man unmöglich genug angesammelt haben. Und dieses Stück Kuchen wird euch in Erinnerung bleiben, da es mit ungewöhnlichen Aromen aufwartet: ein bißchen Kaffee, ein bißchen Inger, ein bißchen Kardamom, ein bißchen Orange. Noch nicht wirklich adventlich aber auf dem Weg dazu.
Zutaten:
Tarteteig:200g Mehl
110g Butter, kalt
60g Rohrzucker
1 TL Crème fraîche
Salz
10g Instant Espresso
5g Kakao
1/2 TL Kardamom
etwas kaltes Wasser
...
500g Äpfel, entkernt, geschält
2 Eier
100g Mascarpone
200g Crème fraîche
60g Rohrzucker
ca. 2cm Ingwer, gerieben
1 Orange, der Abrieb davon
...
ca. 2-3 EL Muscovado-Zucker
ca. 2-3 EL gehackte Nüsse (m: Haselnüsse)
Zubereitung:
Alle Zutaten für den Tarteboden miteinander vermengen und rasch zu einem glatten
Teig kneten. In Folie wickeln und etwa eine halbe Stunde im Kühlschrank ruhen lassen. Danach eine Tartefom (oder Srpingform) mit dem Teig auslegen und dabei
einen Rand hochziehen. Den Boden mit einer Gabel mehrfach einstechen.
Für die Füllung die Äpfel schälen, entkernen und in schmale Spalten schneiden. Die Apfelspalten auf den Teig in der Springform verteilen.
Den Ofen auf 200° Grad vorheizen (m: Intensivbacken = mehr Unterhitze).
In einer Schüssel die Eier, den Zucker, Crème und Mascarpone verrühren, Ingwer und Orangenschale dazu reiben und untermischen. Die Masse über die Äpfel gießen. Zuletzt ein paar gehackte Nüsse sowie den Muscovado-Zucker auf den Kuchen streuen.
Den Kuchen ca. 45 Minuten fallend auf 180° Grad backen.
Anmerkung m: man kann den Guss auch mit 3 Eiern und 300g Schmand backen.
Inspiraiton: Was eignes
E
AntwortenLöschenAn einem Novembersonntag, an dem`s morgens nebelte und nun eine feine Sonne Glanz in den von goldnen Blättern bedeckten Garten zaubert, les ich Deine Zeilen, liebe Micha.
Auch wir sahen den Film über Ottfried Preussler. Ganz klar, im Grunde, da ich all seine wundervollen Kinderbücher meinen kindern abends vorlas.
Ein wahrer Schatz an Geschichten.
Aber zweitens: auch bei mir steht "Marie,de brebis" im Schrank. Ich hab das Buch mit Tränen in den Augen gelesen.
Wer je (ich erinnere mich an Deine Situation..) eine liebsten Menschen verlor, versteht sie ganz, die Marie. Ein wunderschönes Buch.#
Herzgrüssle zum Sonntag Evi
Vorgelesene Geschichten, Evi, entfalten einen zusätzlichen Charme - wohl allen Kindern, die in einen solchen Genuß kommen. Ich glaube, solche Geschichten bleiben besonders im Gedächnist! herzliche Grüße zurück!
Löschenein deutscher Arzt, der als Student in russische Kriegsgefangenschaft geriet, klagte mir einmal darüber, dass er es nicht geschafft habe, seinen Nachkommen die Schrecken eines Krieges nahe zu bringen. Jede Generation fängt offenbar wieder von vorne an. Den Apfelkuchen lasse ich mir von Frau H. nachbacken.
AntwortenLöschenEs bleibt mir, Robert, völlig schleierhaft, was *Mensch* an den Grauen des Krieges nicht verstehen kann - schon rein theoretisch?!???
LöschenErstaunlich, wie unterschiedlich Bücher uns berühren können. Krabbat ist DIE traumatische Leseerfahrungen aus der Übergangszeit zwischen Kind und Jugendliche. Mit etwa 12 aus der Bücherei ausgeliehen und nach der Hälfte abgebrochen (etwas, was ich bis heute seltenst tue: Bücher nicht zu Ende lesen), ein Jahr später musste ich es dann als Schullektüre ganz lesen. Alpträume inklusive. Denke ich an Krabat, ist in meiner Erinnerung nur Dunkelheit und schwarze Wolken.
AntwortenLöschenVielleicht sollte ich es nochmal lesen - allerdings ging das bei Watership Down (ein Film-Kindheitstrauma) sowas nach hinten los ...
Oh, zum Thema grauenhafte Leseerfahrung in der Schule werfe ich *Stiller* von Max Frisch in den Ring. Ein grauenhafter, unerträglicher Hauptprotagonist, der mich prompt im Studium erneut belästigt hat!
LöschenAber ja, das können Bücher auch: völlig unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Auch faszinierend! Hach, wir Menschen sind unterschiedlich - man kann es sich nicht oft genug bewußt machen, oder, Stefanie?! Und das ist auch gut so!
Liebe Micha,
AntwortenLöschenvielen Dank für das köstliche Tarte-Rezept! Gestern gefunden, heute gebacken: mein Mann und ich sind begeistert von den unterschiedlichen, perfekt aufeinander abgestimmten Aromen! Dieser Kuchen wird ins Standardrepertoire aufgenommen. Liebe Grüße, Claudia
Das liest sich, Claudia, als ob ich mit der Tarte voll euren Geschmack getroffen habe! Sehr schön, das ist eine Rückmeldung, die mir runter geht wie Öl! viele liebe Grüße zurück!
LöschenHallo Micha,
AntwortenLöschendiese Tarte ist absolut Spitze, wir sind begeistert von der leckeren Komposition!
Vielen Dank für´s Rezept!
Liebe Grüße vom Hansi
Vielen Dank, Hansi, so ein Feedback freut mich natürlich!
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