natürliches Biotop: eine Art Herbst-Kartoffel-Calzone

Sonntag, 8. September 2019


Als ich dieser Tage am Parkplatz pralle, vollreife Brombeeren pflückte, lief eine kleine, französische Wandergruppe an mir vorbei bestehend aus zwei Familien mit mehreren Kinder im schulpflichtigen Alter. Einer der Jungs blieb einige Schritte entfernt von mir stehen und fragte - auf meine Brombeeren zeigend - : *Sind das da Johannisbeeren?* Ich drehte mich belustigt um in sicherer Annahme, dass er nun ausgelacht werden würde. Alles lief weiter, lediglich die Mutter antwortete in nebulös-gedehnten Worten: *Nein, Johannisbeeren sind das nicht.* Punkt. Mehr konnte sie an dieser Stelle nicht beitragen und stapfte den anderen hinterher.

Zurück blieb eine offene Frage, süße Brombeeren und eine staunende Foodbloggerin.

Mir bietet diese kurze Begebenheit eine Steilvorlage, um auf ein Thema hinzuweisen, wofür ich die Links bereits gespeichert hatte. Vielen (da bin ich mir sicher) kommt es nämlich bestimmt überzeichnet vor, wenn ich behaupte, dass wir die Verbindung zur Natur verlieren. Aber die Fakten spielen mir zu: Kinder verbringen heute einen großen Teil ihrer Zeit in Innenräumen und kommen mit Natur kaum noch in Berührung. Zwangsläufig führt dieser Trend dazu, dass wir uns von der Natur entfremden. Und Ängste entwickeln. Bei allem Respekt vor der Friday-for-Future-Bewegung, aber unbestritten bleibt gleichfalls: Naturschützern und selbst Biologen fehlt der Nachwuchs.

Wie weit die Naturentfremdung fortgeschritten ist, zeigt der *Jugendreport Natur*, der seit 20 Jahren das Verhältnis von jungen Menschen zur Natur untersucht. *Kein Kindlein steht im Walde* titelt der Deutschlandfunk, der auf die gleiche Studie zurückgreift. Den Kids wurde nicht etwa auf den Zahn gefühlt, ob sie Fuchsien von Fresien unterscheiden können oder gar eine blühende wilde Möhre von Giersch. Nein, abgefragt wurde elementare Basic. Und erschreckend dabei ist, in welchem Umfang absolutes Grundwissen verloren geht. So konnte nur ein kleiner Prozentsatz der Jugendlichen Fragen beantworten wie: *In welcher Himmelrichtung geht die Sonne auf?* (schafften nur noch 35 Prozent - WHAT?!!!)  Oder: *Nenne drei essbare Früchte, die bei uns im Wald oder am Waldrand wachsen* (lösten 12 Prozent richtig - unter den Vorschlägen: Banane, Ananas, Mango...).

Wie sagte der Verhaltensforscher Konrad Lorenz: *Man liebt nur, was man kennt, und man schützt nur, was man liebt.*

Doch das Interesse für unser arteigenes Biotop schwindet schrittweise und die abnehmende Zugewandtheit wurzelt schon in der Elterngeneration. Man kehrt sich von *Altem* (der Natur) ab und wendet sich *Neuem*(der Technik)  zu - ganz so, als gäbe es kein Nebeneinander sondern nur ein *Entweder-Oder*.

Die Allensbach-Umfrage im Auftrag der Deutschen Wildtierstiftung von 2016 untermauert diesen Eindruck. Auf die Frage: "Wo sollte man sich auskennen?" rangieren Rechtschreibung (81 Prozent), Gesundheitsvorsorge (52 Prozent) und der Umgang mit Computern (46 Prozent) weit vor Kenntnissen der Natur (25 Prozent). 

Wo soll das hinführen? Wie seht ihr das? Was sagt ihr zu dieser Entwicklung? 

Mag ja sein, dass wir irgendwann auf dem Mars oder wherever leben können, aber NOCH spielt hier die Musik. 

Und ich bitte euch: um eine Brombeere und eine Johannisbeere auseinanderhalten zu können, braucht es doch hoffentlich kein schulisches Biologie-Bildungswissen, oder doch? Hey, ich bin definitiv zu jung, um mich als lebendes Fossil zu fühlen! Lakonisch gesehen hat diese raumgreifende Unkenntnis für unseren natürlichen Lebensraum ein Gutes: immer weniger Menschen wird das Artensterben überhaupt auffallen...


Zwei Mal schon habe ich diese gefüllten Kartoffel-Taler zubereitet. Genau: ein Salat-Plus-Essen! Logo, dass mich das begeistert! Aber angetan hat es mir  bei diesem Gericht der Kartoffelteig mit Reismehl und etwas Speisestärke. Ohne dass man sonderlich viel Fett benötigt, werden sie in der Pfanne wirklich schön knusprig.

Und auch meine Bedenken, dass sie sich in der Pfanne öffnen könnten, löste sich in Luft auf: sie halten prima zusammen - und das, obwohl mein Teig beim Formen recht *bröckelig* war. Alle Löcher kann man aber gut mit Teig kitten. Was mögliche Füllungen angeht, darf man der Phantasie Flügel wachsen lassen. Beim ersten Mal mischte ich Paprika mit Champigons und Käse-Resten, beim zweiten Mal machte ich eine De-Luxe-Variante, die ich euch heute vorstelle. Ein paar Johannisbeeren mengte ich unter den Begleit-Salat. Oder sind es Brombeeren...?

Zutaten 2P:

500-600g Kartoffeln (m: Charlotte)
40g Reismehl*
20g Speisestärke
Salz, Pfeffer, Muskat
etwas Kreuzkümmel

Füllung:
100g Pfifferlinge
1 kleine Stange Lauch
ca. 60g Raclette-Käse
1 Schalotte
2 Knoblauchzehen
1 EL Petersilie
Piment d'Espelette
Salz, Pfeffer
Olivenöl


Zubereitung:

Die Kartoffeln schälen, klein schneiden und in Salzwasser gar kochen. Abschütten, gut ausdämpfen lassen, würzen und mit einem Kartoffelstampfer schön fein stampfen (ein Mal habe ich den Teig gut auskühlen lassen, das andere Mal war er noch lauwarm - ergab keinen nennenswerten Unterschied).

Für die Füllung die Pilze putzen und klein schneiden. Schalotte und Knoblauchzehe fein würfeln, Lauchstange der Länge nach vierteln und ebenfalls fein schneiden. Petersilie fein hacken. In etwas Olivenöl die Schalotte glasig braten, Pilze zufügen, ebenso den Knoblauch und weitere 5 min dünsten. Petersilie untermischen und gut würzig abschmecken.

Den Kartoffelteig vierteln und 4 Kugeln formen. In der linken Hand halten, patt drücken, eine Mulde formen und ein Viertel der Füllung reingeben. Die Kugeln schön schließen und anschließend etwas platt drücken (habe ich auf meinem großen Plastik-Spachtel die Kartoffel-Taler nochmals von beiden Seiten platt gedrückt... auf dem Holzbrett hingen sie leicht an - dann werden sie nachher in der Pfanne schön und gleichmäßig knusprig). So verfahren, bis alle vier Kartoffel-Taler gefüllt und geformt sind.

In einer Pfanne etwas Sonnenblumenöl erhitzen und die Taler von beiden Seiten golden und knusprig braten!

Dazu gab es einen bunten, gemischten Salat mit allem, was der Garten gerade hergibt...

*Anmerkung m: Ich habe dafür meinen Halbvollkorn-Reis einfach durch die Getreidemühle gelassen/ bedenke: alle Füllungen - egal ob für Pasta oder in diesem Fall Kartoffelteig - etwas überwürzen!

Inspiration: Elavegan

Feld-Mannstreu mit Kaisermantel


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12 Kommentare

  1. Hallo Micha,
    ein Artikel der melancholisch stimmt. "immer weniger Menschen wird das Artensterben überhaupt auffallen" ... das ist wohl wahr, aber wenn es ganz science-fiction-mäßig gar nicht mehr grün auf unserer Erde ist, wird es wohl doch auffallen. Oder nicht, wenn man nichts anderes kennt ... ein interessanter Gedanke!
    Aber dafür ein Rezept, das wieder aufbaut! Klingt wirklich gut.
    Gruss,
    Sarab

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    1. Also ich will hoffen, dass ich *Sience Fiction* nicht mehr erlebe! Weil eines ist sicherer: es WIRD magerer vor der Haustür und nicht umgekehrt. Aber was wollen wir machen??? Außer sich den Tag ein bißchen schöner kochen - mehr fällt mir gerade nicht ein ;-)
      ganz liebe Grüße zurück...

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  2. Hallo Micha,
    das ist echt traurig. Ich frag mich immer, was diese Familien essen? Scheinbar wird Essbares nur im Supermarkt als solches erkannt, gut verpackt und mit MHD beschriftet. Sohnemann wurde kürzlich bei seiner Baustellen-Brotzeit misstrauisch befragt, was er da isst. Er hatt eine krumme, bauchige, etwas stachelige Gurke aus Omas Garten dabei :-)
    Da halt ich mich wieder an dein Rezept und freu mich an dem superschönen Teller!
    Regnerische Grüße, Margot

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    1. Das was solche Leute essen, Margot, wird vermutlich auf der Verpackung stehen ;O). Aber ja, mir fehlen da auch die Worte. Gelle, aber Hauptsache man kann sich mit dem Smartphone was vom Liefer-Service bestellen. Wer muss dann schon Gurken von Zucchini auseinanderhalten können!

      Ach, und so schön, wenn ich uns zwei mit ein bißchen Essen ablenken kann!
      liebe Grüße nach München!!

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  3. Liebe Micha, oja, die Reihe der Beispiele solcher Naturentfremdung könnte ich leider auch fortsetzen. Da denkst man manchmal in der Kleinstadt, quasi auf dem Land, könnte man dahingehend noch gewisse Grundkenntnisse voraussetzen - weitgefehlt... Traurig, traurig... Ich frage mich dann auch, was das für ein Gefühl sein muss mit diesem Nichtwissen durch die Natur zu gehen und kann mir vorstellen, dass sich das Gefühl von Hilflosigkeit und Angst schnell einstellen kann, schließlich kann man dann nichts so recht einordnen - giftig oder nicht, wo könnte der Boden sumpfig sein, wo kann man Tierbauten erahnen etcpp... Ja, wo ist NordenSüden?... Das Zitat von Konrad Lorenz finde ich sehr schön und passend und es stimmt natürlich nicht weniger besorgt. An diesen Kartoffeltäschchen komme ich natürlich nicht vorbei. Ganz bald wird es die bei uns geben! Viele Grüße von Hannah

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    1. Ist ja auch nicht so, Hannah, dass ich jetzt die volle Botanikerin bin (aber ich versuche mich weiterzubilden - schließlich lebe ich ja mittendrin und ärgere mich dann, wenn ich mit Unkenntnis prahle), aber so Grundsätzlichkeiten halte ich für eine absolut notwendige Vorraussetzung für die Lebenstüchtigkeit. Also ich muss doch wissen, wo die Sonne aufgeht und wo unter. Beispielsweise... Und ja, ohne dass ich zu etwas (Sache/ Tier/ Pflanze/ Ort/ Mensch...) keinen Bezug habe, so lange kanns mir den Buckel runterrutschen.

      Die Kartoffeltäschen werdet ihr mögen: ich kenne doch unseren Geschmack ;)
      ganz herzlich zurück!

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  4. Gebt den Kinder mehr natürliches Essen, sie lieben Kartoffeln, Butter, Beeren aller Art, Äpfel, Möhren und Gemüse. Sie lieben es, Zucker brauchen sie nur in kleinen Mengen. WASSER LÖSCHT DEN Durst am besten.

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    1. Woher hast du das Zitat? Aus der Bibel? Klingt mir fast nach Jakob Lorber?!

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  5. Liebe Micha, leider nicke ich hier meinen Vorrednerinnen nach.... es ist traurig. Aber gell, wir dürfen nicht resignieren: Sorgen wir dafür, dass im kleinen Rahmen- in meinem Fall bei meinen eigenen Kindern- ein möglichst umfangreicher Grundstock an Wissen, gepaart mit wach gehaltener Neugierde und Freude für alles was um uns herum wächst, lebendig bleibt und nicht erlischt. Das rettet dann bestimmt nicht die Vielzahl der vom Aussterben bedrohten Pflanzen und Tiere, aber es bleibt eine kleine, aber feine Zahl derer übrig, die auch der übernächsten Generation ihr Wissen und diesen Schatz weitergeben kann. Vielleicht kommt es am Schluss einfach genau darauf an.
    Ist vielleicht Nischendenken, aber es ist momentan gerade alles, was ich so wirklich beitragen kann...
    Danke für die gluschtigen Kartoffeltaschen...ich habe sie schon vorgemerkt! Herzlich, Pierina

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    1. Was bleibt, Pierina? Man kann sich einem Trend, einer Bewegung nicht in den Weg stellen - wie blöd müsste man sein?!

      Wie habe ich heute morgen gelesen - Zitat von einem Klima-Forscher:
      *Es macht mich traurig, wie dumm wir sind. Kollektiv verhalten wir uns wie ein Schwarm dämlicher Goldfische.* (https://www.zeit.de/campus/2019-09/scientists-for-future-christoph-schneider-klimaschutz-aktivismus). Also kümmert man sich schön um seinen eigenen Kochtopf und rührt in seiner eigenen Suppe - wenn man das anständig machen will (plus guter Athmo am Tisch...) ist man durchaus ausgelastet...
      herzlich zurück...

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  6. Ich habe ein Produkt einer solchen Erziehung zuhause: Mein Mann kann kann ebensowenig eine Brombeere von einer Johannisbeere unterscheiden und keine Nektarinen von Pfirsichen (aber hey, das ist auch echt schwierig!). Obwohl das teilweise bei uns im Garten wächst. Hat er als Kind nie gelernt, interessiert ihn nicht. Ich finde das ebenfalls sehr traurig.

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    1. Na, dann hat er ja das große Glück, Katrin, dich als *Blindenfüherin* zu haben! Kochen wird dein Trauter dann vermutlich auch nicht... aber essen ;) Vielleicht kannst du ihn über den Aopetit langsam dafür begeistern, was ihn umgibt??

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