Paris ist weit weg III: Butterrüben-Risotto mit Falafel-Tofu

Mittwoch, 23. Oktober 2019


An Fynn - das wißt ihr - gefiel mir so einiges gut. Eigentlich wäre er auch ein Wunsch-Kandidat für meine #zu Tisch mit...- Reihe gewesen. Aber der Fynn ist ja so umtriebig, der hat ja nie Zeit...

In diesem Podcast mit Fynn erklärt er wirklich prima, wie Politik auf dem Dorf von statten geht - das scheint sich im ländlichen Raum überall sehr zu gleichen. Und zwar kann man sich wundern, dass in dem einen Dorf nahezu alle rechts wählen und im anderen Dorf alle grün - obwohl sie nur zwei Kilometer auseinander liegen. Als würde sich polititsche Gesinnung nach Ortschaft aufteilen und beieinander siedeln. Aber, so meint Fynn, hinter diesem Phänomen verbirgt sich meist eine einzige Familie, ein großen Hof (aus mehr besteht ein Dorf ja nicht ;), mit dem man es dann parteiisch hält. So von Gartenzaun über Gartenzaun...

Klar, logo, tendenziös gezeichnet, natürlich findet sich auch dörfliche Diversität, trotzdem offenbart sich gerade im Kleinen, wieviel Politik mit Stimmungsmache gemein hat. Und dass dieses Emotionalisieren von Menschen in beide Richtungen funktioniert: sowohl für mehr Miteinander oder mehr Gegeneinander.

Meine nächste Geschichte zum Thema *Paris ist weit weg aka französisches Landleben* spiegelt genau das. Der Umgang mit Jurten (für alle, die kein Bild vor Augen haben: hier der Jurte-Link) bietet nämlich ein anschauliches Beispiel. Jurten (übrigens ähnlich wie roulottes - Planwägen ) erfreuen sich hier auf dem Land zunehmender Beliebtheit. Aus dem einfachen Grund, weil Wohnraum (egal ob zur Miete oder Eigentum) immer teurer wird, ja zunehmend unbezahlbar für einige.

Jurten sind weder ein fixes Haus noch ein klassisches Zelt - bref: quelque chose entre les deux, irgendetwas dazwischen. Somit quasi gleichzeitig eine Art juristischer Graubereich. Ben, machen wir uns nix vor, sowas gibt es im (über)reglementierten Europa schon lange nicht mehr. Jurten sind also grundeigentlich verboten.

In Deutschland werden bei Gesetztesverstoß umgehend Vollstrecker ausgesendet, die solche Zuwiderhandlung wieder begradigen. Aber in Frankreich kommt es halt darauf an... Wie ich ja bereits schrieb: rechts und links findet der Fränzi gerne noch ein Schlupfloch. Ganz nach dem altbekannten Spruch: *Wo kein Kläger da kein Richter.* In einem Dorf zwei Täler weiter siedeln mittlerweile drei Jurten. Sie werden von der ganzen Gemeinde inklusive Bürgermeister toleriert - man lässt sie (wieder einmal stillschweigend) einfach gewähren. Keiner fühlt sich gestört - warum auch? Und von was? Einer Jurte?!

Hingegen die Jurte in einer Nachbarortschaft stand nur ein dreiviertel Jahr. Ich gebe es unumwunden zu: ihr Verschwinden war mir ein Ärgernis. Der Jurten-Bewohner ist vraiment un brave type, ein junger, wilder Naturbursche, hilfsbereit und freundlich, aus einer alteingesessenen, französischen Familie von hier, Mitglied der Jäger und des Fußballvereins, der auf eigenem Grund und gut versteckt seine Jurte aufgestellt hatte. Ich (so als Zugewanderte) dachte eigentlich, dass er damit (also Herkunftskarte samt den Mitgliedsausweissen) auf dem Land soetwas wie Diplomaten-Status hätte - immun und gefeit vor allem nachbarschaftlichem Unbill. Doch das téléphone arabe (die Flüsterpost)  munkelt, dass er mit seiner Jurte den Argwohn ausgerechnet der reichsten Familie des Dorfes auf sich zog - von denen keiner auch nur eine Woche in einer Jurte leben wollen würde (und bei der mir stets Hauffs *kalte Herz* einfällt). 

So wurde von deren Anhängerschaft mit viel Prass argumentiert, dass wir schließlich alle unsere taxe d'habitation (Haussteuer) und taxe fontière (Grundsteuer) zu zahlen hätten, die Jurte vermutlich noch nicht einmal mit einer richtigen Sanitäranlagen ausgestattet wäre und zuguterletzt schlicht illegal steht, wo sie steht. Diese eine Familie im Dorf reichte als Aufhetzer aus. Womit wir wieder bei dem ungerechten, irdischen Ungleichgewicht angekommen wären. Ein Unkräutlein im Topf und der ganze Inhalt kippt. Die (meine) Moral von der Geschicht': Bösartigkeit wurde noch gar nie dank der Freundklichkeit anderer kuriert (leider!). Und Toleranz beziehungsweise Intoleranz ist Charaktersache...


Erneut stelle ich euch begleitend einen Fusionsküchen-Teller vor (holt man den Fusion-Begriff überhaupt noch vor oder ist der schon voll old-school? Egal). Die Navets (Butterrübchen) gehören seit ich in Südfrankreich bin zu dem gängigen Sortiment auf den Markttischen. Ich kannte sie von zuhause aus nicht - schätze aber ihren Geschmack sehr. Gut erinnere ich mich, wie sie mir zum ersten Mal von unserer Pariser Nachbarin serviert wurden: mit Geduld einfach in der Pfanne golden geröstet. Ich hätte die komplette Portion alleine verdrücken können. So ähnlich werden die Navets auch zum Großteil für dieses Risotto zubereitet.

Das i-Tüpfelchen macht der Falafel-Tofu, für den ich mir wie so oft Inspiration von Susanne mitgenommen habe. Was bin ich froh, dass es *Magentratzerl* gibt - für mich ein steter Quell an erfrischender und ungeheuer breitgefächerten kulinarischer Muse! Das ergab als Topping für dieses Risotto einer der besten Tofu-Bratwürfel, die ich je zubereitet habe. Voll Top :)

Ach, und alleine für das wunderherrliche Granatapfel-Sirup lohnt sich die Reise in den wunderschönen Iran!

Zutaten 2P:

140g Rundkorn-Reis (m: Halb-Vollkorn)
5 Navets (ca. 450g Butterrübchen)
1 Schalotte
1 Schuß Noilly Prat
Gemüsebrühe
1 EL Tahini (Sesampaste) 
2 EL Petersilie, fein gehackt*
Salz, Pfeffer
etwas Zitronensaft 
Sonnenblumenöl

100g Tofu
2 EL Sonnenblumenöl
1 Knoblauch, feinst gehackt
1/2 Kreuzkümmel
1/2 TL Koriander
1/2 TL Salz
1/4 TL Sumac
2 Msp Ras el Hanout
Chili

1 TL Reismehl
1 TL Speisestärke
1 EL Sesam
Sonnenblumenöl

Granatapfel-Sirup

Zubereitung:

Den Tofu zwischen Küchenkrepp setzen, beschweren und so die überschüssige Flüssigkeit herauszupressen (m: etwa 1 Stunde so stehen lassen). Den Tofu in 1cm Würfel schneiden. Eine Marinade aus Öl, Knoblauch, Koriander, Kreuzkümmel, Salz, Sumac, Chili und Ras el Hanout herstellen und die Tofu-Würfel darin marinieren (m: 2 Stunden - oder über Nacht).

Die Navets schälen. 2 Navets fein würfeln (ca. 0,5cm), Schalotte ebenfalls fein hacken. Schalotten- und Navetswürfel in dem Öl andünsten. Den Reis ebenfalls kurz mitbraten. Mit Noilly ablöschen. Dann Gemüsebrühe anschütten und unter Rühren stets soviel weitere Brühe zufügen wie sie das Risotto schluckt.

Parallel die restlichen Navets in dünne Scheiben schneiden und mit Geduld in etwas Öl Farbe annehmen lassen (dauert ca. 15-20min).

Gen Ende der Garzeit des Risottos die Tofu-Würfel in der Mischung aus Reismehl, Speisestärke und Sesam wenden. So lange in heißem Öl braten bis die Würfel außen knusprig sind.

Vor dem Servieren die seperat gebratenen Navets untermischen - zusammen mit der Tahini und der Petersilie. Abschmecken mit Salz und Pfeffer.

Zum Anrichten das Risotto in tiefe Teller geben, mit den knusprigen Tofu-Würfel toppen und mit Granatapfel-Sirup garnieren.

*Anmerkung m: die Tofu-Würfel stelle ich mir auch super zu dem Karotten-Pü vor!



6 Kommentare

  1. Wieder so ein tolles Zusammenspiel von Zutaten, Aromen und Konsistenzen, Genuss pur.
    Wenn das nicht umami ist dann frage ich mich was umami ist, kann es förmlich schmecken.
    Ich bin und bleibe einfach ein Fan von deinem Blog und deinen für mich großartigen Rezepten den du kannst nicht nur Zutaten in einer (für mich) Perfektion auf den Teller zauber, nein, du kannst genauso gekonnt mit Worten umgehen.
    Viele Grüße,
    Jesse-Gabriel

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Du bist wirklich ein Schwärmer :) Vielen Dank für deinen überschwenglichen Kommentar - auch wenn *perfekt* schon SEHR hochgegriffen ist ;-) Allerdings (ohne falsche Bescheidenheit) gefällt mir hier die Aromen-Zusammenstellung auch besonders gut! Und ausgesprochene Freude habe ich - das weißt du - wenn man meine begleitenden Texte zu schätzen weiß, die in aller Regel mehr Arbeit machen, als ein Rezept einzutippen und einen Teller zu fotographieren... Schönen Sonntag dir!

      Löschen
  2. Das freut mich, dass der Tofu so gut ankam. :-). Auf Risotto kann ich mir den richtig gut vorstellen. Und nach den Rübchen muss ich mal Ausschau halten.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Die Navets, Susanne, kannst du durch sämtliche Speiserübchen (Mairrübe, Kohlrübe, Teltower-Rübchen, Bayrische Rübe, Herbstrübe... - und wie sie alle heißen oder bezeichnet werden) ersetzen. Der Geschmack ist sehr ähnlich! Und BISOU für die Inspiration: Falafel-Tofu... da habe ich ja direkt aufgehorcht ;-)

      Löschen
  3. Immer wieder faszinierend das Zwischenspiel oder Hauptspiel von Worten und Tellerinhalten.
    Bei diesem Post faszinierte mich der Text besonders, die Jurten und dem Gedanken darüber, wenn es dem Nachbar nicht gefiel... Also da sind wohl Menschen alle gleich oder ähnlich.
    Ganz viel früher war es oft die Konfession, die Menschen zu einem Ärgernis werden ließ, heute sind es Jurten...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen Dank für diesen Kommentar - ja, so nehme ich das auch war: irgendetwas braucht man wohl als *Sündenlamm* um seinen Ärger/ Missmut... whatever an den Mann/ die Frau zu bekommen. Nimm' irgendetwas als Aufreger, ob Konfession oder Jurte, Sinn muss es keinen machen, die bad enery muss nur irgendwie raus. Schlimm, oder?

      Löschen

Für Kommentare gilt: die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) wurden an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.