clichés franco-allmands: Kohlrabicremesuppe mit Radieschen

Mittwoch, 3. März 2021


Verallgemeinernde Urteile stimmen ja selten bis nie. Und kurioserweise ist ab und zu doch was dran. Als die Hälfte eines Paars mit Altersunterschied kenne ich mich damit aus, denn ich bin äußerst geübt im Umgang mit den stets gleichen Vorurteilen. Funktioniert wie ein Idiotendetektor - ich hatte es davon - oder wie ein grobes Raster, durch das all jene sausen, die nicht richtig hinsehen wollen und/ oder sich von ihren liebgewonnenen, vorgestanzten Bildern halt nicht trennen können.

Was will man auch machen? *Die Welt urteilt (nun mal) nach dem Scheine* (Goethe). Und außerdem macht es manchmal einfach Laune, in hohen Bögen gedanklich zu pauschalisieren ohne Rücksicht auf einzelne Befindlichkeiten - das sei allen gegönnt. Klischées entstehen durch eine gewisse Befremdung und werden getragen durch eine anhaltende Distanziertheit. Entschieden muss man für sämtliche Klischées alles Individuelle rigoros herauskürzen. Ich behalte mir vor, höchstpersönliche Eindrücke zu schildern, die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit haben (sonst heißt es nachher noch, ich wäre tendenziös ;O).

Aber versuchen wir es zu Anfang unbedarft. Besonders gut lassen sich Urteile nämlich dann fällen, wenn man etwas/ oder jemand frisch kennenlernt. Zuerst fällt immer das ins Auge, was anders ist. Gerade im Vergleich.

Gelten die Fränzis aus deutscher Sicht als lockerer, chaotischer, lebendiger, lebenslustiger und mit ausgesprochenem Hang zum Protestieren, so werden umgekehrt die Deutschen als eher steif, kühl, kleinkariert, streng und Regel affin wahrgenommen. Wer Lust hat, sich in die Materie ein wenig einzuhören, dem empfehle ich den Youtube-Kanal Easy French und zum einschlägigen Thema deren Filme Was Franzosen über Deutsche denken und umgekehrt Was Deutsche über Franzosen denken.

Mir kam zum Thema deutsch-französisches Verhältnis mein Ex-Freund in den Sinn. Als mich mein strahlender Surferboy zum ersten Mal am Theater abholte, meinte eine Kollegin ganz beeindruckt: *Da hast du dir ja einen richtigen Sunnyboy geangelt*. Attraktiver Lausbub halt! Eine Freundin, die mit uns im Auto unterwegs war, als er hinterm Steuer saß, nannte ihn anschließend *Sorry*, weil er lächelnd  und beständig in alle Richtungen winkend die Verkehrsordnung zu seinen Gunsten auslegte und für all jene, denen er damit die Vorfahrt nahm, ein freundliches *Sorry* hatte. Wieder eine andere Freundin gab ihm den Spitzname *Easy*, weil er ohne Schwierigkeiten in lässiger Achtlosigkeit über alles hinweg sehen konnte - schlicht weil er nur sich selbst ernst nahm. Nie war das Ressonanz-Prinzip anschaulicher, wie wenn er sich im Bach vor den huschenden Wasserläufern vor Ekel nur so schüttelte. Er kam - wenn überhaupt - nie pünktlich, hielt Abmachungen aller Art etwas für Kleingeister, war unordentlich und maximal unzuverlässig, dabei meistens gut gelaunt, verschwenderisch und sehr spontan. Ein Flatteur, der es liebte in etwas zu schwelgen oder für etwas zu schwärmen und es ablehnte, sich einzufügen, unterzuordnen oder zu bescheiden. Ein eloquenter Redner mit Witz und Schlagfertigkeit, ein arbeitsscheuer Berufsurlauber, ein Pfuscher, ein Hochstapler und Schmarotzer, ein Chameur mit Klavierspielerhänden und Käsefüßen. Tja, und ich kann mir nicht helfen: er versprühte irgendwie südfranzösisches Flair...

 



Nun, es ist das eine, eine stürmische Affaire zu leben, das ganz andere ist der Alltag einer Beziehung (das warf ich schon Anna Gavalda vor in *Ich habe sie geliebt*). Oder eben auch etwas anderes, als miteinander zu arbeiten: *je vous appellerai* etwa nutzt man geschäftlich im Sinne von *Auf Wiedersehen*!

So ist es ganz normal, dass es einen riesigen Unterschied macht, sich mit anderen deutschen Expats über Fränzis zu unterhalten (derer es hier wie überall auf der Welt sehr viele hat) oder mit unseren Feriengästen. Unsere deutschsprachige Feriengäste sind die zauberhaftesten Frankreich-Fans, die man sich vorstellen kann, und deren Begeisterung durch den zusätzlichen rosa Urlaubsbrillenfilter nur verstärkt wird.

Aber um mal ein paar Stereotypen aufzubrechen (ich will ja schließlich auch meinen Spaß), so sind wir Deutschen allgemein toleranter und aufgeschlossener gegenüber anderen Kulturen, die unsere Sprache nicht sprechen - da können Fränzis ja gewaltig die Nase nach oben strecken. Außerdem sind wir sehr wendig im empathischen Mitdenken. Bürokratie ist in beiden Ländern ähnlich umfangreich wie lästig - nur kann man in F auch mal Fünfe gerade sein lassen. In Deutschland spricht man die Dinge direkter an sans tourner autour du pot/ ohne um den heißen Brei zu reden, wies die Fränzis gerne machen - aber auch, weil die französische Sprache reicher ist in ihrer finesse du detail (weshalb sie so schwer zu erlernen ist). Gerade Fränzis aus dem Süden können selbst mit Wildfremden direkt losplaudern, während wir Deutsche deutlich länger brauchen, um *zwischenmenschliche Betriebstemperatur* zu erreichen. Französische Beziehungsfilme sind irgendwie immer anstrengend und ziehen ihre Inspirationen aus Chauvinismus und überreizter, weiblicher Hysterie (nicht von ungefähr zählt F zu den führenden Länder im Bedarf für Psychopharmaka). Zum elitären, nationalen Selbstbewußtsein wird in Frankreich unverholender gestanden, erreicht aber die gleiche Höhe wie das der Deutschen, die damit nur gschamiger umgehen. Und für mich besonders überraschend: Fränzis selbst bezeichnen ihre Landsleute gerne als Volk der Dauernörgler.

Um aber keine Zweifel offen zu lassen - Muttersprache hin oder her - : ich lebe VIEL lieber und VIEL freier in Frankreich! Nicht nur wegen dem gepflegten Durcheinander, all den öffentlichen Klohäuschen, dem entspannten Einkaufen, der Minute mehr für die Begegnung oder der fratérnité mancher. Ganz (un)parteiisch schwärme ich, dass Frankreich einfach unglaublich schöne Landschaften beheimatet, die sensationelle, regionale Produkte hervorbringen! Und ich bin mittlerweile so gut akklimatisiert, dass auch ich ohne mit der Wimper zu zucken über rote Ampeln gehe, wenn nirgends ein Auto zu sehen ist. Nicht zu vergessen die französische Kleinkunst und die wundervollen, französischen Chansons. Vielleicht muß man dafür mal auf einem französischen Dorffest gesessen haben, wenn alle zusammen in einen der vielen Chansons einstimmen, die Volksgut sind und die mit der Mutterbrust aufgesogen werden - das sind magische Momente mit Gänsehaut-Garantie. 

 


 

Die Radieschen stammen erkennbar aus dem Treibhaus: ihr Grün ist dadurch besonders zart.  Denkt also bei einem schönen Bund Radieschen momentan auch an das feine Pesto, das man aus seinen Blättern machen kann! 

Die süßsauren Radieschen bilden einen schönen Kontrast zu der lieblichen Kohlrabicremesuppe - das passt super. Unser Kohlrabi musste dringend geernet werde: zum einen, weil der drauf und dran ist zu schießen, zum anderen weil er der Erbsensaat weichen sollte! Ansonsten gilt: darauf achten, dass die Konsistenz stimmt - nix wichtiger bei einer guten Suppe, als dass sie weder zu dünn noch zu sämig ist!


Zutaten 2P:

Süßsaure Radieschen:
6 Radieschen
1 TL Zucker
4 EL Rotweinesig
2 TL Grenadine 
 
Suppe:
1 Schalotte
350g Kohlrabi
1 Stich Butter
100ml Portwein (oder Noilly Prat) 
300ml Gemüsebrühe (evt. plus) 
80ml Sahne
Salz, Pfeffer
Piment d'Espelette
Muskatnuss-Abrieb
etwas Zitronensaft
1 Pr Zucker
etwas Haselnuss-Öl
 
 
Zubereitung:

Die Radieschen vom Grün befreien (aufbewahren für Pesto oder Salatbereicherung) und mit dem V-Hobel in feine Scheiben hobeln. In einem kleinen Topf Rotweinessig und Zucker kurz aufkochen, damit sich der Zucker auflöst, dann das Grenadine zufügen und noch warm über die Radieschenscheiben geben. Mindestens eine halbe Stunde marinieren lassen, währenddessen immer mal wieder mischeln.

Dann die Suppe auf den Weg bringen. Dafür die fein gewürfelte Zwiebel in der Butter glasig dünsten. Den Kohlrabi schälen und in etwa 2cm große Stücke schneiden und ebenfalls kurz mit der Zwiebel zusammen mitdünsten. Mit Portwein ablöschen und etwas einreduzieren lassen. Gemüsebrühe zufügen und bei sanfter Hitze etwa 15min bei geschlossenem Deckel gut weich köcheln lassen. Sahne zufügen und weitere 3-4min kochen. Nun sehr fein pürieren (wer mag, streicht die Suppe zusätzlich durch ein Sieb/ m: nicht gemacht). Abschmecken mit Salz, Pfeffer, Piment, eine Prise Zucker, Muskat und Zitronensaft.

Die Suppe auf zwei Teller verteilen und mit den Radieschen garnieren. Zusätzlich mit etwas Haselnussöl (oder Kürbiskernöl) beträufeln. (m: getoppt mit etwas Knoblauchgrün)

 
Inspiration: Essen und Trinken
 
 


Um sich zumindest ein bißchen einfühlen zu können, stelle ich euch einen Lieblingschanson des Habib unten ein, den ich auch absolut spitze finde... wie vemutlich fast ausnahmslos alle Franzosen.

 

7 Kommentare

  1. Hallo Micha,

    jetzt bin ich in französischer Dorffeststimmung, nachdem ich deinen Beitrag gelesen habe!

    Nachdem ich als Gastgeberin Menschen aus verschiedenen Ländern empfangen habe, finde ich, dass an so manchem Klischée doch was dran ist :-) Wenn das auch nie für alle gilt. Wenn man in einem anderen Land lebt, bekommt man natürlich viel mehr mit und einen umfassenderen Einblick.

    Marc Lavoine läuft bei mir auch ab und zu. Für ein bisschen Frankreich-Feeling.

    Gruss,
    Sarah

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    1. Das Schöne an unserem Beruf, Sarah, ist, dass man vielen Menschen begegnet - und demnach reich an einschlägiger Erfahrung ist. Tatsächlich prägt die Kultur sehr oft entscheidend. Aber manchmal wiederum ist das Individuelle stärker. Das macht das Beobachten von Menschen ja so spannend!
      Schönes WE!

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  2. Hach ja – es ist schon wirklich interessant, wie sehr es den Blick verändert, wenn man mal länger jenseits der Grenze lebt. Auch ich kann bestätigen, dass es "die" Österreicher gibt – und ganz (ganz!) andere (zumal Vorarlberg eh nochmal 'ne Sache für sich ist – worauf man (zurecht) stolz ist). Und dass "die" Österreicher eine ganz eigene Vorstellung von "den" Deutschen/Dütschen/Piefkes haben und immer wieder erstaunt sind, dass ich ja auch eine bin...
    Sehr herzlich in den sonnigen Süden: Charlotte, gerade eher mit la Piaf à la Canadienne und dem Wahlfranzosen Brel unterwegs...

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    1. Ein Hoch auf die Artenvielfalt, oder Charlotte?! Ja, ich stimme dir zu: ich denke auch, dass sich der Blick schärft, wenn man die Grenzen wechselt. Man sagt: *Distanz schafft klare Gedanken!* Durch meine Auswanderung und Reisen habe ich viel über meine deutsche/ kulturelle Herkunft gelernt! ganz herzliche und sonnige Grüße zurück!

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  3. Ich habe sehr gelacht über dein Bild des Chameurs mit Klavierspielerhänden und Käsefüßen! Ja, der Reichtum Europas gründet in seinen unterschiedlichen Kulturen! Und das macht Freude zu lesen, wie du das feierst!

    viele liebe Grüße, Sonja

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    1. Besser könnte ich mich nicht verstanden fühlen, Sonja! Das nenne ich *ideale Rezension* :)
      Und die Klavierspielerhänden und Käsefüßen sind noch nicht einmal erfunden ;))

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  4. Feines Süppchen und extrem leckere Einlage von der man getrost gleich die doppelte Menge (war bei mir dann der ganze Bund Radieschen) machen kann.
    Dein Text vorneweg auch ganz fein und zum Schmunzeln, hey ja, von den Surfertypen sollte man echt besser die Finger lassen - die Erfahrung konnte ich auch machen. Zuviel Wind tut einfach nich gut, da bläst es Essenzielles weg... Herzliche Grüße sende ich euch! Hannah

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