Phantásien, ein Herz für Lebkuchen und Blob-Buster Alpenbrot

Donnerstag, 30. November 2023


Von Otfried Preußler war es nur ein federleichter Katzensprung rüber zu Michael Ende. Und vielleicht muss ich in meiner künftigen Bücher-Edition doch *Krabat* gegen *Die unendliche Geschichte* austauschen. Bereits optisch verströmte das Buch für mich als Kind mit seinem roten und grünen Schriftbild und den verschlungenen Anfangsbuchstaben eines jeden Kapitels die ganze Magie, die später dann die Buchstaben entfalteten. Und natürlich ist diese Geschichte DER Inbegriff einer anderen herausragenden Eigenschaften von Büchern: sie verhelfen zur Flucht aus einer Welt, die einen nicht freundlich behandelt - DER Grund, warum ich ein Lesekind geworden bin.

Es hat mir Freude gemacht, mich die letzte Zeit ein wenig mit Michael Ende auseinander zu setzen (das Interview mit Fuchsberger). Wie viel Paralellen sich zwischen Preußler und Ende finden. Und wie fasziniert mich, dass Kinder so oft die Biographie ihrer Eltern fortsetzen. Mein Habib ist ganz folgerichtig der Sohn seines Vaters Emil, der Doktor der Chemie und Philosophie war.

Und während man Preußlers Geschichten anmerkt, dass ihm sein Vater viel von seiner Passion als böhmischer Heimatkundler weitergab, so ist Michael Ende spürbar der Sohn eines Malers, Edgar Ende, mit seinem bilderreichen Schreibstil. Außerdem ist Ende - wie wir alle - geprägt von seiner Jugend. Mit 14, berichtet er in einem Radio-Interview, als er sich gerade begonnen habe, dem Außen zu öffnen, brannte die Welt und alles lag in Schutt und Asche. Und früh war klar, dass er auf der Straße, wenn er mit anderen spielte, nicht erzählen durfte, was zuhause passierte oder gesprochen wurde. Sein Vater war zu den entarteten Künstlern gezählt worden und durfte keinerlei Malereibedarf erwerben - das mussten stets Freunde für ihn tun; Malen durfte nur heimlich geschehen...

Ich glaube schon, dass der Hintergrund, vor dem schöpferisches Schaffen stattfindet, sehr entscheidend ist. Er liegt wie eine Blaupause unter allem. Und so eint etwa Krabat und die unendliche Geschichte, dass die Bedrohung ein wesentlicher Baustein der Erzählung ausmacht. Braucht es eine Bedrohung, um zu erkennen, was schützenswert und kostbar ist, habe ich mich gefragt? Wie bei den *landscape of fear* etwa?

Literatur und Lügen sind aus der gleichen Substanz. Fiktion. Diese Substanz kann Medizin oder Gift sein, das hängt von den Händen ab, die sie verwendet. [...] Wenn es darum geht, Menschen zu kontrollieren, gibt es kein besseres Instrument als Lügen. Denn du siehst, Menschen leben nach Überzeugungen. Aber Überzeugungen kann man manipulieren. Daher ist die Macht, Überzeugungen zu manipulieren, das Einzige, was zählt. (Ende)

Ähnlich, weniger politisch, formuliert es Preußler: *Ich glaube an die Kraft der Phantasie. Und ich glaube an die seelischen Kräfte, die sich in magische Wirkung umsetzen können, sei's zum Bösen oder sei's zum Guten.*

Wir reden über die Kraft der Gedanken. Und viel, viel zu selten, machen wir uns über diese größte Fähigkeiten, die wir als Geistwesen besitzen, Gedanken und setzen uns damit auseinander, was das in aller Konsequenz bedeutet.

*Du meinst, dass Phantasie nicht wirklich sei? Aus ihr allein erwachsen künftige Welten: In dem, was wir [durch unsere Gedanken] erschaffen, sind wir frei* bekräftigt Ende seine Überzeugung. 

Man kann ja noch nicht einmal behaupten, dass wir tölpelhaft mit unserer schöpferischen Kraft umgehen. Wie im Nebel sind uns unsere Gedanken in keinster Weise bewußt, wir ahnen kaum, worin wir gedanklich fischen. Wir hören uns selbst beim Reden nicht zu, und merken nicht, worin wir uns mehr und mehr verstricken. Kann Mensch weiter entfernt davon sein, selbstbestimmt und selbstverantwortlich zu werden, wenn er selbst keinen Zugang zu seinen Gedanken hat?

Dabei taucht man als Kind tief ein, in die unendlichen Weiten des eigenen, inneren Erlebens, in der die Kraft der Imagination den Realismus der Form ganz leicht sprengt.

Preußler formuliert das schön: *Die Kinder der Welt durchlaufen auf einer bestimmten Entwicklungsstufe alle diese magische Phase, in der man mit Steinen reden kann, in der man aus Tannenzapfen Kühe und Schweinerl macht. Da sind die Kinder der Welt eine internationale Nation. * 

Ob Kinder heute überhaupt noch derlei Erlebnisse haben in ihrem Spiel? Die Risiken für die Nutzung digitaler Medien im Kindesalter sind immer besser belegt. Schweden streicht aufgrund von neuesten Erkenntnissen den Bildschirmzwang für Kleinkinder. (via infosperber). Über 40 Forscher rund um die Gesellschaft für Bildung & Wissen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland fordern ein Moratorium der Digitalisierung an Schulen und Kitas. KI dürfe Lehrer nicht ersetzen (via Heise online). Bei aller kritischen Beobachtung, stehen die Zeichen doch allerortens so, dass der Mensch sich abwendet von seinem Ursprung hin zu einem seelenlosen, geistlosen Apparat.

 


Eine Aussage von Ende gefiel mir ebenfalls sehr, weil ich mich darin so wiedergefunden habe. Das Gespräch mit seiner Frau Ingeborg war für ihn nicht nur Inspiration und Anregung, sondern eigentlicher Schreibanlaß - das gilt sosehr auch für mich und meine Gespräche mit dem Habib. Ihr erinnert euch an Kleist *Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden*, genau so: das Gegenüber hilft entscheidend beim Formulieren. Und für mich ist das hellste Licht, auf das ich schauen kann, mein Habib.

Jede Adventszeit hadere ich ein wenig mit meinem Los als Foodblogger, denn über die Jahre habe ich SO viele Lieblingsplätzen angesammelt - im Badischen nennt man sie ja Brödle - , dass ich eigentlich ungern Neues ausprobiere.

Prompt lehrt mich das Alpenbrot eines besseren! WIE konnte ich nur diesen Blog-Buster seither übersehen. Petra hat ihn bereits von einem anderen Blog und von ihr aus zog er seine Erfolgskreise von Blog zu Blog. Allesamt begeistert. Und ich kann nur ins gleiche Horn blasen: ein Spitzen-Rezept um in die Weihnachtsbäckerei einzusteigen, schnell zusammengefummelt und schmeckt super. Wobei ich eigentlich alle Lebkuchen-Rezepte, die ich seither ausprobiert habe, liebe - deshalb für euch heute hier gebündelt! Kann ich mich unter den letzten Rezepten kaum entscheiden, so belegen aber die untersten zwei hier auch in meinem Ranking die letzten Plätze.


 Zutaten:

500g Mehl (m: halb Einkorn-Vollkorn, halb D630)
250g Butter
250g Muscovado-Zucker (m: 200g)
2 Eier
30g Kakao
1/2 EL Zimt
2 gemahlene Nelken (od. 1/4 TL Nelkenpulver)
2 Kapseln grüner Kardamom (od. 1/4 TL Kardamom-Pulver)
1/4 TL Muskatnuss-Abrieb
1/2 TL Salz
...
40g Rohrzucker (zu Staubzucker gemahlen)
 
2-3 EL Zitronensaft

Den Backofen auf 180°C (O/U-Hitze) vorheizen. Ein Backblech mit Backpapier auslegen.

Die Butter in der Küchenmaschine cremig rühren. Den Zucker zugeben und alles so lange rühren, bis die Masse hellschaumig ist, das dauert eine Weile.

Währenddessen Mehl, Kakao, Zimt, gemahlene Nelken,, Kardamom, Muskat und Salz verrühren.

Die Eier einzeln unter die Schaummasse rühren, bei jeder Zugabe 1-2 Minuten rühren. Nun die Mehlmischung zugeben und nur kurz unterrühren. Den Teig auf die leicht bemehlte Arbeitsfläche geben, nochmal ganz kurz durchkneten. Die Masse in 6 Teile a etwa 180 g teilen, diese zu Rollen formen und auf das Backblech legen (m: Rollen geformt von etwa 32cm).

Das Blech für 15-20 Minuten (m: 17min) in den Backofen schieben, die gebackenen Laibchen sollen sich noch etwas weich anfühlen.

Während der Backzeit den gesiebten Puderzucker und Zitronensaft zu einem dünnflüssigen Guss verrühren.

Das Blech aus dem Ofen holen, die heißen Laibchen sofort mit dem Guss bestreichen. Kurz abkühlen lassen, dann die Laibchen schräg in Scheiben schneiden, komplett auskühlen lassen.

Das Alpenbrot in gut schließenden Blechdosen aufbewahren.

Anmerkung m: idiotensicher, schnell, köstlich - und Vollkornmehl-Skeptiker dürfen hier ihre Abneigung ablegen: der Einkorn gibt einen zusätzlich schönen, leicht nussigen Geschmack

Quelle: Petra aka Chili und Ciabatta

 

    

      

      

 

„Ich habe mich ein Leben lang dagegen gewehrt, das zu werden, was man heutzutage einen richtigen Erwachsenen nennt, nämlich jenes entzauberte, banale, aufgeklärte Krüppelwesen, das in einer entzauberten, banalen, aufgeklärten Welt sogenannter Tatsachen existiert.“ (Michael Ende)


Krabat: Apfeltarte mit Kaffeekruste und Ingwer-Orangen-Guss

Sonntag, 19. November 2023


Eine der wunderbarsten Fähigkeiten von Büchern ist, dass sie verbinden können. Diesen Frühling habe ich *Marie de Brebis*, das ich von jemandem vom Tribe (coucou Monique) geschenkt bekommen hatte, jemandem vom Tribe (coucou Petra) während ihrer Zeit bei uns zum Lesen gegeben. Was uns dann noch näher zusammengebrachte, weil wir ganz ähnlich auf dieses Buch reagiert haben.

Ich erinnere mich, dass ich Vergleichbares mit *Krabat* erlebt hatte. Auf meiner ersten Reise alleine nahm ich *Krabat* mit, liebte die Geschichte wie beim ersten Mal lesen und nach mir verschlang es meine Mitbewohnerin (coucou Katharina), mit der ich mir auf Koh Tao den Bungalow teilte, um Geld zu sparen. Auch uns beide ließ das geteilte Leseempfinden enger zusammen rutschen. *Marie de Brebis* wie *Krabat* kommen entschieden auf die *Bücher meines Lebens - Edition 2*. 

Wobei ich alle Bücher von Otfried Preußler toll finde- doch Krabat ganz besonders. Über diese abgrundtief hundsmiserable Verfilmung war ich damals so aufgebracht, dass ich Preußler einen Brandbrief der Entrüstung schreiben wollte. Er war aber kurz vor dem Kinostart gestorben.

Krabat wurde mir gerade wieder lebendig, weil ich eine Doku über Otfried Preußler angeguckt habe (ja, schon wieder Arte, für die Interessierten unten eingestellt). Mit dem ersten Blick auf Otfried Preußler denkt man, was ein freundlicher, gutmütiger, anständiger Mann - manchen Menschen ist es einfach ins Gesicht geschrieben. Wie erstaunt war ich, dass Preußler über 10 Jahre an Krabat geschrieben hatte - sein Lebensbuch. Ein Buch, dass er sich beim Spazierengehen im Wald wieder und wieder ins Diktiergerät erzählte, daran änderte und feilte... bis sein Meisterwerk fertig war. 

Wieviel von seiner eigenen Biographie darin steckt, auch darauf wäre ich nicht gekommen: er verarbeitet darin seine eigenen traumatischen Erfahrungen im Krieg und 5 Jahre Gefangenschaft in einem russischen Lager. Wieder entlassen mit 25 Jahren, zurück in Deutschland bei seiner großen Liebe Annelies quält ihn die Frage: wie konnte er, wie konnte eine ganze Generation sich derart verführen lassen und in den Bann böser Mächte geraten  - seine Theaterstücke blieben völlig erfolglos, die Thematik interssierte in den 50igern niemanden. Nach dem Krieg beschäftigt mit Wiederaufbau und Verdrängung zieht man heile Welt samt Schlagermusik und Heimatfilmen jeder Art von Aufarbeitung vor.

Erst Mitte der 1990er zeigt die sog. *Wehrmachtsausstellung* Verbrechen einfacher, deutscher Soldaten und löste ein gewaltiges und auch breitgefächertes Echo aus: von Protesten (à la *Diffamierung stoppen!*) bishin zu Zuspruch - ein Land erinnert sich, fragt nach Verantwortung der Väter bzw- Großväter-Generation und: der Einzelverantwortung. Preußler fragt sich auch, wieso ausgerechnet er überlebte.

Die Geschichte von *Krabat* dreht sich um die Frage, was fasziniert an bösen Mächten und wie kann ich ihnen zu widerstehen. Eigentlich ist es eine märchenhafte Fassung der biblischen Geschichte vom verlorenen Sohn. Preußler macht sich die alte sorbische Sage (die als Vorlage diente) von dem Waisenkind aus dem 17 Jhdt ganz zur Auseinandersetzung mit seinem eigenen Leben: der Schwarzmagier/ der Diktator, der seine Knechte im Lager hält. Doch mit schwerer Rückkopplung: die Überlegungen setzen Preußler derart zu, dass er in eine schwere, psychische Krise gerät und die Arbeit an diesem Buch zwischendrin aufgeben muss.

Die Sage spielt in einer Mühle. Wie oft hat der Habib mir dieses Bild vor Augen gesetzt: die Mühlarbeiter, die auf engen, steilen Stegen Doppelzenter-Säcke hochtragen müssen, Getreide-Säcke von 100kg. Heute eine unvorstellbare Viecherei. Der Habib schleppte noch 50kg Zementsäcke den Berg hoch, um dem Hang das Haus abzutrotzen. Heute wiegen die Zementsäcke lediglich 25kg.

Der Gedanke ist schon verführerisch, es im Leben durch magische Kräfte leichter zu haben, anderen voraus zu sein, größer, stärker, mächtiger. Als Jugendlicher hegt man gerne solche Wünsche und Sehnsüchte. Doch die Entscheidung, die Krabat am Ende fällt ist: ich will kein Zauberer mehr sein, ich will, dass das endet, selbst wenn ich dafür sterbe. Krabat entscheidet sich somit bewußt gegen alle Erleichterung, gegen alle Vorteile und für alle Mühen, Plagen, alles Leid und Elend, das unweigerlich dazugehört, wenn man sich dem Leben stellt. Er entscheidet sich in aller Bescheidenheit und Demut lieber hundsgewöhnlich zu sein, 08-15, einer von vielen, nichts Besonderes. Das rettet ihn, sowie die Liebe eines Mädchens, das fest im Glauben verankert ist.

Aber - und das ist das Wesentliche: er entscheidet sich damit gleichzeitig für die Freiheit. Und somit für das Gute. Denn das gilt es sich bewußt zu machen: nur das Gute läßt frei. Das Böse aber raubt dir deine Entscheidungsfähigkeit und Urteilsfähigkeit samt deinem freien Willen - so lautet Preußlers Erkenntnis aus seinen Erlebnissen. Rest seines Lebens bleibt er entschiedener Pazifist. Er hatte sich geschworen, berichtet seine Tochter in der Doku, sich nie wieder instrumentalisieren zu lassen, er hat sich geschworen, nie wieder ein Gewehr in die Hand zu nehmen


 

 *Es gibt eine Art von Zauberei, die man mühsam erlernen muss, das ist die, wie sie im Koraktor steht, Zeichen für Zeichen und Formel für Formel. Und dann gibt es eine, die wächst einem aus der Tiefe des Herzens zu, aus Sorge um jemanden, den man lieb hat*, schreibt Preußler in Krabat.

Im tiefen Mitgefühl liegt die eigentliche Magie.

Und einen Sonntag kann man leichterdings magischer machen, wenn man dazu Kuchen serviert. Ich stelle euch ein weiteres Apfelkuchen-Rezept vor. Denn Apfelkuchen-Rezepte, derer kann man unmöglich genug angesammelt haben. Und dieses Stück Kuchen wird euch in Erinnerung bleiben, da es mit ungewöhnlichen Aromen aufwartet: ein bißchen Kaffee, ein bißchen Inger, ein bißchen Kardamom, ein bißchen Orange. Noch nicht wirklich adventlich aber auf dem Weg dazu.

 

 Zutaten:

Tarteteig:
200g Mehl
110g Butter, kalt
60g Rohrzucker
1 TL Crème fraîche
Salz
10g Instant Espresso
5g Kakao
1/2 TL Kardamom
etwas kaltes Wasser
...
500g Äpfel, entkernt, geschält
2 Eier
100g Mascarpone
200g Crème fraîche
60g Rohrzucker
ca. 2cm Ingwer, gerieben
1 Orange, der Abrieb davon
...
ca. 2-3 EL Muscovado-Zucker
ca. 2-3 EL gehackte Nüsse (m: Haselnüsse)

 

 

Zubereitung:

Alle Zutaten für den Tarteboden miteinander vermengen und rasch zu einem glatten Teig kneten. In Folie wickeln und etwa eine halbe Stunde im Kühlschrank ruhen lassen. Danach eine Tartefom (oder Srpingform) mit dem Teig auslegen und dabei einen Rand hochziehen. Den Boden mit einer Gabel mehrfach einstechen.

Für die Füllung die Äpfel schälen, entkernen und in schmale Spalten schneiden. Die Apfelspalten auf den Teig in der Springform verteilen.

Den Ofen auf 200° Grad vorheizen (m: Intensivbacken = mehr Unterhitze).

In einer Schüssel die Eier, den Zucker, Crème und Mascarpone verrühren, Ingwer und Orangenschale dazu reiben und untermischen. Die Masse über die Äpfel gießen. Zuletzt ein paar gehackte Nüsse sowie den Muscovado-Zucker auf den Kuchen streuen.

Den Kuchen ca. 45 Minuten fallend auf 180° Grad backen.

Anmerkung m: man kann den Guss auch mit 3 Eiern und 300g Schmand backen.

Inspiraiton: Was eignes

 

7x7 auf einen Streich: Linsen-Gottebullar

Samstag, 4. November 2023


Als das komplette Backblech mit - genau genommen - 50 Linsenbällchen gefüllt war, dachte ich mir: Mon Dieu, wer soll das alles essen. Da hätte uns die Hälfe lässig gereicht.

Aber ums vorweg zu nehmen: alle sind vernichtet. Ich habe beim ersten Mal die Pilzsauce zu den Gottebullar zubereitet, dann natürlich begleitend zu meinen hochgeschätzten Metallica-Bowls, es gab die Paprika-Sauce dazu und zuletzt eines meiner liebsten und unkompliziertesten Kohlrezepte: scharf angebratene Kohlspalten mit in etwa dieser Sauce . Bref: bloß das Rezept nicht halbieren - ihr würdet es schwer bereuen. Und aufgetaut und angebraten sind die kleinen Bällchen schnell, werden schön knusprig und brauchen nicht viel Fett.

Irgendwie komme ich mir die letzte Zeit manchmal komisch vor, übers Kochen zu schreiben. Wie es in meiner Kindheit so gerne hieß: du ißt deinen Teller nicht auf und in Afrika verhungern Kinder. Wobei ich streng erzogen wurde. Der Teller musste aufgegessen werden, das war gar keine Frage. Meine Meinung als Kind interessierte niemanden. Dabei hatten die Hände auf dem Tisch zu liegen, die Handgelenke an der Tischkante. Man durfte mitessen aber nicht auffallen, Kindergeplapper war nicht erwünscht. Eben nettes Miteinander am Eßtisch - als hätte man Kinder nur dem Drill zuliebe...

Naja, und heute vergleiche ich selbst in meinem Kopf mein Leben hier mit einem Leben dort. Und dann scheint es mir so banal, so ignorant, so komplett selbstbezogen über Eßgeschichten zu schreiben. Woanders kämpfen Menschen ums Überleben, können eingesperrt von Grenzzäunen nicht entkommen, sondern nur zwischen Trümmern fliehen, ohne Strom, Wasser, Lebensmittel, medizinische Versorgung, umgeben von Tod, Verlust und drohenden Seuchen. Wie könnte eine Hölle toppen, was auf Erden passiert? Geht das, Unrecht nicht als Unrecht zu erkennen? Irgendwie klappert der Zeitgeist permanent ab, wo man steht.

Ein Bewußtseins-Booster, dass der Alltag gar nicht so beschißen sein kann, als dass man nicht dankbar sein muss, sich um den ganz alltäglichen Kram kümmern zu dürfen. Und zwischendrin kann man - wie jeden Tag - überlegen, was koche ich heute, wie bekomme ich uns heute satt. Besser kanns kaum laufen. Was man hat, ist nix wert... Erich Maria Remarque fällt mir ein und *das Kuhglück*, von dem die Jugend träumte, während ihre Welt aus den Fugen geraten war. Kuhglück als unerreichbarer, unvorstellbarer, friedlicher, einförmiger, spießiger Alltag. Keiner weiß, wann der Wind wieder dreht, wieviel Dosis man in einem Leben davon geschenkt bekommt...



Wie alle Puffer aus Linsen, tut auch diesen gut, von Sauce oder Dipp flankiert zu werden. Wobei ich schon deutlich trockenere Exemplare zubereitet habe. Diese Linsen-Bällchen, zu denen mich Ulrike von Küchenlatein angestiftet hat, kommen definitiv unter die besten, die ich je aus grünen oder braunen Linsen gemacht habe. Ihr werdet ja... eines Tages... bei der großen Puffer-Zusammenfassung noch sehen! Danke, Ulrike, für die schöne Inspi!


Zubereitung - 50 Stück:

200g Grüne Linsen, mindestens 6 Stunden eingeweicht
75g Graupen
100g Champignons, in Scheiben geschnitten
1/2 TL Muskatnuss, frisch gerieben 
2 TL Kreuzkümmel
60g Sonnenblumenkerne, geröstet
100g Spinat (m: teils Petersilie)
2 EL Olivenöl
1 Zwiebel, geschält, gewürfelt
2 Zehe Knoblauch, geschält, gewürfelt 
2 TL Thymian
75g Haferflocken
2 Essl. Sojasauce
30g Apfelessig
75g Kartoffelmehl
1 Ei, Größe M
Harissa
Salz
Pfeffer

 


Zubereitung:

Linsen gut abtropfen lassen. Graupen nach Packungsanweisung 20 Minuten kochen und abtropfen lassen.

Eine Pfanne mit der Hälfte des Öls erhitzen. Zuerst die Pilze anbraten, bis sie leicht goldbraun sind. Zwiebel und Knoblauch dazugeben und 5-6 Minuten weiter braten. Zum Schluss den Spinat zufügen.
Alles zusammen mit den Sonnenblumenkernen, den eingeweichten Linsen, Graupen, Haferflocken, Sojasauce, Muskatnuss, Apfelessig, Kartoffelmehl, Thymian, Kreuzkümmel, Harissa und Ei in in eine Küchenmaschine (Food Prozessor) geben. Etwa 2 Minuten grob vermischen.

Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Füllung auf die Größe einer Walnuss (15 Gramm) (m: möglicherweise größer geformt, nicht gewogen) formen (m: mit freuchten Händen) und auf ein gefettetes Backblech legen. Im Ofen bei 150° ca. 15 Minuten backen.

Anmerkung m: Gewürz-technisch habe ich meinen Senf dazu gegeben - das Original könnt ihr bei Ulrike sehen/ wieviel Bällchen pro Person hängt vom begleitenden Gericht ab - ich würde mal durchschnittlich mit 5-6 Stück rechnen.

Quelle: Ulrike aka Küchenlatein

 

Frieden

Donnerstag, 2. November 2023


Menschen fühlen mit Menschen - unabhängig von Hautfarbe, Nationalität, Alter, Bildung, Status. Kein Mensch sollte von einem anderen Menschen getötet werden. Wir sind viele und keine Macht der Welt hetzt uns gegeneinander auf!