Schwarzes Loch: Sri Lanka-Gewürzreis mit caramelisiertem Chicorée

Sonntag, 28. Februar 2021


Zum Neujahr schenkte der kleine Bioladen, in dem wir Stammkunden sind, seinen Treuen eine Gewürzmischung aus Sri Lanka.

Sri Lanka kenne ich leider noch nicht - was ich gerne geändert hätte, denn der Habib schwärmte sehr vom *Elefantenland*. Das Gewürze-reiche Essen fand er köstlich, wenngleich man sich wohl an die feurige Schärfe erst gewöhnen muss. Die Natur ist noch artenreich, die Bevölkerung interessiert, aufgeschlossen und gastfreundlich - wir hätten bestimmt auch bei seinem zweiten Besuch viel zu entdecken gehabt. Aber ich beiße mir jetzt auf die Zunge, bzw. verkrampfe meine Finger, um nicht irgendetwas Jammerndes über das Reisen/ bzw. Nicht-Reisen in die Tastatur zu hacken. Man wird ja bescheiden: mal wieder ein petit creme in der Frühlingssonne im Café zu trinken wäre bereits großes Kino!

Sich überhaupt auf etwas anderes konzentrieren zu können als auf das Dauer-C-Thema, kommt einem fulminanten Kunststück gleich - C hat doch die Sogwirkung eines schwarzen Lochs angenommen. Es heißt, ein schwarzes Loch wäre das größte Rätsel im Universum. Keine Materie, nicht einmal das Licht kann ihm entkommen. Seine Anziehungskraft auf die Umgebung ist so stark, dass ganze Sterne verschluckt werden. Niemand weiß, was in seinem Inneren passiert. Tja, und schafft man es, sich dagegen zu stemmen - brav MN-Schutz tragend und Social Distance wahrend - , dass das C-Thema das komplette Denken eben nicht einnimmt, frisst das bereits so viel Energie, dass trotzdem nicht mehr viel Restpotential für etwas anderes übrig bleibt.

Mir fiel dazu der Ami-Bullshit-Film *Die nackte Kanone* meiner frühen Teenie-Jahre ein, aus dem es (glücklicherweise) nur zwei Nonsense-Szenen in mein Ultralangzeitgedächtnis geschafft haben. In einer sieht man, wie ein unbewegter Polizist mit völlig emotionsloser Stimme vor einem Gelände steht, das mit rot-weiß gestreiftem Band abgesperrt ist und durch ein Megaphon durchgibt: *Bitte treten Sie zur Seite! Hier gibt es NICHTS zu sehen* - während hinter ihm in schönster Hollywood-Manier die spektakulärsten Explosionen gezündet wurden. 

Nein, momentan gibt es nichts Neues zu entdecken. Same official spectacle as every day. Immerhin kenne ich nicht eine einzige Person, die sich diesen Winter - während die Welt an einer Pandemie erkrankte - eine Erkältung zugezogen hätte. Noch nicht einmal einen Schnupfen - man muss die kleinen Erfolge würdigen.

 


Nun die geschenkte Gewürzmischung war eine schöne Anregung vom Bioladen, die ich gerne aufgegriffen habe. Zumal ich an Curryblätter, die darin enthalten waren, eigentlich nie gelange. Auf diese Weise war schnell und unkompliziert gekocht, so dass genügend Zeit für mein Therapiezentrum Garten blieb!

Geschwister im Blog-Universum gibt es auch: und zwar dieser türkische Gewürzreis.


Zutaten:

150g Reis (m: Vollkorn)*
2 Karotten
100g Erbsen
2 EL Rosinen (m: Cranberries)
5 Curryblätter
3 Kardamom-Kapseln, angequetscht
1 Gewürznelke
1/2 TL Kurkuma
1 Stück Zimt
7 schwarze Pfefferkörner
Salz

3 Chicorée*
1 EL Zucker
Saft 1/2 Orange (oder 1 Mandarine)
Salz, Pfeffer
200ml Gemüsebrühe
Olivenöl

Zubereitung:

Die Rosinen in etwas kochendem Wasser einweichen. Den Reis spülen und abtropfen lassen. Mit ca 350ml kaltem Wasser aufsetzen. Salzen. Die Gewürze in einem Gewürzsäckchen (Teebeutel) einlegen und zum Kochen bringen. Deckel auflegen und bei sanfter Hitze kochen lassen. Wenn nötig noch etwas Wasser zufügen. Je nach verwendeter Reissorte (etwa bei weißem Reis) kann man die klein gewürfelten Karotten direkt zufügen (ebenso die Rosinen). Bei meinem Vollkornreis, der gute 40min benötigt um gar zu sein, habe ich die Möhren später - nach etwas mehr als der Hälfte der Garzeit zugefügt.

Kurz vor Ende der Garzeit die Erbsen untermischen und nochmals abschmecken. Den Herd ausschalten. Zwischen Deckel und Topf zwei-drei Lagen Papiertücher klemmen, mit dem Deckel fest schließen und Reis auf der warmen Herdplatte 10 Minuten ruhen lassen. Dann das Gewürzsäckchen entfernen.

Parallel den Chicorée rüsten. Dafür die Knollen halbieren und den Strunk keilförmig herausschneiden. In einer Pfanne das Öl erhitzen und die Chicoréehälften mit der Schnittfläche nach unten darin braten. Den Zucker darüber karamellisieren lassen. Orangensaft und Brühe anschütten und auf großer Flamme fast vollständig reinreduzieren lassen. Salzen und pfeffern

Den Reis auf zwei Teller verteilen und den Chicorée dazu servieren.

Anmerkung m: je nach Größe der Chicorée-Knollen auf 2 reduzieren oder 4 erhöhen. Für den Sri Lanke-Reis habe ich die türkische Garmethode übenommen, denn wenn man abschließend den Deckel mit zwei Küchentüchern fest verschließt, ziehen die Gewürze wunderbar in den Reis.

 

die erste: Himmantoglossum robertianum, das Riesenknabenkraut oder Roberts Mastorchis

Stereo Total - Rotkohl-Steaks mit Ziegenkäse

Mittwoch, 24. Februar 2021

 

Eine Freundin machte mich darauf aufmerksam, dass die Französin Françoise Cactus gestorben ist - was an mir vorbei gegangen war. Françoise Cactus formierte mit ihrem Mann zusammen die (Berliner) Band *Stereo Total*, die wir Mädels zu unseren Ausgehzeiten (also um die Jahrtausendwende) sehr feierten. 

Mit *Miau Miau, wilde Katze* konnten wir uns in Spitzen Angriffsmodus bringen während dem Aufwärmen fürs Partymachen. Und so manche Liebeskummer kranke Freundin brachten wir durch die Nacht, wenn wir nach dem dritten Bier Greta Schloch vorrausschickten *lieber ne Flasche Bier als Freund als ne Flasche als Freund* und Liedtexte von Stereo Total hinterher schoben: *schön bist du von hinten, wenn du gehen musst*  - auf diese Weise konnten wir noch jede aufmuntern und wieder zum Lächeln bringen! Das richtige Lied im richtigen Moment kann Wunder wirken! Im Fall von Françoise kommt noch der französischer Akzent obendrauf, der ja der blödesten Aussage etwas Zusatzglitzer rauskitzelt.

*Als Geheimtipp ist man frei* sagte Françoise und dieser Freigeist schwingt in ihren Lieder mit und macht deshalb so gute Laune. Wie die Spaßmucke aus Pop und Punk sowieso. Gute Laune und Freiheit - kann ich gerade nicht hoch genug leben lassen. Stereo Total hilft dabei! Was habe ich das lange nicht mehr gehört... und es erinnert mich an wilde, vergangene Zeiten!

 


Die Inspiration zu den Rotkohl-Steaks ging von Inès aus. Alle Rezepte, die ich mir im Netz dazu anschauten, glichen sich doch sehr. Ich habe mir meines aus allen zusammengebastelt - so dass es sich nicht gravierend unterscheidet. Idealerweise nimmt man für diese Rotkohl-Steaks einen Kohlkopf, der nicht zu groß ist, dann läßt er sich besser und in nicht all zu grosse Scheiben schneiden. Meiner war sogar eher klein, so 15-20cm Duchmesser etwa. Die Schnitzel haben uns ganz gut gefallen, das kann man ruhig mal machen. Besonders glücklich finde ich die süß-salzig Kombi dank Ziegenkäse und Ahornsirup. Ich habe sie verstärkt mit zusätzlichen Preiselbeeren.

 

Zutaten 2P:

1 kleiner Rotkohlkopf
1 Knoblauchzehe
2 EL Olivenöl
Salz, Pfeffer
Piment d'Espelette
1 EL Ahornsirup
1 TL weißer Balsamico
1 Ziegenkäse (m: cremeux)
Thymian
(optional: Preiselbeeren )
 

Zubereitung:

Ofen auf 180° (O/U-Hitze) vorheizen. Ein Backblech mit Backpapier auslegen.

Aus Olivenöl, fein gehackter Knofi, Ahornsirup und Basamico eine Vinaigrette rühren. Diese salzen und pfeffern und mit Piment würzen. Den Rotkohl horizontal (also nicht der Länge nach wie sonst) in ca. 2cm dicke Scheiben schneiden (ergab bei mir 5 Scheiben, aus der untersten konnte ich den kleinen Strunk gut rausschneiden - Glück gehabt). Das Backpapier mit Olivenöl bepinseln. Die Rotkohl-Scheiben darauf setzen.

Die Scheiben mit der Vinaigrette beträufeln und für ca. 20 min in den Ofen schieben. Den Ziegenkäse auf die Scheiben verteilen (m: der Länge nach geviertelt) und mit Thymian bestreuen und leicht pfeffern. Nochmals in den Ofen schieben bis der Käse geschmolzen ist.

*Anmerkung m: bei uns gab es dazu Kartoffelsalat (ohne Käse) und Preiselbeeren



Digital Detox - Lauchlinsen in Thymianrahm

Sonntag, 21. Februar 2021


*Digital Detox* ist eines dieser Worte, bei denen ich meine Augenbrauen gar nicht soweit gen Haaransatz gezogen bekomme, wie ich gerne könnte. *Leute! Gehts noch melodramatischer?!* Nee, also echt, dann kommt man halt mal ohne Internet zurecht, legt das Handy aus den Händen und lässt den Läpi zu. Ging doch vorher auch! Aber weder braucht es dafür ein hochtrabendes Wort noch heroisches Gedöns. Tssss, ehrlich jetzt....

Bums. Prompt brach hier Telefon samt Wlan zusammen! Stichwort *selbsterfüllende Prophezeihung* - manchmal sollte man manche Gedanken nicht weiterspinnen... Stromausfall gehört in Südfrankreich in unregelmäßiger Regelmäßigkeit dazu - worüber ich anhaltend staune. Schließlich sprießen in Frankreich die Atommeiler wie Pilze aus dem Boden. Daher sollte man meinen, dass es an Elektrizität in Frankeich nie mangeln kann. Und im Vergleich erinnere ich mich an keinen einzigen miterlebten Stromausfall in Deutschland - obwohl ich bereits vor mehr als 15 Jahren Deutschland verlassen habe.

Also warten der Habib und ich den ersten Tag ab, ob bis zum Abend der Internet-Schalter wieder umgelegt wird. Nein, am nächsten Morgen blinkt unsere Router weiterhin rot. Keine Verbindung. Wir beschließen auf die Post ins Nachbarort zu pilgern, denn dort stehen für die allgemeine Nutzung zwei Computer im Nebenräumchen. Ein Mal am Tag zumindest im Postkasten nachzuschauen ist doch erste Staatsbürgerpflicht, oder?  Doch die Post ist zu. An der Eingangstür klebt ein handgeschriebenes Schild: *Die Post bleibt vom 16. Februar bis einschließlich 23. Februar geschlossen, bis die Reparaturen aufgrund eines Brands abgeschlossen sind.*

Der Habib und ich schauen uns an: *Krass, eine ganze Woche!* und fahren noch eine Ortschaft weiter. Dort stellt sich raus, dass wir da schon seit Ewigkeiten nicht mehr auf der Post waren: die Filiale wurde trotz Widerstand der Bevölkerung bereits vor einem halben Jahr geschlossen.

So, wohin nun? Alle Cafés und Bars mit Wlan-Möglichkeit sind nach wie vor zu. Wir kaufen erst einmal im Bioladen in der nächsten Kleinstadt ein paar fehlende Kleinigkeiten ein. Üblicher Smalltalk an der Kasse. Dort stellt sich raus, dass Crest ebenfalls ohne funktionierender Telefonleitung ist - so wie die ganze nähere Umgebung. *Heute morgen haben sie im Radio gesagt, dass sie die Leitung wieder bis zum 3. oder 4. März hergestellt haben wollen*. *3. oder 4. März!?* wiederhole ich wie eine Gehirnamputierte und zwei Oktaven höher als in meiner üblichen Stimmlage! *Das wären ja noch über zwei Wochen*, fasse ich zusammen - brilliant für meinen angeschlagenen Gesamtzustand. Ich bin anständig schockiert!

Um es abzukürzen: ein Technikraum (eigentlich zwei) von Orange wurde durch Brandstiftung schwer beschädigt. Es kam weniger hart als erwartet: insgesamt ging vier Tage das Internet nicht, am vierten Tag fehlte zusätzlich die Elektrizität. Gestern war die Normalität wieder zurückgekehrt - was mir Samstag morgens richtig gute Laune machte! Denn Hand aufs Herz: ich habe mein liebstes Spielzeug sehr vermisst. Kein schnelles Nachschlagen um mein Brotrezept herauszusuchen, kein Vorturner für mein alltägliches Yoga, keine kleineren Surfereien zwischendurch, keinerlei sonstigen Online-Zwitschereien...  Und das, obwohl ich keine ernsthaften Schwierigkeiten habe, mich bei frühlingshaften Temperaturen im Garten zu beschäftigen: zwischen den ersten Schneeglöckchen, Hundsveillchen, Gänseblümchen und Krokussen die ersten Erbsen, Radieschen und Frühlingszwiebeln aussäen, Wein zurückschneiden, Unkraut rupfen... Schön wars. Ebenso die tiefere Stille im Tal, den von außen wird ja doch (leider) eher Unruhe hereingetragen als Frieden. Und trotzdem.

Wenn wir etwa in Madagaskar rumturnen, dann stellen wir uns darauf ein, dass Internet ein kostbares Gut ist. Aber hier wie gewöhnlich keinen Zugang zum Netz zu haben, fühlte sich völlig inkazeptabel an. Ich glaube, uns ist gar nicht bewußt, WIE sehr wir alle in der Zwischenzeit im Netz kleben. Also mir ist das gerade sehr vor Augen geführt worden (da geht ja nix mehr - es blieben ja währenddessen nicht nur die Postfilialen geschlossen). Ja, ich behaupte, kappe in Großstädten sämtlichen Mobilfunk und zwei Tage später steht der Mopp auf der Strasse, dann hat er die Faxen dicke - und zwar egal welche! Ohne den Ruhigsteller, ohne die Droge Nummer Eins wirds brenzelig! Wirklich ein empfindliches Ziel so ein Telekommunikationstechnikraum! Oder hättet ihr euch die letzten Wochen Lockdown ohne Internet vorstellen können?

 


Linsen kann es gar nicht oft genug bei uns geben - sie schmecken mir egal wie zubereitet. Den wilden Thymian sammle ich auf den uns umgebenden Wiesen selbst und dieser schmeckt besonders intensiv. Thymian riecht einfach fast so gut wie frisches Heu!

Die Würstchen kennt ihr schon - das Rezept habe ich um meine erweiterten Erfahrungen präzisiert. Sie passen in ihrer Schärfe und Wrüzigkeit prima zu den Lauchlinsen. Allerdings ist diese Zubereitung in der Zwischenzeit schon auf Platz zwei der Pflanzerl in Rollenform gerutscht. Die neueste Goldmedaille im veganen Würstchenverein dieses Foodblogs präsentiere ich euch in Kürze...

 

Zutaten 2P:

100g Linsen (m: grüne)
1 Lorbeer-Blatt
2-3 Stangen Lauch (ca. 300g Lauch)
1 Schalotte
2 Knoblauchzehen
1/2 Bund Thymian (m: ca. 2 TL wilder, getrockneter)
1 EL Mandelmus*
100ml Mandelmilch*
Noilly Prat
etwas Gemüsebrühe
Salz, Pfeffer
6 Tempeh-Würstchen
Olivenöl

Zubereitung:

Die Linsen mit dem Lorbeerblatt mit kaltem Wasser bedecken und in ca. 20min garen. Lorbeerblatt entfernen.

Parallel den Lauch zubereiten. Dafür den Lauch putzen, der Länge nach vierteln und dann in feine Streifchen schneiden. Schalotte wie Knoblauch fein hacken. In einer Pfanne etwas Olivenöl erhitzen und die Schalotte zusammen mit dem Knoblauch glasig dünsten. Den Lauch kurz mitdünsten. Mit Noilly Prat ablöschen.

Die gegarten Linsen sowie die Thymianblättchen zufügen, Mandelmich und etwas Gemüsebrühe anschütten, salzen und pfeffern und bei sanfter Hitze zugedeckt ca. 10 - 15min köcheln lassen. Zuletzt das Mandelmus untermischen und nochmals würzig abschmecken.

Gleichzeitig die Würstchen in heißem Olivenöl rundherum anbraten. Zusammen mit den Lauchlinsen servieren.

*Anmerkung m: wers nicht vegan mag, nimmt Sahne anstelle von Mandelmilch und -mus.

 

*der* Vorhut - jetzt stehen die Schneeglöckchen bereits in Grüppchen

Inselglück - Rote Bete-Kartoffel-Gratin mit Thymian

Dienstag, 16. Februar 2021

 

Eine Freundin erzählte mir, dass sie den Reflex regelrecht unterdrücken müsse, ihrer Teenie-Tochter die Baseball-Cape ganz runter auf den Kopf zu ziehen, die diese nur so halb aufgesetzt trägt. Wir kicherten zusammen sehr: wir verstehen halt ihren Style nicht.

Genauso erging es mir, als ich dem Habib lachend-kopfschüttelnd von einem Youtube-Fund erzählte, nämlich von dem Rapper Capital Bra. *Was ist denn das?* amüsierte ich mich. *Was ist das für Mucke? Was soll das überhaupt für eine Sprache sein? Was ist das für ein komischer Beat? Und überhaupt: krasses Auto, dicke Kohle, voll Fame und eine getunte Bitch als Message?  Hey, nichts gegen den sympathisch-verstrahlten Capi, das kann man ja alles machen. Aber damit bricht man doch keine Rekorde der deutschen Musikindustrie (!) und erhält über 100 Millionen Klicks!??! Verstehe ich nicht. 

Aber was weiß ich schon von der heutigen Jugend - ich bin in einer anderen Zeit aufgewachsen. Einer völlig anderen. Das hat auch mit der Vorarbeit der Jugendgeneration des Habibs zu tun, die sich freigeboxt hatte von der Bevormundungen der Eltern, die sich gegen die konservative Gesellschaft stellte, rebellierte gegen den *Muff von Tausend Jahren*, während die Pille althergebrachte Strukturen der Partnerwahl aufweichte und Pazifismus von der Jugend nicht zu trennen war.

Ich wuchs danach auf, in den fetten Jahren vor der Digitalisierung. Mit Kindergeburtstagen, bei denen uns die Süßigkeiten in alle Körperöffnungen gestopft wurden, wir aus der Metzgerei rauskamen mit einem Wienerle in jeder Hand, das Ende des kalten Krieges, es war die Zeit der Abrüstung, des Mauerfalls, ein paar Lichterketten gegen Kriege, die woanders stattfanden (für alle, dies vergessen haben: in D mit den Grünen), viel politischer als auf der Love-Parade, wo alle für freie Liebe (und auf Drogen) tanzten, wurde es nicht, Mode drückte Musikgeschmack samt Lebenseinstellung aus - und trotzdem trugen wir alle weiße Tennissocken. Wir lebten in WGs, teilten uns ein Telefon, soffen wie die Haubitzen, die Doppelseite des Dr.Sommer-Teams der Bravo hatte uns supi aufgeklärt, wir konnten uns frei ausprobieren - ja, ich behaupte, gerade was die weibliche Sexaulität anging, waren wir nie unbeschwerter, denn keine fremden Bilder wurden uns von außen ins Gehirn gedrückt. Deshalb machten wir nicht zwangsläufig nur gute Erfahrungen und vor allem mussten wir feststellen, dass wir deshalb nicht automatisch beziehungsfähig sind. Kurzum: alle Türen standen uns offen, alles stand bereit - das größte Problem war, selbst zu wissen, was man will. Ansonsten galt: verwirkliche dich selbst. Oder wie nannte es eine andere Freundin meines Alters:  unsere Jugend fand auf der Insel der Glückseligen statt.

Was hat das mit heute zu tun? Nix. Heute muss man sich - ob man will oder nicht - im WWW dem weltweiten Vergleich stellen. Nix kann man mehr einfach ausprobieren, vor dem ersten Kuss steht der erste Porno, für wirklich alles gibt es ein Scheiß-Tutorial, alles ist katalogisiert, einkategorisiert, systematisiert - inklusive jedes einzelnen Menschen samt seinem Marktwert.... und wenn ich mir nur irgendwie die Haare zusammenwurschtel, hat *meine Frisur* nun die Bezeichung *undone/ messy bun*. Nirgendwo hat man seine Ruhe, nirgendwo mehr ein Stückchen weiße, unbeackerte Landkarte. Und an welchen Ecken und Enden dieser Welt man auch zieht, man langt armtief in überwältigende Probleme. Wo ist da Gelegenheit für jugendliche Leichtigkeit? Und wo kommen eigentlich die Ghettos in D her, wie man sie in einigen Mero Videos sieht. Die gabs so in meiner Jugend noch nicht.

Also träumen die Kids vom fetten Fame und Reichtum - wie kann man es ihnen verdenken -, weil sie mitspielen wollen im großen Spiel des Kapitalismus, womit auf den Social-Media-Kanälen so üppig geprotzt wird und wo die Welt erscheint wie ein einziges Selbstbedienungeinkaufparadies.

Und dann erkennen die Rapper Heros, die es geschafft haben, die endlich oben angelangt sind, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, dass sie im Erfolg sich selbst samt ihrer Freiheit verlieren, keine Ruhe, keinen Frieden finden: *Die Uhr an meiner Hand kostet 50 Riesen, ich bin dennoch nicht zufrieden*, dass alles seinen Preis hat, dass sie Anfeindungen und Neid ausgesetzt sind oder dass sie durch all den Hype so unter Stress geraten, dass ihnen die Gürtelrose bis ins Auge wandert. But so what - was stattdessen anstreben? 

Was ist nur mit dieser Welt los? Vieles ist im Umbruch. In einem rasanten Umbruch. Mit derlei Fragen setzt sich Sybille Berg in ihrem umjubelten Roman *GMF. Brainfuck* auseinander, der gezeichnet ist in den Farben einer Dystopie, aber dabei die Jetztzeit porträtiert - lesenswertes Interview dazu etwa im DLF oder sehenswert: Sybilles Auftritt auf der re:publica 2019. Ich weiß, dass wer versucht realistitisch hinzuschauen, von außen leicht als Pessimist wahrgenommen wird. Unbequem ist es allemal - aber Sybille hat beeindruckend gut recherchiert. Hey: und keiner will hier morgen den Weltuntergang verkünden. Die eigentliche Botschaft ist: Mache die Augen auf und erkenne, was ist! Das beste Werkzeug, um seine Lebensgestaltung im Jetzt und hier aktiv selbst in die Hand zu nehmen, ist Bewußtheit.



 

Dieses Gratin habe ich nun schon zwei Mal auf den Tisch gebracht, denn ich habe mir direkt alle Finger geschleckt. Und ich bemühe mich, regelmäßig Rote Bete auf den Tisch zuzubereiten, denn sie ist sehr gesund: hier bei *Freundin* (letzter Link des Tages) findet ihr auf einen Schlag sieben gute Gründe, die euch für die Rote Bete einnehmen sollte. Und wenn die Vernunft nicht weiterhilft, dann überbrückt diese Lücke bei diesem Rezept der Geschmack. Dazu einen Salat... mehr brauche ich wirklich nicht, um mittags zufrieden zu schnurren...

 

Zutaten 2P:

350g Rote Bete
350g Kartoffeln
100ml Sahne*
150ml Milch
1 TL Kartoffel-Stärke
Salz, Pfeffer

Piment d'Espelette
Thymian
Muskat
Ziegengauda (m: Tomme de Brebis)

Zubereitung:

Den Backofen auf 180°C vorhiezen. Eine ofenfeste Form einfetten.

Die Kartoffelstärke in etwas kalter Milch glatt rühren. Den Rest der Milch samt Sahne zusammen mit dem feingehackten Knoblauchzehen und dem Thymian aufkochen und dabei leicht eindicken lassen. Mit Salz, Pfeffer, Piment und Muskatnuss würzen.

Rote Bete und Kartoffeln schälen und beides mit einem Gemüsehobel (V-Hobel) in dünne Scheiben schneiden.

Rote Bete- und Kartoffelscheiben abwechselnd in der Backform verteilen. Wer mag, gibt ein wenig des geriebenen Käses bereits in die Mitte davon. Die Sahne-Mischung über die Rote Bete- und Kartoffelnscheiben gießen. Den restlichen Käse sowie etwas Thymian darüber streuen. Nochmals pfeffern

Das Rote-Bete-Kartoffelgratin im Backofen auf der mittleren Schiene etwa 45 Minuten backen

Anmerkung m: ich habe beim 2. Mal noch etwas weniger Sahne und etwas mehr Milch verwendet

Inspiration: Siasoulfood

 

 

Brownie-Style-Kuchen-Spezial: 14 Ideen zum Valentinstag

Sonntag, 14. Februar 2021


Vom Valentinstag halte ich rein gar nix! Was hat das mit mir zu tun, wen irgendwer (?) vorgibt, dass heute Blumen verschenkt werden sollten? Ich bekomme das ganze Jahr immer wieder Blumen von dem Habib und überhaupt beschenken wir uns dann, wenn wir Lust dazu haben oder uns etwas ins Auge springt, das dem anderen Freude bereiten könnte. Das darf natürlich von jedem gehalten werden, wie er will. Ich benötige solche Vorgaben von außen nicht.

Wegen mir könnt ihr eurem Chouchou daher auch was Süßes backen, einfach weil heute Sonntag ist. Oder aber nur für euch, weil ihr euch selbst für unwiderstehlich süß haltet. Herausgesucht habe ich mir für dieses Spezial *Brownie-Style-Kuchen*, weil die Blogbetreiberin für diese Art von Kuchen eine ausgeprägte Präferenz hegt, ja, man könnte wohl von einem Zuckerbäcker-Steckenpferd sprechen.

Bereits als Kind konnte der Mama nix bessers passieren, als den Kuchen einen Moment zu früh aus dem Ofen zu holen - wodurch der sich etwas setzte und unten ein Speckrand entstand. Für mich war genau der das Köstlichste am ganzen Kuchen, das Filet-Stück quasi, das ich mir stets als krönenden letzten Happen zum Schluß aufhob (#Systemesserin).

Aber wieso sich auf einen letzten Happen beschränken, wenn ein ganzer Kuchen so schmecken kann? Voilà, voilà: womit wir bei diesem Spezial herausgekommen wären. Ich habe euch heute lediglich 14 Beispiele herausgepickt - Brownies habe ich natürlich auch - doch es finden sich im Fundus noch mehr von der Sorte: schön feuchte, leicht gatschige Kuchen, die jeden Tag nur besser schmecken - das Gegenteil von locker-luftig-trocken! Darunter sind übrigens einige meiner *Bestseller-Aufruf-Kuchen* (BescheidBescheid) - mit vielen Grüßen an Marion...

 

     

       

       

       

       

       

       

Geld 1 - Pastinaken-Gnocchi mit geschmortem Radicchio

Donnerstag, 11. Februar 2021

 
 
Eines dieser großen Mysterien dieses Planeten ist für mich Geld. Wie abstrakt eigentlich, dass ein bißchen bedrucktes Papier schier alles bestimmt, oder? Vielleicht staune ich nochmals mehr mit offenem Mund, weil ich das Kind eines Bankkaufmanns bin. Sparkässler um genau zu sein. Tatsächlich gibt es Kinderfotos von mir, wo ich in eines dieser roten Shirts mit dem weißen Emblem gesteckt wurde! Schlimm, also echt: als wandelnde Werbe-Litfass-Säule für den Beruf vom Papa. Es war eben auch die Zeit, in der die Vater-Generation stets in ein und dem selben Betrieb arbeiten sollte - voller Hingabe opferten sie diesem ihre Lebenszeit und er schenkte ihnen im Gegenzug ihre ganze Identität. Nichts schlimmer als Rente, denn was blieb dann noch. Mein Vater saß selbst an Weihnachten im Anzug zwischen seiner Familie, die Sparkassen-Anstecknadel am Revers.
 
In jedem deutschen Dorf gab es eine Sparkassen-Niederlassung. Die Geld-Oma ging mindestens ein Mal wöchentlich zur Filiale - auch weil die dortige Leiterin (und einzige Angestellte) DER Umschlagplatz für allen Klatsch und Tratsch war. Wer von Isolde zurückkam, war anschließend besser als gut über die Zustände der einzelnen Gemeindemitglieder informiert.
 
Und - bien sûr - machte ich das komplette Grundprogramm mit: von Sparschwein, Weltspartag bis Mitgliedschaft im Knax-Club. Ach, damals schien die Welt noch in Ordnung. Man glaubte, dass das eigene Geld treusorgerisch verwaltet werden würde. Keiner wäre auf die Idee gekommen, dass dort Menschen um ihre Altersabsicherung gebracht werden, noch trübten ans Licht gekommene systematische  Betrugsmaschen das Verhältnis. Tja, damals gabs auf ein Sparbuch satte 5% Zins.
 
Und heute? Heute werden jene, die finanzielle Rücklagen bilden wollen, von vielen Banken bestraft mit einem Negativzins.  So à la: Was, Sie wollen Geld bei uns hinterlegen? Nicht mit uns! Soweit kommts noch! - Ist das irre? Und nix mehr mit Geld ist Geld. Schon gar nicht bei der Bank. Wenn man monatlich mehr als 50 Euro Münzgeld in der Bank abgeben will, dann verlangen viele dafür mittlerweile Gebühren (bis zu 7 Euro)  - problematisch beispielsweise für Bäckereien, bei denen traditionell viel Kleingeld zusammenkommt. Das muss man sich mal vorstellen! Wohin sind die Werte meiner Kindheit *Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert* oder *Spare in der Zeit, dann hast du in der Not* sowie das alte Straßennutten-Freiheitsmotto *Nur Bares ist Wahres* hin verschwunden?

Tja, und wie sieht der Dank der Banken an ihre Kunden aus? Hochriskante Spekulationsgeschäfte brachten zuletzt viele Geldhäuser in Schieflage - man erinnere sich an die letzte Finanzkrise 2008. Doch das Schöne für diese Institutionen ist: wer haftete nämlich für deren grandiose Misswirtschaft? Anleger und Steuerzahler. Bei der nächsten Krise, wenn wieder mehrere Banken gleichzeitig ins Wackeln kommen sollten, ob dann ein Einlagefond hält, was er verspricht? Und ob der Einzelanleger tatsächlich im Fall der Fälle so systemrelevant ist wie die Bankhäuser, die weltweit operieren...
 
Banken wie Börsen haben längst nichts mehr mit ihrer ursprünglichen Aufgabe als Dienstleister zu tun. Die Börse sammelt kein Geld mehr ein, um es Unternehmen zur Verfügung stellen zu können, sie ist zum Casino mutiert. Man braucht nur mal schauen, wer gerade die großen Profitöre dort sind: Pharma-Aktien (honi soit qui mal  pense) sowie die Technologie-Aktien! Amazon-Aktien konnten alleine letztes Jahr um 65% zulegen, der Kursgewinn von Tesla liegt gar bei 740% - völlig losgelöst von jedem realwirtschaftlichen Gegenwert. Doch nirgends sind Regulierungsbehörden zu finden, die Banken und Börsen Einhalt gebieten würden - im Gegenteil. Bitte, das MUSS man doch kurios finden, oder?

Also ich verstehs nicht! Henry Ford sagte *Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, dann hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh*. Und jetzt frage ich euch: was ist denn eigentlich falsch daran, wenn man erkennbar kritisch über ein solches System nachdenkt? Wer brandmarkt denn all jene zu Verschwörungstheoretikern und warum? Mit welchem Recht?
 


Pastinaken gelten als altes, unterschätztes Gemüse, wieso sie mir trotzdem nicht sonderlich schmecken. Ich griff nach ihnen auf dem Markttisch, um etwas Abwechslung ins Kohl-Geschäft zu bringen. Und auch, weil ich einem Rezept für Pastinaken-Gnocchi begegnet war - allerdings mit völlig schwammigen Mengenangaben: 4 Kartoffeln, 4 Pastinaken, Ruchmehl, Paniermehl... Letzteres ließ mich aufmerken. Das wollte ich probieren! Und Fazit: gerade in Kombination mit der bitteren Note des Radicchio gefielen mir diese Pastinaken-Gnocchi sehr gut. Meine Semmelbrösel sind eher dunkel, daher schmeckt man sie etwas aus den Gnocchi - was mich aber nicht gestört hat.

 
 
Zutaten 2P:
 
250g Pastinaken
250g Kartoffeln (mehlig kochend /m: Agria)
50-60g Mehl (m: D1050)
30g Semmelbrösel
Salz
Piment d'Espelette
Muskatnuss-Abrieb

1 rote Zwiebel
2 Knoblauchzehen
2 Köpfe Radicchio (ca. 300g)
Mandarine, Saft davon
1 TL Thymian
2-3 EL Balsamico-Reduktion
Piment d'Espelette
Salz, Pfeffer
Olivenöl
2 EL Pinienkerne, geröstet 
etwas geriebener Käse (m: Tomme de Brebis)

Zubereitung:

Kartoffeln als Pellkartoffeln weich garen und schälen. Pastinaken schälen, klein schneiden und in etwas Wasser weich dämpfen. Die beiden zusammen noch warm miteinander gut verstampfen. Gewürze und Mehle untermischen und zügig zu einem homogenen Teig verarbeiten (der Teig sollte nicht mehr sehr kleben - gegebenenfalls etwas mehr Mehl verwenden). Im Kühlschrank etwas abkühlen lassen.

Reichlich Salzwasser zum Kochen bringen. Den Teig in Stränge von ca. 1cm rollen und davon dann Gnocchi abschneiden (m: auf Hartweizengrieß bestreutem Küchenbrett), die Gnocchi nochmals leicht länglich rollen (oder in eine andere, gewünschte Form bringen). Ins Kochwasser geben und mit der Schaumkelle rausheben, wenn sie an die Wasseroberfläche steigen. Warm stellen.

Äußere Blätter des Radicchio entfernen, halbieren und den Strunk entfernen. Radiccio in 4 cm breite Spalten schneiden. Die Zwiebeln etwas gröber Würfeln, Knoblauch fein hacken. 

Olivenöl erhitzen und die Zwiebel darin zusammen mit dem Thymian glasig dünsten. Dann Radicchio zufügen und kurz anbraten und mit Mandarinensaft ablöschen. Salzen, pfeffern und mit Balsamico-Reduktion abschmecken und zugedeckt 2-3 Minuten schmoren.

Den Radicchio auf zwei Teller verteilen, Gnocchi darüber anrichten und Pinienkerne wie Käse zum Servieren darüber streuen.

Anmerkung m: ich mag die meisten Gnocchi lieber, wenn sie in einer Pfanne noch kurz angebraten werden und etwas Röstaroma erhalten. Das geht am besten dann, wenn man die Gnocchi auskühlen und dabei austrocknen hat lassen - am allerbesten sogar, wenn sie am Vortag gemacht wurden. Ansonsten liegt es an einer guten Pfanne, ob sie anhängen oder nicht.

 

Mundart: vegetarisches Labskaus

Samstag, 6. Februar 2021


Wie sicher war ich mir, dass *Labskaus* ein Wort ist, das dem Platt entlehnt ist - aber nein, was das Wort bedeutet, obs gar aus England oder dem Baltikum stammt, ist alles nicht klar. So ganz ohne eindeutigen Ursprung, könnte man sagen, dabei handelt es sich um eine ähnliche Wortschöpfung wie bei Pippi Langstrumpfs Spunk - nur mit dem Unterschied, dass bei Labskaus die meisten zumindest wissen, dass es sich um ein Gericht handelt und bei Spunk wirklich keiner eine Ahnung hat, was gemeint ist.

Woraus Labskaus besteht und wie man es zubereitet, da dürften sich die Geister bereits wieder scheiden. Aber mit Kartoffeln, rote Bete und Gurken als Basis sind wir uns einig? Zumindest für die vegetarische Variante. Und dafür habe ich heute einen Rezeptevorschlag von der Kochbuchautorin Bettina Matthaei, genau die, die bei mir bekennend hoch im Kurs steht. So ist nicht weiter verwunderlich, dass mir das Gericht so gut geschmeckt hat, dass ich mich nach keiner weiteren Variante für ein vegetarisches Labskaus umschauen werde - was man in meiner Foodie-Sprache dann DUBB nennt.

Wäre die Rezepteeinführung hiermit direkt abgehakt, so dass ich nochmals auf Dialekt zurückkommen kann. Denn ich dachte ja, dass *Labskaus* mir dafür eine Steilvorlage bietet.

Ich l-i-e-b-e Dialekte. Galt Mundart früher als Makel, so drohen mittlerweile die Dialekte zu verschwinden oder sich zur Geheimsprache eines kleinen Kreises an Eingweihten zu verwandeln. Dörte Hansen verglich in *Mittagsstunde* so herrlich das Sprechen von Plattdeutsch mit einem Feldhamster: „Jetzt wurde man, sobald man seinen Mund aufmachte, wie ein Rote-Liste-Tier gehätschelt. Wie ein Feldhamster, der auch fast ausgestorben war, und auch so niedlich. Und so nett. So urig.* Erst in der Zeit von Gerhart Hauptmann wurde man sich der Bedeutung von Mundart erst richtig bewußt. In seinem  Drama *Die Weber* verhilft der in der Literatur festgehaltene Dialekt zu einem ganz neuen Naturalismus. Für Gerhart Hauptmann war Dialekt die Sprache des Gemüts. Und ich finde, da hat er absolut recht gehabt. Da webt stets so viel mehr zwischen den Zeilen als das blosse, gesprochene Wort.

Eines meiner süddeutschen Lieblingsworte ist *Muggaseggele* - ein von der Stubenfliege (Mugg) abgeleites Größenmaß (dabei war mir allerdings seither nicht klar, dass *Seckel* von Hodensack kommt...). Und ich habe ein weiteres herrliches Beispiel parat, das ich aus meiner Kindheit nur zu oft gehört habe. Meine beiden Großmütter lebten jeweils in dem Dorf, in dem sie auch geboren waren, Luftlinie keine 30 Kilometer auseinander - aber damals ohne Auto bereits WELTEN entfernt. Man sprach badisch, aber teils mit unterschiedlichen Worten und Betonungen. Das kam mir in den Sinn, als ich zufällig die Episode *Gschieß machen* von der bayrischen Kabarettistin Martina Schwarzmann sah. Im Badischen wird das anders ausgesprochen (Gschiss machen - mit kurzem i), aber es meint exakt das Gleiche, was Martina Schwarzmann wirklich super witzig erklärt. Und nichts wohltuender, als wenn man gerade nicht jeden Ferz ernst nehmen muss. Ach, Dialekt, das verleiht einfach allem einen anderen Schmelz...

 


Martinas Beziehungstipps bestätigen übrigens auch nur, was wir Foodies längst wissen (ich übersetze direkt in Schriftsprache, weil bayrisch kann ich nicht richtig schreiben):* Wer kochen kann, ist nie allein. Wenn du kochen kannst, so *greislig* kannst du gar nicht sein, dass man keinen abkriegst.*  Und ich füge noch hinzu: *So greislig kann kein Tag sein, dass man ihn sich nicht eine Winzigkeit schöner kochen kann!* Zumindest ist es allemal ein Versuch wert, oder?

 

Zutaten 4P*:

800g Kartoffeln (mehlig kochend/ m: Mona Lisa)
ca. 800g Gemüsebrühe
1/2 TL Kümmel
250g Gemüsezwiebeln
6 EL Olivenöl
250g Rote Bete
1 EL Kapern
100g Senfgurken (Glas)
Salz, Pfeffer
Cayenne
4 Eier
2 Stängel Dill (m: Fenchel)
8 Cornichons

Zubereitung:

Kartoffeln schälen und als Salzkartoffeln weich garen (dauert etwa 20min).

Die Zwiebeln fein würfeln und in 5 EL Olivenöl glasig dünsten. Die Rote Beete schälen und auf einer Julienne-Reibe in feine Stifte zu hobeln und weiter mit einem Messer in kleine Würfel schneiden. Die Rote-Bete-Würfelchen zu den Zwiebeln mischen und etwa 8min bei kleiner Hitze und unter gelegentlichem Rühren mitdünsten. Währenddessen Kapern und Senfgurken fein hacken und zuletzt zu den Zwiebeln geben.

Die Kartoffeln abgießen, ausdampfen lassen und mit dem Kartoffelstampfer grob zerstampren. Die Rote-Beete-Mischung dazugeben, untermischen und alles weiter zerstampfen. Mit Salz, Pfeffer und Cayenne abschmecken.

Die Eier im übrigen Öl bei kleiner Hitze zu Spiegeleiern braten.

Anmerkung m: ich habe für uns zwei die Menge nicht ganz halbiert - wir sind wohl zu appetitlich. Bettina Matthaei schlägt noch ein ungewöhnliches Topping aus Sesam und Noriblätter vor - hört sich spannend an!

Quelle: Gemüse kann auch anders von Bettina Matthaei

 

und als Sonntags-Goodie: